Während Verbraucherinnen und Verbraucher immer häufiger Nachhaltigkeitskriterien in ihre Entscheidungen einfließen lassen möchten, bleibt das Thema in vielen Beratungsgesprächen unterrepräsentiert. Das ist eine verpasste Chance – sowohl für die Kundinnen und Kunden als auch für Vermittlerinnen und Vermittler.
Diese Zurückhaltung hat verschiedene Ursachen: Unsicherheit bei der Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen, die geforderte Dokumentation durch regulatorische Vorgaben oder auch mangelndes Fachwissen über nachhaltige Anlageprodukte seitens der Vermittlerinnen und Vermittler. Doch es gibt klare Lösungsansätze, um Nachhaltigkeit nahtlos in die Beratung zu integrieren – und die wachsenden Marktchancen optimal zu nutzen.
Kundeninteresse und Marktchancen: Ein ungenutztes Potenzial
Die Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten wächst. Eine aktuelle und repräsentative YouGov-Umfrage unter 2.000 erwachsenen Deutschen zeigt, dass fast 46 Prozent der Deutschen es für wichtig halten, dass ihre Altersvorsorge-Beratung Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt.
Auch aus der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) gibt es klare Signale: Dort entfielen auch 2024 erneut fast 50 Prozent unseres Neugeschäfts auf die GrüneRente. Unternehmen setzen also verstärkt auf nachhaltige Vorsorgeprodukte, um als verantwortungsbewusste Arbeitgeber zu punkten und Mitarbeitende langfristig zu binden. Auch dies zeigt: Nachhaltigkeit ist kein Nischenthema mehr, sondern ein zentraler Faktor, der über den Erfolg von Vorsorgeprodukten entscheidet.
Die Hebelwirkung nachhaltiger Kapitalanlagen
Die Kapitalanlage der Versicherer spielt eine entscheidende Rolle und ist damit zugleich ein äußerst interessantes Argument im Dialog mit Kundinnen und Kunden. In Deutschland verwalten Lebensversicherer rund 1,9 Billionen Euro – davon werden jährlich etwa 300 Milliarden neu investiert. Wird dieses Kapital gezielt in nachhaltigkeitsorientierte Projekte und Unternehmen gelenkt, kann es enorme positive Effekte auf die Wirtschaft und den Klimaschutz haben.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das: Mit ihrer Altersvorsorge können sie nicht nur ihre eigene finanzielle Zukunft sichern, sondern gleichzeitig eine nachhaltigere Welt mitgestalten. Dieser Aspekt wird jedoch in Beratungsgesprächen oft nicht aktiv kommuniziert. Dabei bietet die „doppelte Dividende“ – finanzielle Absicherung und positive Wirkung – einen überzeugenden Gesprächsansatz, der bei vielen Kundinnen und Kunden Anklang findet. Vermittlerinnen und Vermittler haben hier eine Schlüsselrolle: Sie können nachhaltige Kapitalanlagen verständlich erklären, Bedenken abbauen und dadurch gezielt Nachfrage schaffen.
Zudem zeigt die bereits erwähnte YouGov-Studie, dass 36 Prozent der Deutschen bereit sind, auf Rendite zu verzichten, wenn ihre Kapitalanlage soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt. 20 Prozent würden eine geringere Rendite von 4,5 statt 5 Prozent akzeptieren, elf Prozent sogar 4 statt 5 Prozent. Gleichzeitig darf die Diskussion um Renditeverzicht nicht den Blick auf die wirtschaftlichen Chancen von nachhaltigen Investitionen verstellen. Studien belegen, dass Unternehmen mit einer starken ESG-Performance (Environmental, Social, Governance) langfristig finanziell stabiler und krisenresistenter sind. Nachhaltige Kapitalanlagen können also nicht nur ethische, sondern auch ökonomische Vorteile bieten.
Ursachen der Zurückhaltung: Herausforderungen
Trotz des wachsenden Interesses vieler Verbraucherinnen und Verbraucher halten sich viele Vermittlerinnen und Vermittler noch zurück. Dafür gibt es vor allem zwei zentrale Gründe:
Der Erste sind die regulatorischen Herausforderungen und Unsicherheiten: Vermittlerinnen und Vermittler sind verpflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kundinnen und Kunden zu erfragen – viele empfinden dies jedoch als Hürde. Besonders die Unsicherheit darüber, wie tiefgehend diese Präferenzen abgefragt und dokumentiert werden müssen, führt dazu, dass das Thema in Beratungsgesprächen teils nur oberflächlich behandelt oder sogar vermieden wird.
