Chancen in den Next-Gen-Schwellenländern

Anleger, die in Anleihen von Grenzmärkten, den sogenannten Frontier Markets, investieren, bietet sich ein EM-Debt-Segment, das im Hinblick auf Volumen und Emittentenzahl ständig wächst.

Marktkommentar: Marco Ruijer, ING Investment Management

In Afrika finden sich aussichtsreiche Frontier Markets wie etwa Nigeria.

Dieser Markt ist unterinvestiert und kaum erforscht. Das bedeutet: kräftige Risikoaufschläge und hervorragende Alpha-Chancen. Frontier Markets sind die nächste Generation der Emerging Markets. Voraussichtlich werden sich die Volkswirtschaften und Kapitalmärkte dieser Länder so entwickeln, wie die Emerging Markets in den letzten Jahrzehnten. Dieses Spotlight skizziert die Entwicklung seit Januar 2014.

Zwar sollen die Emerging Markets (EM) auch in den nächsten Jahren noch eine gute Performance liefern, doch werden die immensen Zuwachsraten der letzten Jahrzehnte wohl kaum zu erreichen sein. Die EM sind sowohl größenmäßig als auch im Hinblick auf ihr Wachstumstempo in eine neue Phase eingetreten. Größere politische Stabilität, Infrastrukturverbesserungen, finanzielle Vertiefung und rapide Ausweitung des Handels haben die aufstrebenden Volkswirtschaften in ihrer Substanz dramatisch verändert. Doch mit zunehmender Entwicklung der EMs sind die Risikoprämien deutlich gesunken und damit auch die Renditen von EM-Investments.

Parallelen zu bekannten Emerging Markets

Insofern bieten sich die Frontier Markets als eine relativ neue Chance an, denn diese Märkte weisen heute viele Merkmale auf, die auch den Schwellenmärkten eigen waren, als sie 1988 erstmals als Anlagegruppe wahrgenommen wurden. Die meisten von ihnen befinden sich noch in einem sehr frühen Stadium der wirtschaftlichen, politischen, finanziellen, institutionellen und kommerziellen Entwicklung und bieten deshalb langfristig attraktive Aussichten.

Hier geht es in erster Linie um Aufholen und Konvergenz. Das Wirtschaftswachstum an den Frontier Markets stützt sich auf eine günstige demografische Entwicklung und steigende Produktivität, während ausländische Direktinvestitionen, ein leistungsfähigerer institutioneller Rahmen sowie ein überschaubares Schuldenniveau ebenfalls wachstumsfördernd wirken. Mit zunehmendem Anlegerinteresse dürften sich Breite und Tiefe der Frontier Markets weiter den Niveaus der Schwellenmärkte annähern.

Und dennoch sind Investments an Frontier Markets risikoreicher als Anlagen in entwickelten oder aufstrebenden Märkten. Viele Grenzmärkte hatten in den vergangenen Jahrzehnten mit politischer und wirtschaftlicher Instabilität zu kämpfen. Definitionsgemäß mangelt es Frontier Markets an vielen Institutionen, die in entwickelten bzw. stabileren Volkswirtschaften selbstverständlich sind. Doch das sprach vor nur wenigen Jahrzehnten auch gegen die aktuellen EM. Viele Frontier Markets könnten potenziell eine ähnliche Richtung einschlagen und in den kommenden Jahrzehnten rascher wachsen als der Rest der Welt.

Wachstumstreiber der Frontier Markets

Wenn die Entwicklung, welche die Schwellenländer im letzten Vierteljahrhundert erlebten, auch nur annähernd als Richtschnur gelten kann, dann sind Anleger gut beraten, sich den Frontier Markets eingehend zu widmen.

Schauen wir uns die wichtigsten Wachstumstreiber einmal genauer an. Zunächst einmal ist das relativ hohe Wirtschaftswachstum zu nennen – 23 der 25 in den vergangenen zehn Jahren am schnellsten gewachsenen Volkswirtschaften fallen in diese Kategorie. Der Wachstumsausblick sieht mittelfristig recht gut aus, langfristig sogar sehr gut. Der IWF geht davon aus, dass sich ihr Wirtschaftswachstum (BIP) 2014 auf 3,6 Prozent erhöht und in den nächsten Jahren schrittweise weiter bis auf über vier Prozent steigt.

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Unter ihnen sollten insbesondere die afrikanischen und südasiatischen Volkswirtschaften weiter höhere Wachstumsraten erreichen als vergleichbare Märkte. Der IWF prognostiziert für diese Länder eine Zuwachsrate von sechs bis sieben Prozent in den nächsten fünf Jahren.

Günstige demografische Entwicklung

Ein Großteil der Weltbevölkerung lebt in Frontier Markets: Während nur vier Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung auf diese Märkte entfallen, machen sie zwölf Prozent der Weltbevölkerung aus. Hinzukommt eine kräftige Zuwachsrate. Bevölkerungswachstum ist gleichbedeutend mit mehr Konsumenten für Waren und Dienstleistungen, zunehmender Beschäftigtenzahl, höheren Ersparnissen usw. Länder mit hohem Bevölkerungswachstum weisen daher ein höheres Wachstumspotenzial auf als Länder mit stagnierenden oder sinkenden Zuwachsraten. Ferner kommt den Frontier Markets ihre im Vergleich zu aufstrebenden und entwickelten Märkten relativ junge Bevölkerung zugute. Im Ergebnis dürfte dies zu einer Ausweitung des Bevölkerungsanteils im erwerbsfähigen Alter führen.

Die Arbeitsproduktivität ist an Grenzmärkten im Schnitt sehr viel geringer als an den entwickelten bzw. aufstrebenden Märkten, insofern gibt es reichlich Spielraum für Verbesserungen. Eine geringere Arbeitsproduktivität bedeutet auch, dass an vielen Grenzmärkten die Löhne weit unter EM-Niveau liegen.

Zunahme der Auslandsinvestitionen

Ein stärkeres potenzielles Wirtschaftswachstum, eine günstige demografische Entwicklung und das umfassende Potenzial für Produktivitätssteigerungen zieht Kapital in Form von ausländischen Direktinvestitionen aus den Industrie- und Schwellenländern an. Dies wird durch Medienberichte über Unternehmensinvestitionen in Afrika und anderen Frontier Markets bestätigt, wie das Beispiel der Chinesen zeigt, die seit Jahren insbesondere in das Rohstoff- und Infrastrukturgeschäft in Afrika investieren.

Seit der letzten Finanzkrise haben die Industrieländer mit hohen und steigenden Schuldenständen zu kämpfen, während die Staatsschulden in den Schwellen- und Frontier Markets als deutlich leichter zu bewältigen erscheinen. Der Verschuldungsgrad bei Frontier Markets liegt bei 18 Prozent des Bip, wohingegen er in den Schwellenländern 29 Prozent und in den G7-Staaten 117 Prozent beträgt.

Dank ihrer vergleichsweise schuldenfreien Bilanzen und des überdurchschnittlichen BIP-Wachstums können sich die Frontier Markets durchaus Haushaltsdefizite leisten, um künftiges Wachstum zu finanzieren. Erwartungsgemäß sind die privaten Schuldenquoten an den Frontier und Emerging Markets allgemein niedriger als in den Industrieländern. Doch im Zuge ihres Wachstums wird zweifelsohne auch die Verschuldung zunehmen. Solange diese Quoten indes moderat steigen, dürfte das kein Problem sein.

 

Autor Marco Ruijer ist Lead Portfolio Manager in ING Investment Managements Emerging Markets Debt Team und für EMD/FMD Hard Currency Portfolios zuständig.

 

 

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