Erweiterter Insolvenzschutz im Betriebsrentengesetz
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) löste mit seinem Urteil vom 19.12.2019 (C-168/18) im vergangenen Jahr eine umfassende Änderung im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) aus: Leistungen aus einer Pensionskassenzusage sind unter bestimmten Voraussetzungen vom gesetzlichen Insolvenzschutz durch den Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) abgedeckt.
Welche Arbeitgeber sind betroffen?
„Arbeitgeber unterliegen bislang der PSVaG-Beitragsplicht, wenn sie ihre bAV in Form einer Direktzusage beziehungsweise Unterstützungskassenversorgung oder über einen Pensionsfonds durchführen“, so Hoppstädter. Das gelte jetzt auch für Versorgungszusagen, die über bestimmte Pensionskassen abgebildet würden. Direktversicherungen bleiben weiterhin außen vor, soweit sie mit einem unwiderruflichen Bezugsrecht für den Arbeitnehmer ausgestattet sind. Betroffen sind überwiegend Verträge von Pensionskassen, die nicht unter den Schutz des Sicherungsfonds der Lebensversicherer „Protektor“ fallen.
Das sind meist Firmen- oder Branchenpensionskassen – typischerweise sogenannte regulierte Pensionskassen. Auf Unternehmen mit solchen Pensionskassenverträgen kommen durch die neue Insolvenzsicherungspflicht zusätzliche Kosten zu. Der Beitrag zum PSVaG richtet sich nach der erreichbaren Höhe der Versorgungsleistung und bei laufenden Versorgungsleistungen nach der abhängig vom Alter vervielfachten Jahresrente. Die Pensionskassen werden den Arbeitgebern die vom PSVaG geforderten sogenannten Kurztestate zur Verfügung stellen.
Was ist zu tun?
„Für Unternehmen, die bislang noch keine Berührungspunkte zum PSVaG hatten – also noch nicht Mitgliedsunternehmen sind, aber Pensionskassenverpflichtungen haben – und jetzt insolvenzsicherungspflichtig sind, gilt: Sich unbedingt bis zum 31.3.2021 auf der Homepage des PSVaG registrieren“, so der Rat des Longial Geschäftsführers.
Haftung des Betriebserwerbers in der Insolvenz
Die Haftung für Leistungen aus einer bAV ist für den Erwerber eines insolventen Betriebs ebenso relevant wie für die betroffenen Arbeitnehmer. Das Bundearbeitsgericht (BAG) entschied dazu am 26.1.2021 in mehr als 20 Fällen (unter anderem 3 AZR 139/17): Die in § 613a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelte Haftung des Erwerbers beschränkt sich zeitanteilig auf die Dauer, die der Arbeitnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Betrieb angestellt war.
Für Leistungen bis zur Insolvenzeröffnung muss der Erwerber auch dann nicht haften, wenn der PSVaG nicht vollständig eintritt. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn bis zur Insolvenz noch keine unverfallbare Anwartschaft bestand. Nach der Übernahme läuft das Beschäftigungsverhältnis weiter, beim Erwerber werden Versorgungsanwartschaften aber erst ab Übernahme aufgebaut, die Gesamtversorgungsleistung fällt gegebenenfalls geringer aus als ursprünglich zugesagt.
Was ist zu tun?
Hoppstädter rät Unternehmen, die Versorgungsleistungen regelmäßig und transparent den Versorgungsberechtigten mitzuteilen. Und zwar sowohl dann, wenn es den Unternehmen gut geht – dann betreiben sie Social Marketing und Employer Branding – als auch im Falle einer Insolvenz. In diesem Fall helfen sie den Arbeitnehmern mit einem eindeutigen Überblick über die Versorgungslage.
Den Erwerbern sei eine regelmäßige Kommunikation zur übernommenen Versorgungszusagen zu empfehlen – denn auch das schaffe Vertrauen in das neue Unternehmen und könne dazu beitragen, dass strittige Punkte nicht erst vor Gericht geklärt werden müssten.
Treuhandlösung/CTA als ergänzende Insolvenzsicherung
Zwischen Arbeitgeber und Treuhänder gab es im zu behandelnden Fall (BAG-Urteil vom 22.9.2020 – 3 AZR 303/18) zugunsten der Versorgungsberechtigten einen doppelseitigen Treuhandvertrag – ein sogenanntes Contractual Trust Arrangement (CTA). Der PSVaG erhob Ansprüche auf das Treuhandvermögen. Er wollte verhindern, dass der Treuhänder bei der Berechnung der Rentenzahlungen die Rentendynamik miteinbezieht und somit das erforderliche Treuhandvermögen höher berechnet.
Das BAG stellte zunächst fest, dass das CTA insolvenzfest eingerichtet wurde. Darüber hinaus urteilte das BAG, dass eine Treuhandlösung ausdrücklich auch der ergänzenden Insolvenzsicherung von Ansprüchen einer bAV diene, die nicht unter den gesetzlichen Insolvenzschutz fallen. Der PSVaG werde dadurch keinen weitergehenden Ansprüchen ausgesetzt, ihm werden aber auch keine Sicherheiten rechtswidrig entzogen.
Was ist zu tun?
„Bei der Einrichtung eines CTA-Modells kommt es ganz besonders darauf an, dass es absolut insolvenzfest gestaltet ist. Darauf ist bei der Ausgestaltung der Treuhandverträge und der Übertragung der Vermögenswerte besonderes Augenmerk zu legen. Wenn hier Fehler gemacht werden, kommt Treuhandvermögen nicht den Versorgungsberechtigten zugute, um nicht gesetzlich insolvenzgesicherte Teilansprüche zu finanzieren, sondern geht auf den PSVaG über“, rät Hoppstädter.
Trotz klarer Regelung: Vorbereiten auf den Ernstfall
Die Insolvenzsicherung der bAV ist vermeintlich klar und eindeutig gesetzlich geregelt. Gleichwohl warnt der Longial Geschäftsführer warnt: „Wie man an der Vielzahl der Urteile und den daraus teilweise erfolgten gesetzlichen Änderungen erkennt, gibt es auch nach fast 50 Jahren Betriebsrentengesetz und PSVaG immer noch offene Fragen und Regelungslücken.“ Sich darauf vorzubereiten, ist für Unternehmen schwerlich möglich – aber es schadet natürlich nicht, sich in „guten Zeiten“ regelmäßig mit den Versorgungswerken im Unternehmen zu beschäftigen und, wenn nötig, Anpassungen vorzunehmen.
Foto: Longial