Herr Feustel, Sie sind von der DSL Bank zur IKB gewechselt. Was war Ihre Motivation für diesen Schritt?
Feustel: In den 18 Jahren im Deutsche Bank-Konzern habe ich im Privat- und Firmenkundenbereich viele Geschäftsfelder erlebt. Bei der DSL Bank habe ich zudem registriert, wohin sich das Banking im Privatkundensegment entwickeln kann, wenn man sich auf die Rolle des Produktgebers fokussiert und den selbstständigen Partnern die regulatorische Kompetenz der Bank zukommen lässt. Darüber hinaus hatte ich dann von der bevorstehenden Zusammenarbeit von Hypoport und der IKB in der Mittelstandsfinanzierung gehört. Die Unternehmensfinanzierung ist bei der Automatisierung vermutlich aktuell dort, wo die Baufinanzierung vor zehn, fünfzehn Jahren war. Deshalb war das für mich eine ausgesprochen spannende Thematik. Gerade dieses Joint Venture zwischen dem Plattformanbieter Hypoport und der IKB als führende Mittelstandsbank ist eine gute Konstellation mit großem Entwicklungspotenzial.
Bau- und Mittelstandsfinanzierung sind durchaus unterschiedliche Sujets. Was macht letzteres für Sie so attraktiv?
Feustel: Das Volumen ist im Segment Mittelstandsfinanzierung deutlich größer und auch komplexer. Nach Meinung Vieler ist es deshalb nicht plattformisierbar. Diese Herausforderung zu meistern, macht das Thema besonders spannend für mich, denn genau das hat man vor 15 Jahren auch über die Baufinanzierung gesagt. Heute läuft über die Hälfte des Baufi-Geschäfts über Plattformen. Um das auch in der Mittelstandsfinanzierung zu ändern, trete ich mit meinem Team an. Hinzu kommt: eine Mittelstands- und Firmenfinanzierung ist kein „Once-in-a-Lifetime-Event“, wie viele Baufinanzierungen. Sie kommt vielmehr regelmäßig vor. Ich bin davon überzeugt, Mittelständler sehen durchaus den Mehrwert darin, einen Ansprechpartner zu haben und das gesamte Angebot des Marktes dort vorzufinden, statt von Bank zu Bank tingeln zu müssen und nur mühsam das beste Angebot zu finden. Dieses Potenzial ist in meinen Augen bei den Banken in Deutschland gänzlich unerschlossen.
Wie weit ist das Projekt gediehen?
Feustel: Die Plattform entsteht gerade, d.h. wir bauen das Flugzeug im Fliegen, wobei das Plattformgeschäft in der Baufinanzierung als eine Art Blaupause dient. Auch in der Baufinanzierung haben viele am Anfang das Plattformgeschäft unterschiedlich ernst genommen. Als dann die ersten Anbieter darauf aufmerksam wurden und Chancen witterten, hat sich eine große Dynamik entwickelt. Genau das versprechen wir uns vom Firmenkundengeschäft auch, selbst wenn viele Entscheider in diesem Segment zunächst skeptisch sind. Hier empfehlen wir einen Austausch mit den Verantwortlichen im Privatkundengeschäft. Unser Partner Hypoport hat Banken in der Vergangenheit rund 100 Milliarden Euro Kreditvolumen „frei-Haus“ geliefert. Schlussendlich erwarte ich, dass wir immer mehr Passagiere onboarden, die die Chancen der Plattform erkennen, um im Bild zu bleiben.
Über welche Volumina sprechen wir zurzeit in der Firmenfinanzierung?
Feustel: Das ist sehr unterschiedlich. Wir haben zum einen die Hypoport-Plattform fundingport und zum anderen die IKB in den Rollen des Shareholders und Plattformnutzers. Die IKB hat einen guten Ruf im Mittelstand; über diesen Zugang haben wir bereits im ersten Jahr mit vielen relevanten Kunden gesprochen. Die Projekte, die uns anvertraut wurden, haben in Summe bereits die Milliardengrenze überschritten, aber natürlich erfüllen wir nicht jeden Finanzierungswunsch. Gerade zu Beginn achten wir penibel darauf, unseren Bankpartnern besonders gute und genehmigungsfähige Anfragen weiterzuleiten. Das Feedback von Kunden und Banken ist ausschließlich positiv und das stimmt uns zuversichtlich, dass unser Volumen weiter wachsen wird.
Welche Tradition hat die IKB in der Firmenfinanzierung generell?
