Im vergangenen Jahr entwickelte sich die Assetklasse Anleihen deutlich schlechter als deutsche Aktien oder Immobilien. In der laufenden Zwölfmonatsperiode könnte es sogar noch schlimmer kommen. Der Rademacher-Kommentar
Auf dem deutschen Rentenmarkt ist das Zinsniveau bereits seit Jahren extrem niedrig. Ein Umstand, der in der jüngeren Vergangenheit nicht weiter tragisch war, da praktische keine Inflation existierte und die Kurse bei den Anleihen zumindest bis zum Sommer 2016 noch stiegen. Seitdem verdichten sich aber immer mehr die Anzeichen, dass auch der heimische Rentenmarkt vor einem Sturm stehen könnte.
Druck von allen Seiten
Die wichtigsten Signale kommen von beiden Seiten des Atlantiks. Bereits vor Weihnachten kündigte die EZB an, das monatliche Aufkaufvolumen bei europäischen Anleihen zu reduzieren, was keinesfalls unbedeutend ist, da die Notenbank in Frankfurt der wichtigste Nachfrager von Schuldtiteln auf dem alten Kontinent ist. Fast zeitgleich zogen die Teuerungsraten in der Eurozone nahezu durchgehend an und erreichten teilweise die Marke von zwei Prozent, wodurch der Handlungsbedarf der EZB bei der lockeren Geldpolitik vorerst sinkt.
Zudem steht in den USA unter Donald Trump ein massives schuldenbasiertes Konjunkturprogramm an, was auch in Europa Nachahmer finden dürfte. Damit erhöht sich mittelfristig das Angebot an Anleihen massiv. Außerdem dürfte eine lockere Fiskalpolitik ein besseres Investitionsklima bei den Unternehmen auslösen, weshalb auch Betriebe künftig wieder verstärkt als Anbieter auf dem Rentenmarkt auftreten. Die positiven Konjunkturerwartungen, welche die Aktienmärkte schon seit Monaten antreibt, sollten den Trend zu einer höheren Kreditnachfrage sogar nochmals stärken.
Kursverluste wahrscheinlich
An den Rentenmärkten ist es daher absehbar, dass die Kurse noch weiter sinken dürften und die bis zum Sommer 2016 anhaltende Hausse nun endgültig vorbei ist. Entsprechend versuchen Immobilienkäufer bereits jetzt, ihre Finanzierungen langfristiger auszurichten und sich so vor steigenden Zinsen zu schützen. Für klassische Rentenfonds, die auf sichere Titel aus den Industrienationen setzen, ist es deswegen noch zu früh, in den Markt zu gehen. Das Risiko vor Kursverlusten am mittleren und langen Laufzeitende ist einfach noch zu groß. Entsprechend skeptisch verhielten sich auch die Investoren, welche zuletzt hohe Mittel aus dieser Assetklasse abzogen.
High Yield und Emerging Markets rücken in den Fokus
In diesem Umfeld schauen sich die großen Vermögensverwalter nun immer stärker bei Anleihen um, die noch auskömmliche Zinsen abwerfen. Es fallen hier immer häufiger die Begriffe High Yield und Emerging Markets. In der Tat sind hier insgesamt noch einige Kursgewinne zu erwarten, wobei das Risiko keinesfalls zu vernachlässigen ist. Steigen die Zinsen in den USA, könnten Investoren wieder vermehrt Mittel aus den Emerging Markets abziehen und an die Wall Street bringen. Dies würde zu einer spürbaren Entwertung der Schwellenländer-Assets führen.
Generell führt auch für konservative Anleger kein Weg an attraktiveren Assetklassen vorbei. Die Aussichten für Aktien und Immobilien in deutschen Ballungsräumen bleiben weiterhin gut. Steigende Unternehmensgewinne und somit auch Ausschüttungen machen Firmenanteile attraktiv. Bei Dax-Papieren wie der Allianz, Münchener Rück sowie BMW und Daimler liegt die Dividendenrendite mit rund vier Prozent auf einem attraktiven Niveau, welches weitere Kurssteigerungen sogar noch möglich macht.
Tim Rademacher ist leitender Redakteur im Bereich Investmentfonds bei Cash. und analysiert die Geschehnisse am Kapitalmarkt direkt vom Finanzplatz Frankfurt aus.
Foto: Dirk Beichert