Innovation und Produktion – die neuen Wachstumsmotoren Chinas?

Fragezeichen gemischt mit den chinesischen Sternen
Foto: PantherMedia
Wohin die chinesische Wirtschaft steuert

Nach einer langen Talfahrt, die mit der Corona-Pandemie eingesetzt hatte, verzeichnen chinesische Aktien steigende Gewinne. Können China-Investoren bereits aufatmen – oder handelt es sich dabei nur um eine kurzlebige Erholung?

Anleger in China-Aktien hörte man in jüngerer Vergangenheit deutlich aufatmen: Die bisher nicht enden wollende Unterperformance scheint überwunden zu sein und der Hang Seng Chinese Enterprise Index hat Ende April die 6.000-Punkte-Marke überschritten und nähert sich aktuell 7.000 Punkten an – der erste längere Kursanstieg seit Anfang 2023, kurz nachdem China die strengen Covid-Lockdowns aufhob. Doch ist die Rally nachhaltig? Wir glauben: Chinas Wirtschaft befindet sich im Umbruch. Nach einer Reihe schmerzhafter, aber notwendiger Maßnahmen haben sich die Wachstumstreiber für das Wirtschaftswachstum gewandelt – und die Talfahrt von China-Aktien könnte mit der aktuellen Rallye ein Ende finden. Es gab bereits zuvor Anzeichen für eine Verbesserung, das Bruttoinlandsprodukt ist robust. Der Wechsel von einer durch einen großen Immobilienmarkt und Billigproduktion geprägten Wirtschaft zu einer, die durch Qualität und Innovation gekennzeichnet ist, scheint Wirkung zu zeigen.


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Verzögerte Erholung, übertriebene Erwartungen, schmerzhafte Reformen

Als die chinesische Regierung endlich – 18 Monate später als die meisten anderen – die massiven Corona-Einschränkungen aufhob, waren die Erwartungen an die wirtschaftliche Erholung groß. Viele rechneten mit einem aufblühenden Konsum nach Vorbild der robusten Verbraucherausgaben in den USA, mit hohen Wachstumszahlen für die Wirtschaft und entsprechender Aktienrally. Die Enttäuschung war vorprogrammiert: Denn zum einen gab es in China keine staatlichen Finanzhilfen, und die Menschen erlebten die Pandemie als eine extrem schwere Zeit. Das, zusammen mit einer anderen, konservativen Konsummentalität, führte dazu, dass die chinesische Bevölkerung dementsprechend sehr zurückhaltend mit ihrem Geld umging und es trotz ausgezeichneter Rücklagen vorzog zu sparen – anders als in den Vereinigten Staaten, wo Verbraucher eher dazu neigten, für Konsum Schulden aufzunehmen.

Einer der Gründe für das stockende Wachstum sind zudem die rigorosen Reformen, mit denen das Land seine Wirtschaft für die Zukunft aufstellen will. Die Rekordjahre des Wachstums bis 2020 erlaubten es Peking, umfangreiche wirtschaftliche und soziale Änderungen umzusetzen. Dazu gehört das Durchgreifen gegen die Schattenbanken ebenso wie Einschränkungen von Freiheiten wie beispielsweise Gesetze zur Begrenzung des Videospielkonsums von Kindern und die Bildungsreform, die 2021 über Nacht einen Milliardenmarkt zerstörte: Die massive E-Learning-Branche – der private Bildungssektor eingeschlossen – durfte per Gesetz keine Gewinne mehr erzielen oder an die Börse gehen. Es bleibt abzuwarten, ob Non-Profit-Bildungseinrichtungen effektiver sind, um eine neue Generation von hochgebildeten Studienabsolventen zu generieren und die Innovation im Land voranzutreiben; klar ist dagegen, dass die Reform für die Märkte einen weiteren massiven Rückschlag darstellte. Vor allem aber bereitete – und bereitet immer noch – Chinas Immobilienkrise Investoren Kopfzerbrechen und nagt am Vertrauen in die Stabilität von Chinas Wirtschaft. Der Immobiliensektor war eine bedeutende Säule des Wirtschaftswachstums des Landes – bis die Immobilienblase infolge einer Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien durch die Regierung platzte, mit Riesenkonzernen wie Evergrande in der Insolvenz. 

Vom Billigproduzenten zum Innovationstreiber

Doch das sind unseres Erachtens die Wachstumsschmerzen eines Landes, das im Begriff ist, seine Wirtschaft robuster aufstellen und sich von einem Land für Billigproduktion und Reproduktionen in einen innovativen Standort zu verwandeln und seine Industrie auf die High‑Tech-Produktion umzustellen. Die Fortschritte bei diesem Unterfangen sind immens, und die aktuelle Rallye könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Strategie aufgeht: Als aktive Manager und sorgfältige Experten für Finanzbewertungen sehen wir bereits jetzt Sektoren und Bereiche, in denen China unübertroffen ist. Ob dies ausreicht, um die vorherigen Wachstumstreiber zu ersetzen, sei dahingestellt; fest steht jedoch, dass die Qualität der Produkte und die Innovation in China eine beeindruckende Entwicklung durchgemacht haben – unter anderem dank der ungeheuren Anstrengung und Mühen, die das Land dafür aufwendet. 

