Der Insurtech-Boom in der Versicherungswirtschaft geht weiter. Digitale Geschäftsmodelle sind in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen – manche davon schnell und leise wieder verschwunden. Einige haben früh die Notwendigkeit erkannt, sich auf spezielle Funktionalitäten zu fokussieren. Andere haben ihre Geschäftsmodelle an Realitäten anpassen müssen. Doch reicht das? Und was ist entscheidend, um langfristig erfolgreich mitzuspielen?
Die Anzahl der Startups im deutschen Insurtech-Markt hat sich über die letzten anderthalb Jahre verdoppelt. In der Besetzung der verschiedenen Geschäftsfelder war dabei viel Musik. Bis 2016 lag der Fokus von Neugründungen auf dem Vertrieb. Hier ist Ernüchterung eingekehrt. Neue Marktteilnehmer konzentrieren sich auf eher noch unbesetzte Geschäftsfelder. So haben beispielsweise digitale Assekuradeure, die kaum versicherungstechnisches Risiko tragen, Vorteile volldigitaler Geschäftsmodelle genutzt. Darüber hinaus hat es im Jahr 2017 zahlreiche Insurtechs-Neugründungen zur Optimierung von Geschäftsprozessen gegeben. Sie verfolgen das Ziel, neue Methoden zur Digitalisierung der Versicherungswirtschaft zu entwickeln.
Insurtech-Hubs als Treiber der Digitalisierung
Doch nicht nur Insurtechs werden lauter. Auch die Versicherer trommeln kräftig. Sie gründen und erwerben Insurtechs, um die zusätzlichen Funktionalitäten in ihr Angebot und ihre Wertschöpfungskette zu integrieren und damit ihren Geschäftsbereich insgesamt auszubauen. Zudem haben verschiedene Versicherungsunternehmen sogenannte Insurtech-Hubs gegründet, um die Digitalisierung der Branche voran zu treiben und bereits in der Entstehungsphase an innovativen Entwicklungen beteiligt zu sein. In diesen Hubs sind sowohl namhafte Versicherer als auch Startups, die bereits einen Fuß auf dem Markt haben, vertreten.
Ferner gehen große und etablierte Versicherer vermehrt Kooperationen mit InsurTechs ein. Sie bauen ihre Aktivitäten massiv aus und nutzen die Kooperationen, um sich digital zu positionieren und sich innovativen Ideen gegenüber offen zu zeigen. Insurtechs nutzen solche Kooperationsmöglichkeiten, um sich langfristig einen Platz im Orchester zu sichern. So hat sich beispielsweise die Gothaer mit dem Berliner Startup Emil zusammengetan, um einen Telematik-Tarif zu testen. Die Allianz hat Simplesurance jüngst weitere Gelder zugesichert. Kooperationen zwischen Versicherer und Insurtech – ein Trend, der voraussichtlich auch kommende Entwicklungen maßgeblich mitgestalten wird.
Versicherungsbranche zukunftsfähig machen
Alle Insurtechs verfolgen mit ihren unterschiedlichen Geschäftsmodellen den Digitalisierungsgedanken. So leisten sie einen Beitrag, um die Versicherungsbranche zukunftsfähig aufzustellen. Doch was ist ausschlaggebend, damit sich am Ende für den Kunden ein konkreter Nutzen einstellt, die Versicherer Mehrwert erkennen und sich Insurtechs erfolgreich am Markt halten und ihre Position ausbauen können? Einzelne Schnittstellen oder Teillösungen reichen nicht, um die Branche langfristig gut aufstellen – dafür muss eine übergreifende Lösung her. Prozesse und Datenflüsse müssen optimal entlang der gesamten Wertschöpfungskette digital integriert werden. Nur so wird echter Mehrwert geschaffen.
Insurtechs müssen Spagat zwischen Technik-Know-how und Versicherungswissen leisten
Der gesamte Versicherungsmarkt, gewachsen aus unterschiedlichsten und fragmentierten IT-Lösungen, braucht eine Partitur, die für das optimale Zusammenspiel aller Marktteilnehmer sorgt. Denn nur ein funktionierendes und harmonisierendes Orchester ist zukunftsfähig. Fließen Daten zwischen Vertrieb, Versicherer und Insurtech vollautomatisiert, sind Prozesse bestmöglich in die Wertschöpfungskette der jeweiligen Unternehmen eingebunden und offeriert die Lösung Vorteile sowohl für den Vertrieb als auch für den Versicherer, dann kann der Versicherungsmarkt auch im nächsten Satz das Publikum überzeugen. Dies setzt allerdings auch voraus, dass Insurtechs den Spagat zwischen technischem Know-how und fachlichem Versicherungswissen schaffen, Versicherer zunehmend in den Ausbau zukunftsfähiger IT-Systeme investieren und dass alle offen sind für Synergien, die sich aus Standards und Kooperationen ergeben. Erste Schritte sind gemacht. Etablierte Versicherungsunternehmen haben erkannt, dass Insurtechs keine Konkurrenz sein müssen, sondern ihre eigenen Angebotspaletten sehr sinnvoll ergänzen können. Und sind dann alle Musiker im Takt und achten aufeinander, kann das Orchester wirklich aus dem Vollen schöpfen. (fm)
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