ESG-Faktoren gewinnen für die Immobilienwirtschaft nicht nur durch die Klimaziele der Europäischen Union und strengere gesetzliche Auflagen an Bedeutung. Auch für Mieter und Investoren werden nachhaltige Gebäude immer wichtiger, insbesondere im Hinblick auf die in den kommenden Jahren zu erwartende Berichtspflicht über die Einhaltung von ESG-Kriterien. Für Immobilieneigentümer geht es um Wertbeständigkeit und Stabilität des laufenden Cashflows durch Mieteinnahmen. Denn es ist zu erwarten, dass Immobilien, die ESG-Kriterien nicht erfüllen, zu sogenannten Stranded Assets werden, die nicht mehr veräußerbar oder vermietbar sind und stark an Wert verlieren. Langfristig orientierte Immobilieninvestoren kommen daher nicht umhin, ihre Immobilienportfolios nachhaltig aufzustellen, damit sie zukunftsfähig bleiben. Vor allem die Kombination von qualitativ hochwertigen Immobilien, die wichtige ESG-Kriterien erfüllen, mit einer zentralen Lage ist eine Grundvoraussetzung für eine weiterhin hohe Flächennachfrage und den Werterhalt von Immobilien.
ESG-konforme Immobilien im Fokus von Nutzern und Investoren
Die Berücksichtigung von ESG-Faktoren im Immobilienportfolio ist nicht nur ein Beitrag zum Umweltschutz, sondern bietet Investoren echte Renditepotenziale. So zeigt eine europäische Analyse von CBRE für das Jahr 2022, dass zertifizierte Büroimmobilien im Vergleich zu konventionellen Objekten eine um sechs bis acht Prozent höhere Miete erwirtschaften und um 14 bis 16 Prozent höher bewertet werden. Im Rahmen der CBRE-Studie „The Value of Sustainable Building Features“ wurden 7.500 Mietverträge in Bürogebäuden mit Nachhaltigkeitszertifizierung und 37.000 Mietverträge in nicht-zertifizierten Beständen in Europa untersucht.
Im ersten Halbjahr 2023 war der Anteil zertifizierter Green-Building-Objekte am Büroflächenumsatz in den Top-7-Bürolagen Deutschlands laut JLL so hoch wie noch nie und ist in den vergangenen fünf Jahren von 14 Prozent auf mittlerweile 22 Prozent gestiegen.
Dass nachhaltige Gewerbeimmobilien zunehmend in den Fokus von Immobilieninvestoren rücken, zeigt sich auch an deren Bereitschaft, höhere Preise zu zahlen. Laut CBRE sind bereits 32 Prozent der im Rahmen einer Studie befragten Immobilieninvestoren bereit, einen Preisaufschlag für ESG-konforme Immobilienobjekte zu zahlen – mehr als die Hälfte davon würde einen Aufschlag von bis zu 20 Prozent akzeptieren. Doch nicht nur ökologische Aspekte, also nicht nur das „E“ von ESG, sondern auch soziale Faktoren stehen im Fokus von Investoren und Mietern. Laut CBRE sind 67 Prozent der europäischen Investoren und Nutzer bereit, einen Preisaufschlag für Immobilien zu akzeptieren, die zur physischen und psychischen Gesundheit der Mitarbeiter beitragen.
Spitzenbüromieten weiter im Aufwärtstrend
Zwar hat die konjunkturelle Schwächephase auch auf den Bürovermietungsmärkten Spuren hinterlassen und JLL meldet für die sieben wichtigsten Bürostandorte in Deutschland einen Dreivierteljahresumsatz von 1,8 Millionen Quadratmetern, 36 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Allerdings differenziert sich der Markt weiter aus. Trotz des leicht schwächelnden Marktes sind Top-Flächen in zentralen Lagen und nachhaltige Büros mit guter Verkehrsanbindung nach wie vor gefragt. Dieser Qualitätsfokus spiegelt sich auch in der Mietzahlungsbereitschaft und dem anhaltenden Aufwärtstrend der Spitzenmieten wider. Ende September lag der JLL-Spitzenmietpreisindex bei 273,3 und damit knapp 14 Prozent über dem Vorjahreswert. In von JLL allen betrachteten Städten sind Mietpreissteigerungen im Jahresvergleich zu verzeichnen, die von 4,5 Prozent in Hamburg und Frankfurt bis zu 33 Prozent in Düsseldorf reichen.
FAZIT: Anforderungen werden komplexer – Nachhaltigkeit als wirtschaftlicher Faktor
Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien ist für Immobilieninvestoren längst kein ‚Nice-to-have‘ mehr, sondern ein relevanter wirtschaftlicher Faktor. Insbesondere im europäischen Top-Bürosegment ist eine zunehmende Fokussierung der Nutzer auf sehr gute Lage- und Objektqualitäten sowie nachhaltige Flächen zu beobachten. Das heißt, Mieter zahlen nicht nur Spitzenpreise für Top-Lagen in Metropolregionen, sondern erwarten auch modernste Standards hinsichtlich Energieeffizienz und CO2-Ausstoß. Nicht zu unterschätzen: Nachhaltige und zentral gelegene Flächen können auch die Positionierung im Wettbewerb um Mitarbeiter stärken. Höhere Mietpotenziale für nachhaltige Flächen bedeuten wiederum attraktive Renditechancen für Investoren. Der Wettbewerbsvorteil von ESG-konformen Immobilien zeigt sich aber nicht nur in der Miethöhe, sondern auch in einer insgesamt besseren Vermietbarkeit und geringeren Leerständen. Die verstärkte Fokussierung auf nachhaltige Immobilien in Top-Lagen führt dazu, dass sich die Schere in Bezug auf Mietpreise und Wertentwicklung zwischen modernen, ESG-konformen Immobilien an zentralen Standorten und nicht zeitgemäßen Bestandsobjekten in peripheren Lagen weiter öffnet.
Autor Tomasz Dukala ist Board Member bei der EPH European Property Holdings.