Im dritten Quartal hat die Eurozone den Brexit-Schock überraschend gut verdaut. Das Wachstum blieb mit 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr stabil. Gastkommentar von Karsten Junius, Bank J. Safra Sarasin AG
Auch im Vereinigten Königreich ist die Wirtschaft nicht eingebrochen, was besonders für die kontinentale Exportwirtschaft wichtig ist. Der Ausblick für das 4. Quartal ist ebenfalls ermutigend.
Das Wirtschaftsvertrauen ist zuletzt auf einen neuen Jahreshöchststand gestiegen, sodass es sich klar sagen lässt, dass die Erholung von der Finanzmarktkrise weiter fortschreitet. Selbst die Preise scheinen wieder zu steigen. Mit 0,5 Prozent gegenüber Vorjahr konnte im Oktober 2016 die höchste Inflationsrate seit Mitte 2014 gemessen werden. Für die nächsten Monate sind zudem weitere Anstiege gut absehbar. Die Rohstoffpreisrückgänge des vergangenen Herbstes werden zunehmend aus dem Jahresvergleich herausrutschen und so zu einem Inflationsanstieg auf rund 1,25 Prozent bis Februar 2017 beitragen. Im gleichen Zeitraum dürfte das schwache britische Pfund zu einem Inflationsanstieg auf zwei Prozent im Vereinigten Königreich führen.
Weltweites Inflationsumfeld verbessert sich
In den USA werden schließlich steigende Gesundheitskosten zum Jahresbeginn zu Inflationsraten von rund 2,75 Prozent beitragen. Es scheint also so, dass sich das Inflationsumfeld global deutlich verbessern würde. Dies ist insofern richtig, als das die deflationären Gefahren offensichtlich in den Hintergrund rutschen. Der weiterhin niedrige inländische Preisdruck darf aber auch nicht übersehen werden. Steigende Rohstoffpreise, ein schwächerer Wechselkurs und höhere administrierte Preise im Gesundheitsweisen sind alles keine preistreibenden Faktoren, die auf einen nachhaltigen Inflationsanstieg schließen lassen.
So bewegt sich die Kerninflationsrate in der Währungsunion auch seit Monaten nicht vom Fleck. Selbst wenn diese im Frühjahr ebenfalls von aktuell 0,8 Prozent auf gut 1,0 Prozent steigen dürfte, wird die EZB nicht schließen können, dass sie ihr Ziel erreicht hat – einen sich selbsttragenden Inflationsanstieg in Richtung knapp zwei Prozent.
Für ein Tapering in der Eurozone ist es noch zu früh
Um diesen zu erreichen, müssten vor allem die Löhne stärker ansteigen. Bislang ist genau das aber kaum der Fall. So schätzt die EU-Kommission, dass die Pro-Kopf Einkommen in der Währungsunion lediglich um 1,5 Prozent in diesem und 1,9 Prozent im nächsten Jahr ansteigen. Dies ist zwar mehr als 2015 mit 1,2 Prozent, aber auch nur eine sehr langsam ansteigende Dynamik. Für ein „Tapering“ also eine sukzessive Reduzierung der EZB-Anleihekäufe ist es folglich zu früh.
Dabei mag die Liquidität, die durch weitere Käufe durch die EZB bereitgestellt wird, weniger wichtiger sein als die Wirkung auf die Zinsaufschläge in der Euro-Peripherie. Diese würden bei auslaufenden Wertpapierkäufen der EZB nämlich vermutlich stark ansteigen und sowohl Wachstum als auch die Inflationsentwicklung erneut massiv dämpfen. Die Reflationierung der Wirtschaft braucht folglich genau wie die Normalisierung der Geldpolitik noch mehr Zeit.
Karsten Junius ist Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin AG, Basel
Foto: Bank J. Safra Sarasin AG