Der neue US-Präsident Joe Biden hat ein milliardenschweres Infrastrukturprogramm angekündigt. Was bedeutet das für Anleger?
Maier: Joe Bidens Paket macht abermals deutlich, dass die Geldpolitik an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stößt. In Anbetracht der Coronavirus-Pandemie zeigt sich nun explizit, dass über die Zinspolitik nur noch marginale Effekte in der Realwirtschaft erzielt werden können. Seitdem Geld- und Fiskalpolitik zur Krisenbewältigung nicht mehr gegeneinander, sondern Hand in Hand arbeiten, tun sich scheinbar unerschöpfliche Geldquellen auf.
Dies hat zum einen eine kräftige Konjunkturerholung angefacht, zum anderen steigt damit aber die Wahrscheinlichkeit für eine nachhaltige Wiederbelebung der Inflation. Anleger können jedoch davon profitieren, dass der Bereich Infrastruktur vor einem Superzyklus steht. Mit Bidens Programm sind Infrastrukturinvestitionen im Volumen von 4,5% des US-BIPs möglich – das höchste Niveau seit den 1970er Jahren. Anleger sollten aber berücksichtigen, dass das Paket mit einer Erhöhung der Unternehmenssteuer von 21% auf 28% finanziert werden soll. Die Folge dürften sinkende Gewinne der meisten US-Unternehmen sein.
Welche Branchen bzw. Sektoren dürften speziell davon profitieren?
Maier: Unternehmen, welche die grüne Energiewende vorantreiben, sollten von langfristigem Rückenwind und Planungssicherheit profitieren. Vor allem Unternehmen aus den Bereichen Erneuerbare Energien, Wasserversorgung, Recycling sowie Gebäudesanierung werden überproportional wachsen. Um Brücken, Flughäfen und Straßen auf den neuesten Stand zu bringen, wird zudem die Nachfrage für das Baugewerbe und die Produzenten der notwendigen Materialien deutlich zunehmen.
Wie sind generell die Perspektiven für Infrastrukturinvestitionen rund um den Globus, gibt es Länder und Sektoren, die man besonders im Fokus haben sollte?
Maier: Für Unternehmen und damit auch für Anleger ergeben sich aus der geplanten Reduzierung von Treibhausgasemissionen von 55% bis 2030 (gegenüber 1990) und der Klimaneutralität bis 2050 große Chancen. Weil sich neben Europa nun auch die großen Umweltsünder China und USA zu weitreichenden Maßnahmen bekannt haben, steht der Energiewandel global im Fokus.
Bei den Sektoren stehen daher unter anderem die Versorger im Fokus, die sich an einem Wendepunkt befinden: Die Fiskalprogramme können durch langfristig sichere und attraktive Rahmenbedingungen den notwendigen Anstoß für private Investitionen geben, um die Finanzierungslücke zum Erreichen einer klimaneutralen Wirtschaft zu schließen.
Der Transportsektor wird sich insgesamt auch wieder erholen, bei Flughäfen ist jedoch weiterhin Vorsicht geboten. Der Bereich der digitalen Infrastruktur hat sich spätestens seit der jüngsten Krise als Kerninfrastruktur etabliert und ist Grundlage des digitalen Wandels, Europa hat in diesem Bereich den größten Nachholbedarf.
Gegenwärtig ist der EU Green Deal in aller Munde. Welche Auswirkungen resultieren daraus für den Sektor Infrastruktur?
Maier: Der Green Deal wirkt wie ein Katalysator für Umweltschutzmaßnahmen und der Energiewandel steht dabei im Mittelpunkt. Um die Ziele der Staaten zu erreichen, müssen die Kapazitäten für erneuerbare Energien von heute 2700 Gigawatt bis 2030 um den Faktor 2,5 steigen. Technologischer Fortschritt und günstige Finanzierungskonditionen haben die Kosten der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien unter die Kosten für Strom aus Kohle, Gas und Atomkraft fallen lassen.
Somit dürften Versorger mit Fokus auf erneuerbare Energien langfristig Kapazitäten aufbauen können, während andere Technologien verdrängt werden. Wegen dieser Entwicklung muss das Stromnetz für die neuen Energiequellen aufgerüstet werden. Zudem werden Investitionen in die Energiespeicherung signifikant steigen. Im Industriesektor sind neben der Elektrifizierung Effizienzgewinne zur Reduzierung des Energieverbrauchs in der Produktion notwendig, im Gebäudesektor energieeffiziente Neubauprojekte sowie umfassende Nachrüstungen.
Zu den größten Verlierern des Klimawandels und der mit ihm verbundenen Maßnahmen zählt der Öl- und Gassektor. Die Kohleproduktion ist wegen der schnell gefallenen Produktionskosten für Strom aus erneuerbaren Energien schon heute unattraktiv. Und der Bedarf an Erdöl wird durch den steigenden Anteil anderer Energiequellen im Energiemix weiter zurückgehen.
Was sind die Gründe, weshalb in jüngster Zeit die Zahl börsennotierte Infrastruktur-Investments zunimmt?
