Ich habe gehört, dass das Haftungsdach eine eigene Vermögensschadenshaftpflichtversicherung hat. Stimmt das?
Norman Wirth: Nach unseren Informationen ist das richtig. Es existiert eine überobligatorische Versicherung für das Institut gemäß Paragraf 33 Abs. 1 Satz 2 KWG. Diese bietet Versicherungsschutz, wenn den Organen oder angestellten Mitarbeitern eine Pflichtverletzung vorgeworfen wird. Die Jahreshöchstleistung dieser Versicherung soll zwei Millionen Euro betragen.
Zusätzlich zu dieser Versicherung soll eine weitere Versicherung für das Institut in seiner Funktion als Haftungsdach mit einer Jahreshöchstleistung von nochmals zwei Millionen Euro bestehen. Diese letztgenannte Versicherung bietet Versicherungsschutz auch für den Fall, dass das Haftungsdach wegen eines Verstoßes, der angeblich oder tatsächlich von seinen gebundenen Vermittlern begangen wurde, angegriffen wird. Wichtig bei dieser Deckung ist, dass Versicherungsnehmer auch hier das Haftungsdach ist und nicht die Tied Agents. Sie sind auch nicht mitversicherte Person.
Diese Versicherungen wurden nach unserer Kenntnis durch die Hans John Versicherungsmakler, als erfahrenem Spezialmakler in diesem Segment, vermittelt. Die Hans John Versicherungsmakler GmbH gibt aufgrund der allgemeinen Verschwiegenheitsverpflichtung und aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen korrekter Weise keine Auskünfte zu diesem Thema.
Wie sieht marktüblicher Versicherungsschutz für ein Haftungsdach aus?
Norman Wirth: Marktüblichen Versicherungsschutz für ein Haftungsdach gibt es nicht. Ein Finanzdienstleistungsinstitut (FDI) auch in seiner Funktion als Haftungsdach unterliegt keiner Versicherungspflicht. Es hat sich nach unserer Einschätzung lediglich eine Standard-Deckung in Anlehnung an die eigenkapitalersetzende Versicherung gemäß Paragraf 33 Abs. 1 Satz 2 und 3 KWG entwickelt, die eine Deckungssumme in Höhe von einer Millionen Euro vorsieht. Inhaltlich ist der Versicherungsumfang naturgemäß auf Ansprüche, die gegen das FDI selbst gerichtet werden, ausgerichtet.
Eine Erweiterung ist gegen Prämienzuschlag in der Regel dergestalt möglich, dass auch die Abwehrkosten für unmittelbar gegen gebundene Vermittler gerichtete Ansprüche versichert werden können. Ein solcher zusätzlicher Versicherungsschutz wird regelmäßig mit angeboten. Es ist dann natürlich Entscheidung des Versicherungsnehmers (Haftungsdach), ob er dieses zusätzliche Angebot gegen Mehrprämie annimmt. Nach unseren Informationen hatte die blaue Infinus dieses Angebot nicht wahrgenommen.
Wo sind die Grenzen der Versicherung für Finanzdienstleistungsinstitute?
Norman Wirth: Weder der Versicherungsumfang noch die am Markt erhältlichen Deckungssummen sind geeignet, um die Konsequenzen vorsätzlicher Handlungen und hieraus resultierender Schadenersatzansprüche nebst möglicher Insolvenz ganzer Firmengruppen aufzufangen. Am Beispiel der Insolvenz von diversen Unternehmen innerhalb der Infinus-Gruppe wird dieses besonders deutlich.
Selbst eine x-fach höhere Deckungssumme würde bei den öffentlich kolportierten Schadenersatzansprüchen von über 400 Millionen Euro völlig in ihrer Wirkung verpuffen. Derartig hohe Deckungssummen sind einerseits gar nicht erhältlich und andererseits schwerlich bezahlbar, insbesondere nicht im Rahmen einer freiwilligen Versicherung.
Zudem ist zur Grenze des Versicherungsschutzes auch anzumerken, dass es neben den Deckungsvoraussetzungen und Obliegenheiten insbesondere auch Ausschlusstatbestände gibt. Letztere greifen zum Beispiel bei nachgewiesenermaßen vorsätzlichen Pflichtverletzungen durch die Versicherungsnehmerin. In einem solchen Fall gibt es regelmäßig weder Versicherungsschutz für das Haftungsdach noch für dessen gebundene Vermittler.
Norman Wirth ist Rechtsanwalt in der Berliner Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte, die auf Vermittler- sowie Versicherungs- und Kapitalanlagerecht spezialisiert ist. (jb)
Foto: Christiof Rieken