Geldpolitik ist so gut wie nie neutral. Sie begünstigt mal Sparer, mal Kreditnehmer. Sie beeinflusst den Wechselkurs und wirkt daher unterschiedlich auf Exporteure als auf Importeure.
Gastkommentar von Karsten Junius, Safra Sarasin
Zeitweise bremst sie Wachstum und Inflation und zeitweise stimuliert sie die Kreditvergabe und den Arbeitsmarkt. Notenbanken sind daher Kritik gewöhnt, da sie es nie allen recht machen können. Derzeit wird häufig kritisiert, dass wichtige Zentralbanken im gegenwärtigen Niedriginflationsumfeld weiterhin ihre Inflationsziele verfolgen. Neu daran ist, dass diese Kritik vermehrt von Ökonomen kommt. Richtiger ist sie deswegen nicht.
Politiker verlangen häufig eine expansivere Geldpolitik, die ihnen vor allem in Wahljahren das Leben leichter machen würde. Damit dies nicht zu unerwünschten Inflationsprozessen führt, sind die meisten Notenbanken von den Regierungen und vor allem der Finanzpolitik unabhängig.
Politik versucht EZB zu beeinflussen
Ökonomen verteidigen meist diese Unabhängigkeit mit dem Verweis darauf, dass eine zu expansive Geldpolitik kurzfristig zwar das Wachstum stimuliert, mittelfristig aber lediglich zu höheren Inflationsraten führt. Insofern ist es bemerkenswert, dass von ökonomischer Seite vermehrt in Frage gestellt wird, dass die EZB die Inflationsraten wieder auf ein Niveau von zwei Prozent bringen sollte.
Merkwürdigerweise wird zwar nicht angezweifelt, dass Inflation ein monetäres Phänomen ist, aber die jetzige Situation sei dennoch anders. Als Gegenargumente der vermeintlich zu expansiven Geldpolitik werden dann die Gefahr von Vermögenspreisblasen, geringeren Sparerträgen und selbst die Möglichkeit späterer Hochinflationsphasen genannt. Konsistent ist die Kritik häufig nicht.
[article_line]
Sind Kapitalbesitzer tatsächlich Leidtragende der Niedrigzinsphase, wenn diese doch zu galoppierenden Preisen ihrer Vermögen führen soll? Und wenn die Niedrigzinsen so unerwünscht sind, warum sollten sie durch eine Absenkung der Inflationsziele noch zementiert werden?
Wenn die von der EZB angeblich übermäßig zur Verfügung gestellte Liquidität die Gefahr von mittelfristig übermäßiger Inflation mit sich bringt, warum soll die Zentralbank dann nicht in der Lage sein, ihre aktuelle Inflationsnorm zu erreichen und stattdessen Deflationsgefahren in Kauf nehmen? Ist Inflation überhaupt noch ein monetäres Phänomen?
Seite zwei: Ziele der Zentralbanken ändern sich mit der Zeit