Maier: Börsennotierte Infrastruktur bietet liquiden Zugang zu verschiedenen strukturellen Wachstumsthemen. So profitieren Infrastrukturunternehmen besonders von langfristigen Trends wie dem digitalen und dem demografischen Wandel sowie von der Energiewende. Die monopolistischen Geschäftsmodelle mit hohen Markteintrittsbarrieren, lang laufenden Verträgen und stetigen Cashflows führen zu einer ausgeprägten Robustheit gegenüber Konjunkturschwankungen.
Hinzu kommt der Schutz vor einem Anstieg der Inflation. Die regulatorischen Rahmenbedingungen, Konzessionen und langfristige Verträge koppeln die Erträge der meisten Infrastrukturunternehmen nämlich explizit an die Inflation. Unter dem Strich ist hier langfristig eine bessere Wertentwicklung zu erwarten als beim breiten Aktienmarkt, mit niedrigeren Drawdowns und konstant hohen Dividenden.
Wo liegen die Vorteile der Assetklasse und mit welchem Chance-Risiko-Profil müssen Anleger verglichen mit Direktanlagen in Infrastruktur rechnen?
Maier: Im Unterschied zu nicht-börsennotierter Infrastruktur bietet der Fokus auf börsennotierte Unternehmen ein breites Universum aus attraktiv bewerteten Infrastrukturunternehmen. Die hohe Liquidität der Aktien ermöglicht die Anpassung von Portfolios an den konjunkturellen Zyklus sowie an mögliche Veränderungen der regulatorischen Rahmenbedingungen. Das ist im aktuell sehr dynamischen Infrastruktur-Umfeld sehr wichtig, um auch im Bereich Infrastruktur von der konjunkturellen Erholung und den Fiskalprogrammen zu profitieren.
Darüber hinaus können mit Investments in Infrastrukturaktien die Risiken einzelner Infrastrukturassets minimiert werden. Bereits eine geringfügige Investition in Infrastrukturaktienfonds bedeutet nämlich einen Zugang zu breit diversifizierten Infrastrukturassets. Die langfristigen Renditen von börsennotierter Infrastruktur und Direktanlagen – untersucht wurde der Zeitraum im Zeitraum 2003 bis 2020 – sind jedenfalls vergleichbar und lagen oberhalb der Renditen des MSCI World, bei deutlich reduzierter Volatilität. Aufgrund der täglichen Handelbarkeit von Aktien ist die wahrgenommene Volatilität bei Infrastrukturaktien höher als bei Direktanlagen, welche in der Regel nur quartalsweise oder halbjährlich bewertet werden. Die unterschiedlichen Volatilitätsprofile sind jedoch lediglich auf dem Papier vorhanden, denn die Vermögenswerte sind vergleichbar.
Zu beachten ist auch, dass die starke Nachfrage vor allem institutioneller Investoren die Bewertungen von Infrastrukturdirektanlagen auf blasenartige Niveaus getrieben hat. Inzwischen sind sie teilweise um 50% höher bewertet als Infrastrukturaktien.
Wie ist der Bantleon Select Infrastructure gegenwärtig positioniert?
Maier: Aktuell gibt es zwei Bereiche, die besonders stark vertreten sind: Produzenten erneuerbarer Energien und digitale Infrastruktur, also die Segmente Datenzentren und Funkmasten. Die globalen Fiskalprogramme konzentrieren sich neben Umweltthemen auch darauf, die nötige Infrastruktur für langfristig steigenden Datenverbrauch zu schaffen.
Die Coronavirus-Krise hat die Kerntreiber beider Segmente weiter verstärkt und es ergeben sich momentan attraktive Einstiegsniveaus. Beide Segmente bleiben auch nach der Krise die langfristigen Fokusbereiche. Taktisch ist aktuell der Transportsektor übergewichtet, um von einem Ende der globalen Mobilitätsbeschränkungen und einer konjunkturellen Erholung zu profitieren.
Mit welchen Wachstumsraten rechnen Sie in diesem Segment in den kommenden Jahren?
Maier: Infrastruktur ist ein langfristiges, generationenübergreifendes Anlagethema, das substanzielle Sicherheit mit den Chancen mehrerer struktureller Wachstumstrends verbindet. Die Anlagemöglichkeiten in börsennotierter Infrastruktur sind sehr heterogen, die Wachstumschancen dementsprechend auch. Besonders hohe Wachstumsraten sollten Unternehmen aus den Bereichen der digitalen Infrastruktur sowie den erneuerbaren Energien aufweisen.
Das Datenvolumen beispielsweise wird sich bis 2026 mehr als verdreifachen, wovon Unternehmen aus dem Bereich der digitalen Infrastruktur profitieren, welche Funkmasten, Small Cells und das Glasfasernetz betreiben. Der International Energy Agency zufolge müssen bis zum Jahr 2030 rund 23 Billionen Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert werden, um den Temperaturanstieg auf weniger als 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dies entspricht einem jährlichen Kapazitätswachstum von 9%.
Die Fragen stellte Frank O. Milewski, Cash.