ING-Event Baufinanzierung: „Stimmung wichtiger als Zinsen“

Heinrich: Das Neugeschäft hat sich seit Jahresanfang deutlich positiv entwickelt. Der Trend, mehr im Bestand zu investieren und zu renovieren, ist eindeutig da. Der Neubau ist nicht nur verhalten, er ist praktisch tot. Die Kapitalanlage als solche fällt im Moment auch aus, weil die Rendite bei den meisten Objekten einfach nicht stimmt.

Witzigmann: Der Neubau wird dieses Jahr wieder stärker, auch weil viele über 60-Jährige ihr großes Haus verkaufen und etwas Kleineres neu bauen. Neubau ist oft auch möglich, wenn die Kunden entweder ein Grundstück von den Eltern haben oder eine Wohnung verkaufen können, um die Finanzierung sicherzustellen. Für andere Kunden sind die Preise und Darlehenssummen meistens zu hoch. Derzeit stehen bei uns vor allem Neubauten mit Airbnb im Fokus. Durch die Vermietung der Objekte als Ferienwohnungen können Eigentümer wesentlich mehr erwirtschaften. Das rechnet sich auf jeden Fall.

Führung im Fruchthof Konstanz (von links): Thomas Hein, Jürgen Riedlinger, Sven Schulz, Frank Haist, Werner Witzigmann, Horst Heinrich / Foto: Thomas Bernhardt

Hein: Für uns ist deshalb klar ersichtlich, dass der Markt wieder angesprungen ist. Das sehen wir am Volumen im Vorjahresvergleich. Die ersten zwei Monate des Jahres waren sehr erfolgreich. Jetzt ist die Dynamik etwas langsamer, weil die Zinssenkungsfantasie nachgelassen hat und wir eine Seitwärtsbewegung sehen, aber auf einem deutlich höheren Niveau als noch im letzten Jahr.

Königsbauer: Welche Wünsche potenzielle Häuslebauer stehen derzeit im Vordergrund? 

Haist: Für Kunden, die eine Baufinanzierung benötigen, ist der Zinssatz natürlich das A und O. Auf der anderen Seite ist die monatliche Belastung ein entscheidender Faktor. Die Kunden wünschen sich Unterstützung – auch vom Staat mit Fördermitteln, zum Beispiel beim klimafreundlichen Neubau. Leider müssen wir feststellen, dass wir aktuell nur wenig Spielraum für Förderungen haben. Die Kunden reagieren an dieser Stelle oft recht ernüchtert, weil sie mehr Unterstützung vom Staat erwarten. 

Heinrich: Genau das ist es, was die Leute an uns herantragen: Förderung, Förderung, Förderung. In Bayern haben wir die Labo (Bayerische Landesbodenkreditanstalt, Red.). Die Labo hat super Förderungen, die für Häuslebauer momentan unabdingbar sind. Sie ist eine der besten Förderungen überhaupt. Es gibt hohe Zuschüsse, aber halt nicht für jeden. Die Kriterien sind zu streng und die Bürokratie zu hoch. Das muss geändert werden. Außerdem sind die Stellen für die Vergabe der Labo-Förderung überlastet. 

Witzigmann: Baden-Württemberg hat auch ein phänomenales Förderprogramm. Zusammen mit der Familienförderung der KfW, egal ob in Bayern oder Baden-Württemberg, liegt der Mischzins dann bei etwas über einem Prozent. Aber standardmäßig sind die Mittel bei der L-Bank aus und der Kunde hat acht oder neun Monate Wartezeit, bis er weiß, ob er etwas bekommt oder nicht. Das Problem ist, dass viele Kunden Angst haben, dass die KfW ihre Programme wieder mal von heute auf morgen stoppt. Hausverkäufer nutzen diese Angst aus, um schnell Verträge abzuschließen. Die Kunden unterschreiben dann schnell das Haus und den Förderantrag, ohne zu prüfen, ob sie später die Rate zahlen können. Es geht nur darum, die Förderung mitzunehmen. Und im schlimmsten Fall kommt dann auch noch die Förderung nicht.

Königsbauer: Welchen Stellenwert hat die Nachhaltigkeit von Gebäuden?

