Professor Dr. Hans-Wilhelm Zeidler sagte im Februar dieses Jahres, dass der Versicherungsbranche „ein bisschen Disruption“ gut täte. Konkret sei jedoch noch nicht viel zu sehen. Was ist dran an der Kritik?
Zunächst ist festzuhalten, dass die Versicherungsindustrie über Jahrzehnte nur bedingt Anlass zu disruptiven Veränderungen hatte. Provokant gesagt: Selbst wenn die internen „Hausaufgaben“ eines Versicherers nur ausreichend erfüllt wurden, sorgten sprudelnde Kapitelerträge stets für auskömmliche Gewinne. Zwei Treiber haben die Situation seit einigen Jahren verändert und somit den Veränderungsdruck enorm verstärkt: Einerseits das anhaltende Niedrigzinsumfeld, andererseits die technologische Innovation und damit verbunden radikal verändertes Kundenverhalten beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen. Die Versicherer arbeiten bereits in vielen Bereichen am notwendigen Wandel. Gelegentlich gab und gibt es „Anlaufschwierigkeiten“, weil Innovationsgeschwindigkeit in der Vergangenheit nicht unbedingt die oberste Maxime für Versicherer war. Mittlerweile sind aber zahlreiche Beispiele auszumachen, wie Versicherer die Herausforderungen rund um Kundeninteraktion, Serviceerwartungen und Digitalisierung in neuer Geschwindigkeit angehen. Spürbare Wirkungseffekte werden sich daraus im Laufe der nächsten Jahre einstellen – wobei dafür heute die großen Investitionsentscheidungen getroffen werden müssen.
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Die Rentenreform von 2001 wird von manchen Experten rückblickend als „Geschenk“ für die Versicherungswirtschaft betrachtet. Derzeit diskutiert die Politik erneut eine umfassende Neuordnung des deutschen Rentensystems. Wird sich diese für die Branche eher als Fluch oder eher als Segen erweisen?
Ich bin davon überzeugt, dass Versicherer mit ihrem technischen Produkt-Know-how, ihren langjährigen Datenreihen und ihrer krisenerprobten Anlagepolitik auch künftig ein guter Anbieter für Altersvorsorgeprodukte sein können. Neuartige Garantiekonzepte stellen das bereits wieder unter Beweis. Wenn es die Versicherer schaffen, eine tragfähige Kombination aus verlässlichen Garantiekonzepten, attraktiven Leistungsversprechen und fairer Provisionierung zu realisieren, kann eine Reform des Altersvorsorgesystems gute Chancen für die Versicherungswirtschaft in Deutschland mit sich bringen. Es bleibt jedoch zunächst abzuwarten, ob eine umfassende Neuordnung überhaupt kommt und wie diese dann im Detail aussehen wird.
Interview: Lorenz Klein
Foto: Oliver Wyman
Hier geht es zum ersten Teil des Interviews mit Markus Zimmermann.