Der zweite ist die Komplexität der nachhaltigen Produkte: Nachhaltigkeitsorientierte Finanzprodukte unterscheiden sich in ihrer Struktur und Funktionsweise teils von klassischen Anlageformen. Während einige Kundinnen und Kunden detaillierte Informationen zu den ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Kapitalanlage wünschen, haben andere schlicht Bedenken, ob nachhaltigkeitsorientierte Anlagen mit den Renditen konventioneller Anlagen mithalten können.
Hier fehlen oft das notwendige Wissen und die passenden Argumente, um fundiert zu beraten. Nachhaltigkeit ist sehr individuell. Zudem gibt es mittlerweile diverse Siegel, die versuchen, nachhaltige Produkte zu klassifizieren.
Lösungsansätze: So kann Nachhaltigkeit integriert werden
Weiterbildung als Schlüssel: Gezielte Schulungen helfen, Wissen aufzubauen und Beratungskompetenz zu stärken. Weiterbildungsangebote wie die Ausbildung zum „Zertifizierten Nachhaltigkeitsberater“ bieten Vermittlerinnen und Vermittlern Sicherheit und ermöglichen eine professionelle, fundierte Beratung.
Die Investition in Weiterbildung lohnt sich: Wer in diesem Bereich fachkundig auftritt, kann sich als kompetenter Ansprechpartner positionieren und sich von Mitbewerbern abheben.
Klare Prozesse und Abfragehilfen: Regulierungen und gesetzliche Vorgaben müssen kein Hindernis sein. Vielmehr geht es darum, diese Vorgaben in standardisierte Prozesse zu überführen. Vereinfachte Abfragehilfen und strukturierte Beratungsleitfäden können dazu beitragen, das Thema Nachhaltigkeit systematisch und effizient in jedes Beratungsgespräch zu integrieren.
Nachhaltigkeit aktiv kommunizieren: Vermittlerinnen und Vermittler sollten das Thema aktiv ansprechen und Kundinnen und Kunden gezielt über die Auswirkungen nachhaltigkeitsorientierter Kapitalanlagen informieren. Praxisnahe Erklärungen und anschauliche Beispiele helfen, Nachhaltigkeit greifbar zu machen. Eine gute Möglichkeit ist es, Kundinnen und Kunden konkrete Zahlen und Studien an die Hand zu geben, die belegen, dass diese Anlagen langfristig stabile Renditen erwirtschaften können.
Nachhaltigkeit als Beratungsansatz: Mehr als ein Verkaufsargument
Nachhaltigkeit ist kein kurzfristiger Trend, sondern eine grundlegende Veränderung der Finanzwelt. Dies bietet Vermittlerinnen und Vermittlern eine große Chance: Sie können sich als kompetente Beraterin und Berater positionieren, die neben einer attraktiven Rendite auch gesellschaftliche Verantwortung in den Blick nehmen. Immer mehr Kundinnen und Kunden wünschen sich eine nachhaltige Finanzplanung. Wer ihnen dieses Bedürfnis erfüllt, stärkt nicht nur die eigene Marktposition, sondern schafft auch langfristiges Vertrauen. Nachhaltigkeit ist daher nicht nur ein Verkaufsargument, sondern ein wichtiger Bestandteil einer modernen, zukunftsorientierten Beratung.
Fazit: Die Zeit für Nachhaltigkeit ist jetzt
Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge ist kein „Nice-to-have“ mehr, sondern eine klare Anforderung vieler Kundinnen und Kunden. Vermittlerinnen und Vermittler, die sich in diesem Bereich weiterbilden und aktiv beraten, profitieren von einer wachsenden Nachfrage und neuen Geschäftsmöglichkeiten. Die Herausforderung besteht darin, Unsicherheiten abzubauen und klare, verständliche Argumente zu liefern. Wer dies tut, stellt sich zukunftssicher auf – für sich selbst, für seine Kundschaft und für eine nachhaltigere Wirtschaft.