Inflation: Strategien gegen böse Überraschungen

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Nicolas Forest, Candriam

Nicolas Forest, Global Head of Fixed Income bei Candriam, sagt, wie sich die Inflation im weiteren Jahresverlauf entwickeln wird und was Anleger jetzt tun können.

Inflation ist ein komplexes Phänomen. Sie neigt dazu, sich zu verstärken, wenn die Wirtschaftsakteure glauben, dass sie vorhanden ist. Somit ist sie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Das macht es schwierig, sie vorherzusagen – einer der Gründe, warum sich die Zentralbanken in den letzten Jahren in ihren Prognosen größtenteils geirrt haben. Erst haben sie die Inflation überschätzt, sahen sich in den letzten Monaten jedoch sowohl in den USA als auch in Europa einer Preissteigerung gegenüber, die viel höher war, als sie erwartet hatten.

Wie Karl Otto Pöhl, Präsident der Deutschen Bundesbank, 1980 so treffend sagte: „Die Inflation ist wie Zahnpasta: Ist sie erst mal heraus aus der Tube, bekommt man sie kaum mehr rein. Das Beste ist, nicht zu fest auf die Tube zu drücken.“ In Anbetracht der aktuellen Zahlen scheint es, dass die Geld- und Finanzbehörden gerade etwas zu stark gedrückt haben.

Natürlich wird die Inflation durch einen einfachen Basiseffekt sinken. Aber wie weit? Für die Märkte und erst recht für Wirtschaftsakteure macht es einen enormen Unterschied, ob die Inflation auf unter 2 % zurückkehrt, wie es 10 Jahre lang die Norm gewesen ist, oder sich auf 3 % einpendelt. Aktuell rechnet der Markt mit einer Inflation, die in den USA bis Ende 2023 auf 3 % zurückgehen wird. Candriams zentrales Szenario sieht jedoch anders aus: Wir gehen von einem erheblichen Risiko einer höheren Inflation aus. 

Inflation wird hoch bleiben

Worauf stützt sich diese Meinung? Wir sehen drei langfristige Faktoren, die dazu beitragen, dass die Inflation nicht auf ihr altes Niveau zurückkehrt:

  • Die Steuer- und Währungsanreize: Die Zentralbanken haben sich einem Strukturwandel unterzogen und sich nach einer strategischen Überprüfung ein symmetrischeres Inflationsziel gesetzt. Vor einigen Jahren bestand das Ziel der Währungshüter noch darin, die Inflation wiederherzustellen. Heute scheinen sie dieses Ziel ganz klar erreicht zu haben – genau gesagt, sind sie über dieses hinausgeschossen. Die extremen Liquiditätsspritzen in Verbindung mit einem Konjunkturaufschwung trugen in hohem Maße zum inflationären Umfeld bei. Angesichts der niedrigen Arbeitslosenquoten und der demographischen Alterung könnte das Risiko erneuter Lohnverhandlungen die Inflationsspirale weiter anheizen.
  • Lieferketten unter Druck: Bereits lange vor Covid standen die Lieferketten unter Druck: Die Deglobalisierung, die insbesondere unter der Präsidentschaft von Donald Trump und aufgrund der Handelsspannungen mit China klare Züge angenommen hatte, wurde durch den „Covid-Effekt“ zusätzlich verstärkt. Und diese Entwicklung scheint sich unweigerlich fortzusetzen. In Verbindung mit dem Klimawandel könnte das Risiko einer Nahrungsmittelkrise die Inflationsprognosen noch nachhaltiger beeinflussen.
  •  Die Kosten für die Energiewende: Einige Finanzspezialisten bezeichnen sie als die „Greenflation“. Die Unternehmen müssen sehr viel in den ökologischen Wandel investieren, denn die Kosten sind sehr hoch und steigen aufgrund der hohen Nachfrage noch weiter an. Ein Beispiel: Für den Bau einer 3-Megawatt-Windturbine sind 2 t Seltenerdmetall, 3 t Aluminium, 3,5 t Kupfer und 335 t Stahl erforderlich! Eine solche Nachfrage wird die Rohstoffkosten strukturell belasten. Die Energiewende könnte sich zudem auch auf die mittelfristigen Inflationserwartungen auswirken.

Was können Anleger tun?

Die beste Möglichkeit für Anleiheinvestoren, der Inflation entgegenzuwirken, besteht darin, die Zinssensitivität möglichst gering zu halten und äußerst selektiv zu sein. In unseren Portfolios bevorzugen wir jene festverzinslichen Instrumente, die sich am besten für ein solches Umfeld eignen:

  • Variabel verzinsliche Anleihen: Ihr Kupon wird auf der Grundlage eines Referenzzinssatzes (der dreimonatige Interbankzinssatz) und eines vom Markt ermittelten Credit Spreads regelmäßig neu festgesetzt – damit bieten diese Anleihen eine natürliche Absicherung gegen Zinserhöhungen. Eine durchschnittliche Kreditprämie von fast 120 Basispunkten ist aktuell realistisch. Wenn wir davon ausgehen, dass die kurzfristigen Zinssätze über 1 % liegen, könnte sich eine solche Strategie auszahlen. Darüber hinaus ist die Entwicklung von variabel verzinslichen Anleihen negativ mit der Rendite von Staatsanleihen korreliert. Sie bieten somit im Rahmen eines Anleiheportfolios eine gute Diversifikation.
  • Inflationsgebundene Anleihen, mit einer Präferenz für das kurze Ende der Kurve. Die Inflationszahlen in Europa dürften in den kommenden Monaten weiterhin über den Erwartungen liegen und der Inflationsdruck nimmt unter anderem aufgrund hoher Rohstoffpreise, der Deglobalisierung und wegen Lieferkettenproblemen weiter zu. In diesem Umfeld sind inflationsgebundene Anleihen ein interessantes Instrument, um sich gegen das Risiko von Inflationsüberraschungen zu schützen. Nach dem jüngsten Rückgang der Inflationserwartungen erscheinen sie uns als eine sinnvolle Alternative zu festverzinslichen Anleihen, vor allem am kurzen Ende der Kurve. Die in den kommenden Monaten anhaltende Inflation bietet somit einen nicht unerheblichen Schutz vor steigenden Realzinsen. 

Die langfristigen Herausforderungen sind enorm. Sie werden die Inflation nachhaltig beeinflussen und sorgen gleichzeitig für Volatilität. Daher ist es wichtig, die Portfolios gut vorzubereiten. In diesen Zeiten der Instabilität dürfte ein flexibles, aktives und verantwortungsbewusstes Management an Bedeutung gewinnen. 

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