Schulz: Ich beschäftige mich seit 2010 mit der Frage, wie Unternehmen biologische Vielfalt besser in Wirtschaftsabläufe, in Lieferketten und so weiter integrieren können. In den letzten zehn bis 15 Jahren hat sich sowohl die Art der Unternehmen, die sich bei uns melden und dazu beraten lassen möchten, als auch die Sichtweise auf dieses Thema erheblich geändert. Der Fruchthof, auf dem wir uns gerade befinden, ist beispielsweise ein sehr energieeffizientes Gebäude mit einem tollen Gründach. Das war ein typisches Projekt eines Unternehmens, das ohnehin große Nähe und Affinität zu dem Thema hatte. Heute melden sich Unternehmen aller Branchen und Größen, weil sie erkannt haben, dass Biodiversität wichtig ist und auch weil neuerdings ein regulatorischer Rahmen besteht. Große Unternehmen müssen 2024 erstmals über Nachhaltigkeit berichten und das Ganze ist in Zukunft prüfpflichtig, dazu gehört auch das Thema Biodiversität. Aber auch kleine Unternehmen sind davon betroffen, wenn sie Informationen in Bezug auf die Lieferkette weitergegeben müssen. Früher wollte man zum Beispiel eine Blühfläche anlegen oder hatte eine sehr konkrete Frage zum Thema biologische Vielfalt. Heute suchen die Unternehmen generelle systematische Ansätze. Die häufigste Frage ist im Augenblick, wie sie Biodiversität messen können. 

Königsbauer: Bei welchen Projekten muss die biologische Vielfalt beachtet und schon umgesetzt werden? 

Schulz: Überall dort, wo Klimawandelanpassung eine Rolle spielt, wird auch Biodiversität ein wichtiger Punkt sein. Auch die Bauwirtschaft hat nun endlich begonnen, sich des Themas anzunehmen. Im privaten Wohnbau gibt keine rechtlichen Verpflichtungen zum Thema Biodiversität, aber es ist auch für private Bauherren eine interessante Möglichkeit, sich an den Klimawandel anzupassen.

Königsbauer: Inwiefern?

Schulz: Wenn in diesem Gewerbegebiet beispielsweise alle ein Gründach hätten wie der Fruchthof, wäre die Temperatur im gesamten Gebiet ein halbes Grad geringer. Das wird auf jeden Fall ein Thema werden, auch was das Wohlfühlen angeht. Ich bin überzeugt, dass dies auch auf der Finanzierungsseite eine wichtige Rolle spielen wird. Für energieeffiziente Häuser sind die Zinsen schon niedriger. Das ist eine Entwicklung, die man auch bei Biodiversität erwarten würde.

Königsbauer: Welchen Stellenwert hat das Thema Biodiversität bei der Immobilienfinanzierung in der Praxis und für die Kunden?

Hein: Klar im Vordergrund steht für unsere Kundinnen und Kunden zunächst der Kauf selbst. An zweiter Stelle kommt, bei Bestandsobjekten, dann die Modernisierung. Dabei geht es in der Regel vor allem darum, die Energieeffizienz zu verbessern. Biodiversität ist meistens allenfalls ein Randaspekt.

Haist: Kauf und Sanierung gehen Hand in Hand. An dieser Stelle möchte ich die KfW ausdrücklich loben. Es gibt gute Programme, mit denen das Haus zum KfW-Effizienzhaus ertüchtigt werden kann. Auch wenn ich nur einzelne Teile modernisieren will, wie eine neue Heizung oder neue Fenster und Dämmung, dann kann ich auch die Einzelmaßnahmen fördern lassen mit Zuschüssen. Das ist eine große, sehr gute Unterstützung.

Heinrich: Jeder, der ein Haus renovieren will, muss sich überlegen, wie viel Geld er reinstecken will, welche energetischen Maßnahmen richtig sind und wie hoch das Sparpotenzial bei den Energiekosten in den nächsten Jahren ist. Die entscheidende Frage ist: Wie viel bringt mir die KfW-Förderung und was spare ich an Energiekosten? Menschen entscheiden sich nicht für das Ökologische, sondern für die wirtschaftlich beste Lösung.

Witzigmann: Bei uns ist es ähnlich. Die Kunden sind bereit, in eine Immobilie zu investieren und auch wesentlich mehr energetisch zu machen, doch für einen Großteil der Leute ist das schlichtweg aus finanziellen Gründen nicht machbar. 

Hein: Ich bin überzeugt, dass es unerlässlich ist, das Thema Modernisierung in die Beratung einzubeziehen, wenn jemand ein Bestandsobjekt kauft. Die nächsten Jahre werden die Nebenkosten stark steigen, weil zum Beispiel der CO2-Aufschlag et cetera immer höher wird. In der Beratung müssen wir nicht zu tief in die Materie einsteigen. Dafür gibt es schließlich die Energieberatung. Aber wir sollten die Kundinnen und Kunden darauf hinweisen, was wichtig ist und worüber sie sich erkundigen müssen, ohne den Kauf kaputtzureden.

Königsbauer: Bei der ING Deutschland gibt es neuerdings Modernisierungs-Partner für die freien Baufinanzierungsvermittler. Was verbirgt sich dahinter und inwieweit wird das Angebot im Vertrieb mitgenutzt? 

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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