Immobilientransaktionen enden selten nach dem Notartermin. Bei Projektverkäufen mit Bauverpflichtungen des Verkäufers versteht sich dies von selbst. Aber auch beim Verkauf von Bestandsimmobilien kommt es immer wieder zu Differenzen. Worauf dabei zu achten ist.
Kolumne von Ulrich A. Nastold, Kanzlei Klumpe, Schroeder + Partner GbR
Auch bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen – beim Verkäufer und Käufer von Immobilieneigentum kann regelmäßig davon ausgegangen werden –, besteht für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind. Dabei kann der Verkäufer auch verpflichtet sein, den Käufer über Umstände aufzuklären, die für dessen Preiskalkulation wesentlich sind, wenn der Verkäufer erkennt, dass der Käufer sein Angebot auf der Grundlage falscher Vorstellungen abgibt (vgl. BGH, Urt. v. 26. April 1972, VIII ZR 32/71).
Vermitteln die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erzielten Mieten aufgrund besonderer Umstände ein falsches Bild über die Ertragsfähigkeit eines Grundstücks, muss der Verkäufer den Käufer hierüber ungefragt aufklären, da die übliche Schlussfolgerung, aus den vereinbarten Mieten die Ertragsfähigkeit einer Immobilie abzuleiten, nicht gerechtfertigt ist. Wenn ein Kaufpreis auf der Grundlage aktueller Jahresmieten ermittelt wird (Faktor X der Jahresmiete), ist in der Regel davon auszugehen, dass die Vorstellung eines Käufers über den tatsächlichen Ertrag für seinen Kaufentschluss erkennbar von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. BGH, Urt. v. 13. Juli 1983, VIII ZR 142/82).
Vertraglich übernommene Informationspflicht des Verkäufers
Ist einem Käufer eines Einkaufszentrums bekannt, dass der Großteil der Flächen durch einen Hauptmieter genutzt wird und bestehen erhebliche Leerstände bei vermietbaren Flächen, kann ein Verkäufer allerdings davon ausgehen, dass jedenfalls ein erfahrener Käufer eigene Pläne verfolgt (vgl. BGH, Urt. v. 1. Februar 2013, V ZR 72/11). Während in einem solchen Fall eine vorvertragliche gesetzliche Aufklärungspflicht verneint werden kann, kann sich aus speziellen Absprachen zwischen Verkäufer und Käufer dennoch etwas anderes ergeben.
Ein Verkäufer kann sich vertraglich dazu verpflichten, einem Käufer bestimmte Auskünfte zu erteilen oder Unterlagen vorzulegen. Solche weitergehenden Pflichten können insbesondere durch Garantien begründet werden. Wird in einem Kaufvertrag vom Verkäufer garantiert, nicht nur sämtliche Mietvertragsunterlagen, sondern des Weiteren die Mieterkorrespondenz zu übergeben, gehört hierzu der komplette Schriftwechsel, insbesondere auch Schreiben des Hauptmieters, in denen dieser um eine teilweise Entlastung aus dem Mietvertrag ersucht und um eine Mietminderung bat. Ein Verkäufer ist in einem solchen Fall gehalten, die Korrespondenz nebst vorhandener Untermietverträge vorzulegen (vgl. BGH, Urt. v. 1. Februar 2013, V ZR 72/11).
Wird eine vertraglich übernommene Informationspflicht verletzt, kann der Käufer einer Immobilie im Wege des Schadenersatzes den Betrag verlangen, um den er den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat. Ein Mitverschulden eines Käufers scheidet selbst dann aus, wenn er laut Vertrag eine umfassende technische, wirtschaftliche und rechtliche Überprüfung (Due Diligence) vorbehalten hat und sich das Recht ausbedungen hat, bei neuen Erkenntnissen innerhalb einer bestimmten Frist nach Vertragsschluss Nachverhandlungen zu verlangen oder vom Vertrag zurücktreten zu können.
Vorsicht bei Berechnungsbeispielen
Erteilt ein Immobilienverkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen, insbesondere auf Nachfrage eines Käufers, einen ausdrücklichen Rat, kommt zwischen Verkäufer und Käufer ein Beratungsvertrag zustande. Der zumindest stillschweigende Abschluss eines Beratungsvertrages ist ebenfalls zu bejahen, wenn der Verkäufer dem Käufer als Ergebnis von Verhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile eines Immobilienerwerbs vorlegt, welches der Herbeiführung eines Geschäftsabschlusses dienen soll (vgl. BGH, Urt. v. 31. Oktober 2003, V ZR 423/02).
Ein solcher Beratungsvertrag kann ferner begründet werden, wenn ein Vermittler handelt und der Kaufinteressent aus Umständen schlussfolgern kann, dass der Vermittler zum Abschluss eines Beratungsvertrages zwischen Verkäufer und Käufer bevollmächtigt ist. Dabei sind für die Annahme einer stillschweigenden Bevollmächtigung und an die Kundgabe des Willens, die Beratung für den Verkäufer zu übernehmen und auszuführen, keine zu strengen Anforderungen zu stellen, sofern der Käufer dem Vermittler keinen Maklerauftrag erteilt hat. Es reicht dann aus, dass die individuelle Beratung des Kaufinteressenten eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss der Verkaufsbemühungen war (vgl. BGH, Urt. v. 18. Januar 2013, V ZR 279/11 oder Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02).
Dass eine Beratung nach den Umständen jedenfalls auch im Namen des Immobilienverkäufers erfolgt ist, kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass der Berater in den verwendeten Prospekten als Vertriebspartner des Verkäufers genannt ist, dass er von dem Verkäufer zur Verfügung gestellte Berechnungsbeispiele verwendet oder dass der Verkäufer auf einen Kontakt mit dem Kaufinteressenten verzichtet und es dem Finanzdienstleister überlässt, die Vertragsverhandlungen bis zur Abschlussreife zu führen (vgl. BGH, Urt. v. 31. Oktober 2003, V ZR 423/02).