Brauche ich einen Anwalt?
Norman Wirth: Sie sollten bei Schadenersatzforderung von Kunden oder deren Anwälten definitiv und sofort anwaltlichen Rat einholen. Egal, ob Sie der blauen Infinus angeschlossen waren oder Partner der „Infinus Ihr Kompetenz-Partner“ (rote Infinus).
Ist das wirklich nötig? Kann ich nicht erst einmal selbst antworten? Ich habe mir doch nichts vorzuwerfen. Und den Kunden kenne ich doch schon lange. Wir haben uns immer gut verstanden.
Norman Wirth: Bei Geld hört die Freundschaft bekanntlich auf. Erst recht häufig auch eine langjährige Kundenbeziehung. Der Kunde hat den entscheidenden Schritt dann doch schon getan: Er oder sein Anwalt fordert Schadenersatz von Ihnen. Das Vertrauensverhältnis ist damit in der Regel unwiderruflich beendet. Mit jedem Statement, was Sie jetzt mündlich oder schriftlich gegenüber Ihren Kunden abgeben, besteht die Gefahr, dass sie sich erst versehentlich in die Haftung begeben (ohne geeigneten Versicherungsschutz).
Infinus hat einen Brief verschickt, den wir an die Kunden schicken können. Was halten Sie davon?
Norman Wirth: Ich sehe darin keinen Fehler.
Muss ich denn meine Kunden überhaupt informieren?
Norman Wirth: Eine gesetzliche Verpflichtung besteht nicht. Mit der Beratung vor Abschluss und der Vermittlung des jeweiligen Finanzanlageproduktes enden Ihre gesetzlichen Pflichten zur Information, Beratung Dokumentation. Wenn Sie in der jetzigen Situation beratend tätig werden, entsteht ein neuer Beratungsvertrag (auch wenn da nichts schriftlich vorliegt), und damit das Risiko, dass Sie sich erst jetzt in wirkliche Probleme bringen.
1. Problem: Sie begeben sich eventuell auf das Gebiet der unerlaubten Rechtsberatung.
2. Problem: Es dürfte äußerst schwierig sein, derzeit überhaupt einen richtigen Rat an die Kunden zu geben. Dafür ist die Situation noch viel zu verworren. Auch wenn Sie – wider Erwarten – einen Dauerbetreuungsvertrag mit dem Kunden haben, endet meiner Meinung nach hier die Betreuungspflicht, da jetzt die Grenze zur unerlaubten Rechtsberatung im Einzelfall überschritten wird.
Wenn nun aber der Kunde nicht locker lässt und von mir eine Stellungnahme will?
Norman Wirth: Verweisen Sie darauf, dass auch Sie nur die frei zugänglichen Informationen haben und kein Jurist sind.
Soll ich meinen Kunden raten, jetzt schnell einen Anwalt zu nehmen?
Norman Wirth: So schwer es fällt: Nicht einmal einen solchen Rat würde ich an Ihrer Stelle erteilen und entsprechend konkret auf eine diesbezügliche Nachfrage der Kunden antworten.
Online ist zum Beispiel derartiges zu lesen: „Wir raten daher Anlegern dringen dazu, sich der Interessensgemeinschaft … anzuschließen und ihre Rechte rechtzeitig sichern zu lassen“, so Rechtsanwalt XY. Infinus-Anleger müssen also schnell handeln und ihr Recht auf das beschlagnahmte Vermögen geltend machen.“
Anderseits ist schon von Seiten des Insolvenzverwalters Kübler der Fubus zu lesen: „Bruno Kübler beruhigt die betroffenen Anleger dahingehend, dass ein sogenanntes „Windhundrennen“ zur Sicherung der Ansprüche nicht stattfinden wird. Die Konten aller Firmen der Infinus-Gruppe sind seit der Razzia am Dienstag letzter Woche eingefroren. Bei dem bundesweiten Einsatz wurden auch sechs Gesellschafter und Geschäftsführer der Infinus-Gruppe inhaftiert. So sei es zur Zeit unwahrscheinlich, dass Vermögenswerte bei der Infinus-Gruppe verschwinden können.“
Raten Sie nun also Ihren Kunden ganz schnell zum „Anleger“-Anwalt zu rennen, um an diesem Windhundverfahren teilzunehmen und am Ende kommt nichts dabei heraus – außer Kosten: Wem werden die Kunden Rechnung präsentieren?
Raten Sie dagegen Ihren Kunden nicht zum “Anleger”-Anwalt zu rennen und irgendwann ist von den zwei drei Glücklichen zu lesen, die im Rahmen einer Arrestpfändung doch etwas für sich erreichen konnten: Wem werden die Kunden ihren Schaden präsentieren?
Der Insolvenzverwalters Kübler äußerst sich laut einiger Online-Artikel derzeit ergänzend so: “Die Gläubiger sollen sich laut Kübler zur Zeit keine Sorgen bezüglich der Fristen machen. Es werde dazu rechtzeitig über verschiedene Kanäle Informationen geben. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird jedoch erst in drei Monaten gerechnet. Für die Anleger will Kübler eine Online-Informationsplattform einrichten. Betroffene Anleger werden gebeten, so lange von Einzelanfragen abzusehen.”
Gelegentlich ist von gemeinsamen Veranstaltungen oder Initiativen von Kunden und Vermittlern in solchen Fällen zu hören. Was halten Sie davon?
Norman Wirth: Gar nichts. Im Gegenteil: Unbedingt Vorsicht vor gemeinsamen Aktions- oder Interessengemeinschaften von Anlegern und Vermittlern. Der Interessenskonflikt ist programmiert.
Norman Wirth ist Rechtsanwalt in der Berliner Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte, die auf Vermittler- sowie Versicherungs- und Kapitalanlagerecht spezialisiert ist. (jb)
Foto: Christiof Rieken