Hinter den Immobilienkernmärkten Europas liegen überwiegend rosige Zeiten. Das Niedrigzinsumfeld sorgte für günstige Finanzierungsbedingungen bei Ankäufen. Gleichzeitig stand den Investoren sehr viel Liquidität zur Verfügung, das an den klassischen liquiden Investmentmärkten kaum mehr zu auskömmlichen Renditen angelegt werden konnte. Immobilien boten einen rentablen Ausweg aus dieser Anlagesituation.
Zudem zog die starke Entwicklung der Konjunktur und am Arbeitsmarkt, vor allem in Deutschland, eine hohe Flächennachfrage in vielen Segmenten des Immobilienmarkts mit sich, die zwangsläufig in einer zunehmenden Bereitschaft mündete, höhere Mieten zu akzeptieren. Kurzum: Das Umfeld war ideal, und die Folge waren steigende Mieten, sinkende Leerstände und sinkende Finanzierungskosten, was positive Auswirkungen auf den Anlageerfolg hatte.
Doch mit diesem Luxusumfeld war es mit Ausbruch der Pandemie plötzlich vorbei. Die Gretchenfrage lautet jetzt: Ist COVID-19 das endgültige Ende dieses goldenen Jahrzehnts am gewerblichen Immobilienmarkt? Oder nur eine kurze Episode?
Panik ist wie so oft die falsche Reaktion
Klar ist: Einige der für den Aufschwung verantwortlichen Faktoren greifen aktuell nicht mehr. So werden die expansive Geld- und Fiskalpolitik und damit Niedrigzinsumfeld und Liquiditätsschwemme zwar anhalten, allerdings treten viele Geschäftsbanken angesichts einer drohenden Insolvenzwelle bei der Kreditvergabe auf die Bremse und erhöhen die Risikoprämien.
Zudem drohen in zahlreichen Teilmärkten höhere Leerstände. Die Kombination aus einem höheren Leerstandsrisiko und geringeren zu erwartenden Mieteinnahmen wirkt sich langfristig negativ auf die Bewertung von Immobilien aus. Gleichermaßen verfügen die meisten Investoren weiterhin über sehr viel liquides Kapital, agieren aber etwas vorsichtiger. Viele wollen Rücklagen für potenzielle Forderungsausfälle zurückhalten.
Doch Panik als Reaktion auf die Pandemie ist wie so häufig die denkbar falsche Reaktion. Im Gegenteil: Wer mutig genug ist und über die entsprechende Liquidität verfügt, um eine kurzfristige Gelegenheit schnell ergreifen zu können, für den ergeben sich aktuell mehr interessante Optionen als zuvor. Beispielsweise gehört das Hotel- und Gastgewerbe zu den am stärksten von den Konsequenzen der COVID-19-Pandemie betroffenen Branchen.
Entsprechend sind die Ankaufspreise ins Rutschen geraten. Doch mit dem Abebben der Pandemie wird sich dieser Sektor sehr wahrscheinlich erholen. Die Frage ist, wo genau die Erholung stattfinden wird ob und wann etwa Geschäftsreisen wieder an Niveaus von vor der Pandemie zurückkehren werden.
Zudem wurden einige bereits fest vereinbarte Transaktionen abgebrochen. Können sich Käufer und Verkäufer auf keinen neuen Preis einigen, sucht letzterer nach einem neuen Kaufinteressenten – eine gute Gelegenheit für Investoren auf einem zuvor hochpreisigen Verkäufermarkt doch noch ein Objekt zu erwerben.
Beim Erwerb dieser Objekte kommt es nicht zuletzt auf Schnelligkeit an. Wer rasch entscheidet und über genug liquides Eigenkapital verfügt, ist eindeutig im Vorteil gegenüber Akteuren, die erst langwierig mit ihren Banken über Kreditlinien und Finanzierungsstrukturen verhandeln müssen. Zukünftig wird aufgrund der strukturellen Veränderungen auch die Rolle des aktiven Asset-Managements zunehmen: Kürzere und flexiblere Mietverträge anstatt mit 20-jähriger Laufzeit, kleinteilige Anmietungen und die steigenden Ansprüche der Mieter führen zu einer neuen Komplexität der Branche, die es zu meistern gilt.
Gut überlegt, statt übereilt gekauft
Dennoch sollten Kaufentscheidungen gut überlegt und nicht übereilt getroffen werden. Käufer müssen aus fundamentalen Gründen von dem Kauf überzeugt sein: Faktoren wie Zustand und Lage des Objekts, Vermietbarkeit, Bestandsmieter und prognostizierte Mieteinkünfte müssen auf ganzer Linie überzeugen.
Zugleich sollten Käufer eine konkrete und langfristige wirtschaftliche Perspektive für das Investment sehen und eine Strategie entwickeln. Seitens des Investors sind Know-how und Ausdauer gefragt, die vorübergehende Krise zu meistern und die Strategie umzusetzen. Der hiesige Markt bietet dafür gute Voraussetzungen. Deutschland ist die größte und eine der stabilsten Volkswirtschaften in Europa, mit stabilen politischen Verhältnissen und einem sicheren Rechtsrahmen. Der gewerbliche Immobilienmarkt gehört zu den bedeutendsten der Welt und ist nach den USA der zweitliquideste.
Gerade deshalb hat sich für an langfristiger Stabilität und nachhaltiger Entwicklung orientierte Investoren kaum ein Land in den vergangenen Jahren als so günstig erwiesen wie Deutschland. Insgesamt gilt also: Auch wenn die aktuellen Sorgen hinsichtlich der Zukunft durchaus ihre Berechtigung haben, scheint diese langfristig positiv. Die Frage ist nur, wann es endlich soweit ist.