Insurtechs: “Einen stärkeren Schulterschluss suchen”

Foto: Wefox
Fabian Wesemann

Cash.-Interview mit Fabian Wesemann, CFO der Wefox Group, über Missverständnisse zwischen Start-ups und Versicherern, neue Mitstreiter aus verschiedensten Branchen und die Folgen der Coronakrise für Kunden, Versicherer und Insurtechs.

Cash.-Interview mit Fabian Wesemann, CFO der Wefox Group, über Missverständnisse zwischen Start-ups und Versicherern, neue Mitstreiter aus verschiedensten Branchen und die Folgen der Coronakrise für Kunden, Versicherer und Insurtechs.

Etliche Fintechs haben sich in Deutschland etabliert und arbeiten erfolgreich. Schneller und preiswerter heißt die Devise bei den oftmals noch jungen Wilden. Aber reicht das aus, um langfristig Erfolg zu haben?

Wesemann: Das lässt sich nicht pauschal sagen, da es ziemlich stark von der Branche und dem Geschäftsmodell abhängt. Wenn ein Markt existiert, der schnelle und preiswerte Produkte nachfragt, macht es Sinn, mit entsprechenden Angeboten zu reagieren. Ein gutes Beispiel sind Billigfluggesellschaften. Diese sind Mitte der 2000er Jahre in den Markt eingetreten und bis heute erfolgreich.

Sind die Fintechs denn tatsächlich und nachhaltig besser als die Platzhirsche der Branche?

Wesemann: Im Laufe der Zeit müssen junge Finanz-Unternehmen beweisen, dass sie profitabel sind oder zumindest auf dem Weg dorthin. Die Strategie dahinter ist erst einmal zweitrangig. Wenn sich Fintechs über einen längeren Zeitraum im Markt halten können, bedeutet das mit großer Wahrscheinlichkeit, dass sie bereits Gewinne erzielen konnten oder Investoren davon überzeugt sind, dass sie zukünftig profitabel sein werden.

Man hat ein wenig das Gefühl, dass die Versicherungs- und Vertriebsbranche ihr Verhältnis zu den Start-ups noch gar nicht richtig für sich definiert hat. Einerseits heißt es, sie seien willkommene Partner, andererseits treten immer mehr Start-ups selbst als digitale Versicherer auf. Wie ist das Verhältnis?

Wesemann: Genau das ist die bekannte Spannung zwischen traditionellen Unternehmen und Start-ups. Insbesondere in der Versicherungsbranche sind die etablierten Akteure meist sehr groß und befinden sich dadurch in einer vermeintlich vorteilhaften Position. Gleichzeitig ist es für sie aber enorm wichtig, umzudenken und bekannte Probleme neu zu lösen. Es ist eine große Herausforderung, zwei unterschiedliche Geschäftsideen zusammenzubringen, weshalb es nicht selten zu Missverständnissen kommt. Die Coronakrise zeigt uns, dass die gesamte Versicherungsbranche jetzt digitale Technologien einsetzen muss, um auch nach der Krise widerstandsfähig und erfolgreich zu bleiben. Daher glaube ich, dass beide Welten in Zukunft einen stärkeren Schulterschluss suchen.

Nach Ansicht vieler Marktexperten ist der hybride Weg, also sowohl online als auch offline, für viele Kunden derzeit der richtige. Für besonders beratungsintensive Sparten werde weiterhin die persönliche Beratung nachgefragt und benötigt. Dies könnte sich allerdings ändern, wenn die “Generation Z” (24 Jahre und jünger) in das kaufkräftige Alter kommt. Werden mit der “Generation Z” zum Beispiel Robo-Advisor-Technologien auch für beratungsintensive Sparten Mainstream werden?

Wesemann: Ich denke nicht, dass wir den Makler in seiner Beratungsfunktion jemals ersetzen können. Bei der Wefox-Gruppe stellen wir stets sicher, dass unsere Kunden bei komplexeren Anfragen mit echten Personen am Ende der Leitung sprechen. Es sind aber nicht nur junge Generationen, die nach neuen Technologien verlangen. Gerade erleben wir, wie das Coronavirus fast jeden zwingt, neue Technologien auszuprobieren, um trotz “Social Distancing” miteinander in Verbindung zu bleiben. Unternehmen müssen sich jetzt anpassen, um erfolgreich zu bleiben bzw. um zu überleben. Unsere Absicht ist es, den Menschen durch Technologie zu stärken und nicht zu ersetzen.

Erwarten Sie, dass Online-Giganten wie Google und Amazon in absehbarer Zeit ins digitale Versicherungsgeschäft einsteigen werden?

Wesemann: Google und Amazon haben sicherlich alle Ressourcen, um in das digitale Versicherungsgeschäft einsteigen zu können. Da Versicherungen angesichts der Vorschriften und der Komplexität der Produkte keine einfache Branche sind, wäre der Markteintritt allerdings mit enormen Herausforderungen verbunden. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie eher mit bestehenden Unternehmen kooperieren, um einen leichteren Zugang zum Versicherungsmarkt zu bekommen.

Die schwedische Möbelhauskette Ikea und die Swiss-Re-Tochter “iptiQ” haben den Start der Hausratversicherung “Hemsäker” angekündigt. Das Produkt kann online über die Ikea-Website abgeschlossen werden und ist im Rahmen eines Pilotprojekts vorerst ausschließlich in der Schweiz und in Singapur erhältlich. Marktexperten erwarten aber, dass das Produkt früher oder später auch in Deutschland eingeführt wird. Erwächst da ein neuer Gigant als Konkurrent für Versicherer und Insurtechs gleichermaßen?

Wesemann: In der heutige Zeit integrieren viele Unternehmen ihre Dienstleistungen nicht nur horizontal, sondern auch vertikal. Das tun wir auch. Deshalb können neue Mitstreiter natürlich aus den verschiedensten Branchen kommen. Auch unser Ansatz besteht nicht nur darin, das gesamte Versicherungs-Ökosystem von Grund auf mit digitaler Technologie aufzubauen, sondern zeitgleich auch eine Infrastruktur zu schaffen, die sich von anderen Unternehmen beispielsweise in ihren Online-Shops implementieren lässt.

Wie die meisten Unternehmen weltweit stehen auch die Insurtechs angesichts der Coronavirus-Pandemie vor einer großen Unsicherheit. Wie stark sind sie davon betroffen?

Wesemann: Das Coronavirus trifft branchenübergreifend alle Unternehmen. Die einen gehen als Gewinner und die anderen als Verlierer aus der Krise. Grundsätzlich lässt sich aber eine Zunahme des Einsatzes digitaler Tools beobachten, die es Unternehmen und Privatpersonen ermöglichen, in Verbindung zu bleiben. Darin sehen wir eine große Chance, die gesamte Versicherungsbranche weiterzuentwickeln. Wir bieten Beratern und ihren Kunden die Möglichkeit, in schwierigen Zeiten wie diesen durch Technologie in Verbindung zu bleiben. Wir sind sozusagen das “Zoom” für Versicherungsmakler und setzen dabei auf Datenschutz.

Die Pandemie wird den digitalen Wandel also noch einmal deutlich beschleunigen?

Wesemann: Definitiv. Die Coronakrise hat den digitalen Wandel schon nach wenigen Monaten deutlich vorangetrieben. Als wir vor fünf Jahren die Wefox-Gruppe gegründet haben, wussten wir, dass sich die Versicherungsbranche radikal an das digitale Zeitalter anpassen muss und neue Technologien in der Brache erforderlich sind.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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