Ein zunehmender Geldstrom fließt in Bildung und Innovation, mit dem Ergebnis, dass eine wachsende Zahl an registrierten Patenten aus China stammt – während das Land zu Beginn des Jahrtausends in der Welt der Patente kaum präsent war, belegt es mit Stand 2019 den dritten Platz hinter den Vereinigten Staaten und Japan (Institut der deutschen Wirtschaft). Unter anderem hat das Land enorme Fortschritte bei der Produktion und Herstellung immer hochwertigerer Komponenten gemacht, die aber gleichzeitig wesentlich billiger sind als die der westlichen Konkurrenz. Bei Komponenten für Röntgengeräten übernimmt China beispielsweise bereits Marktanteile von Siemens und General Electric, und auch im Biotech-Bereich gibt es eine wachsende Zahl an Akteuren, die führende Therapieansätze entwickeln, ebenso wie in der Herstellung von chirurgischen Robotern. Zudem ist das Land heute größter Exporteur von Elektrofahrzeugen. Auch im Bereich Halbleiter, Software und Künstliche Intelligenz treten immer mehr chinesische Unternehmen auf den Plan. 

Vor allem im Bereich Solarenergie ist China jedoch ohnegleichen: Bei der Herstellung von Solarzellen ist das Land mit großem Abstand weltweit führend. Ein Großteil der Wertschöpfungskette befindet sich dort, gepaart mit hervorragendem technischem Knowhow. Sowohl der Bau der einzelnen Komponenten als auch der Zusammenbau erfolgen im Land der Mitte. In anderen Worten: Ohne China gibt es auch keine Solarzellen. 

Gute langfristige Aussichten für Wirtschaftswachstum

Die Wachstumsaussichten für die Volkswirtschaft dürften daher langfristig positiv sein. Bereits vor der aktuellen Rallye gab es immer wieder Anzeichen für eine Erholung der Wirtschaft. Zwar hat das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen, es bleibt jedoch positiv. Anleger sollten berücksichtigen, dass das Land einen Wandel von einer aufstrebenden Wirtschaft zu einem ausgereiften Markt mit starker Innovation und einem inländischen Konsum anstrebt. 

Hinzu kommt: Wirtschaftswachstum ist ein Hauptanliegen der Zentralregierung. Zwar handelt es sich um ein kommunistisches Land ohne Wahlen; jedoch hängt hier die Legitimität und Stabilität des gesamten Systems von der Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Wirtschaftsleistung und Lebensqualität ab – und diese sicherzustellen ist eines der Hauptziele der Regierung, die andernfalls ihre Legitimationsbasis einbüßt. Die Fünf-Jahres-Pläne und andere politische wie auch wirtschaftliche Maßnahmen haben immer das langfristige Ziel, die Probleme des Landes zu beheben und die Wirtschaft zu stärken. Für Anleger, für die der Hauptfaktor das Wirtschaftswachstum ist, ist das eine gute Ausgangssituation.

Zahlreiche Anlagechancen mit günstigen Bewertungen und überschaubarem Risiko

Das alles bietet Investoren eine Fülle an spannenden Anlagemöglichkeiten in vielversprechende Unternehmen, die robust für die Zukunft aufgestellt sind und ihren westlichen Pendants Konkurrenz machen. Dank der Schwäche der bisherigen Marktperformance eröffnen sich Anlegern zudem sehr günstige Kaufgelegenheiten – und das bei einer zunehmenden Profitabilität und einem verhältnismäßig geringen Risiko. Besonders attraktiv für langfristig orientierte Investoren sind insbesondere Technologiewerte sowie Unternehmen, die Komponenten von technisch komplexeren Produkten herstellen – beispielsweise Halbleiter, Smartphones oder Fahrzeuge – und die in der Wertschöpfungskette nach oben aufsteigen könnten. Auch die Bereiche Gesundheit und der grüne Wandel, mit Elektrofahrzeugen und erneuerbarer Energie – Stichwort Solarzellen – sollten Investoren im Auge behalten, denn das sind alles die Nutznießer des langfristigen Wandels Chinas zu einem führenden Exporteur von Innovation und Qualität. 

Über die nächsten Jahre wird sich zeigen, wie erfolgreich der Wandel ist, den die Regierung mit so viel Anstrengung vorantreibt. Die aktuelle Rallye zeigt jedoch, dass der neue Ansatz Chinas zu funktionieren scheint.

Diese Merkmale und dieses Potenzial des chinesischen Marktes nutzen wir im Mediolanum Chinese Road Opportunities: Der Fonds setzt auf Aktien aus den Sektoren Technologie (Informatik, Kommunikationsdienste), aber auch Luxusgüter, Gesundheit sowie Gewerbe, Handel und Industrie – Bereiche, die von den langfristigen Trends und Themen wie eine wachsende Mittelschicht, dem Wandel zu hochqualitativer Industrie und mehr Innovation sowie der Energiewende profitieren. Da der chinesische Markt von europäischen Research-Agenturen jedoch nicht gut durchdrungen ist, erfordert es tiefgehende Fachkenntnisse und eine lokale Präsenz, um seine Ineffizienzen optimal zu nutzen. Deswegen hat Mediolanum die Verwaltung des Fonds nach dem Multi-Manager-Prinzip Drittmanagern überlassen. Das Management übernehmen die Vermögensverwalter Schroders und Goldman Sachs – aufgrund ihres exzellenten Researchs und ihrer Expertise – sowie die lokalen Spezialisten Bin Yuan Capital und FountainCap, die außerdem eine hervorragende Kenntnis chinesischer Nebenwerte besitzen. Anleger müssen sich zudem bewusst sein, dass es sich bei China um einen sehr volatilen Markt handelt. Die Kombination mehrerer Asset Manager mit verschiedenen Investmentstilen und Blickpunkten trägt dazu bei, die Risiken breit zu streuen und Chancen in verschiedenen Marktsegmenten des noch immer wenig effizienten und transparenten chinesischen Aktienmarktes zu ergreifen.

Autor Patrick McKenna ist Aktienfondsmanager bei Mediolanum International Funds.

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