Feustel: Die IKB ist ein etablierter Mittelstandsfinanzierer – im nächsten Jahr feiern wir unser Hundertjähriges. Wir haben als Klientel überwiegend Unternehmen mit über 150 Millionen Euro Umsatz – das sind ca. 3.000 Unternehmen aus dem „gehobenen Mittelstand“. Unser klassisches Finanzierungsgeschäft besteht vorwiegend aus Langfristfinanzierungen. Der von mir verantwortete Finanzierungsmarktplatz ist ein komplementäres Geschäftsmodell zum traditionellen Kerngeschäft der IKB. Er zielt auf die Gruppe von Unternehmen, die beim Umsatz unter den klassischen IKB-Kunden liegen, wo erfahrungsgemäß auch die Finanzierungen kleiner und weniger komplex sind und damit eher plattformfähig. Die Akquise wird zu einem großen Teil durch Vermittler aus B2B-Kooperationen erfolgen. Damit sind wir eine der ersten Firmenkundenbanken, die selbstständigen Partnern eine echte Infrastruktur zur Verfügung stellt. Wenn wir dann feststellen, dass IKB-Kompetenz vonnöten ist, stehen wir mit dem Know-how der gesamten Bank zur Verfügung und reduzieren unser Angebot nicht nur auf die Vermittlung. Kürzlich haben wir für den Kunden eines Vermittlers eine Anleihe strukturiert. Das ist das Interessante an dem Ansatz und auch das Interessante aus strategischer Sicht für die IKB. Grundsätzlich gilt daher: Jeder Kunde aus unserer Zielgruppe, der sich an unsere Bank wendet, kann dort auch Zugang zu einer Finanzierungslösung erhalten. Das zahlt natürlich auf die Marke IKB ein. Dadurch bleiben wir langfristig relevant und haben die Möglichkeit, immer ein positives Kundenerlebnis zu schaffen.
Das heißt, wenn ich als Firma auf Sie zukomme, entscheiden Sie, was ich bekomme, die traditionelle Beratung oder eben den digitalen Plattformzugang.
Feustel: Der Finanzierungsmarktplatz hat den Fokus auf der „Kreditvermittlung“ und agiert autark vom Bilanzgeschäft der IKB. Die persönlichen Ansprechpartner in meinem Team sind aber alle ausgebildete Firmenkundenberater. Wir bieten potenziellen Kunden die Finanzierungslösungen an, die am besten zu ihnen passen.
Gegenwärtig hängen nach wie vor das Damoklesschwert Rezession und die Geopolitik über der deutschen Wirtschaft. Welche Auswirkungen hat das im Neugeschäft?
Feustel: Das stimmt. Dennoch ist der klassische deutsche Mittelstand inklusive vieler Familienunternehmen aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen am Markt sehr krisenerprobt. So finden gerade diese Unternehmen auch in der Krise Mittel und Wege. Aktuell ist der Investitionsbedarf in Sachen ESG natürlich unfassbar hoch. Und gerade in Zeiten der Krise, in denen Veränderung unumgänglich ist, Stichwort Energiepreise, sehen wir hohen Investitionsbedarf in alternative Energieformen, um die Produktion am Laufen zu halten. Die Zurückhaltung von Banken in gewissen Branchen ist da, das kann man nicht verhehlen. Aber es gibt genauso gut Banken, die sich antizyklisch verhalten und gerade Mittelständler in den Bestand aufnehmen, die in ihr Kreditportfolio passen. Das können dann auch mal Auslandsbanken sein, die im deutschen Mittelstand Fuß fassen möchten und über eine Plattform sehr gut als Anbieter zu finden sind. Wir arbeiten gerne mit Banken, die ihr Risiko regional oder branchenmäßig diversifizieren wollen. Banken können dadurch ihr Vertriebspotential erweitern und die Akquisition sehr zielgerichtet steuern. Wenn Sie sich bei Banken umschauen, werden Sie zudem sehr schnell feststellen, dort gibt es ein massives demographisches Problem. Wer akquiriert, wenn die Firmenkundenberater bald in Rente gehen? Spätestens dann wird es einen Run auf Plattformen geben.
Wo liegt der USP des Finanzierungsmarktplatzes verglichen mit Wettbewerbern?
Feustel: Wenn ich die vielen Pluspunkte auf einen verdichten müsste, würde ich sagen, es ist die Marke „IKB“. Sie sorgt für die Seriosität der Plattform bei Produktanbietern, aber auch bei Kunden. Die IKB hat aus der Historie viele tolle Kunden im Bestand, die andere Banken gerne hätten. Das erleichtert uns den Aufbau der Plattform, da das das beste Argument ist, sich als Produktanbieter zu registrieren. Da unterscheiden wir uns fundamental von Fintechs, die tendenziell die Kunden vermitteln, welche sie über Massenmailings oder Suchmaschinenoptimierung erreichen. Ein Firmenkunde, der Finanzierungen im Internet sucht, ist in den meisten Fällen noch nicht der, den Banken finanzieren wollen. Die Marke IKB wird dazu führen, dass wir Fintechs outperformen. Aber auch hier gibt es einen Wandel. Die ältere Generation von Entscheidern schätzt es, viel Zeit mit Bankgesprächen zu verbringen. Die jüngere Generation von Unternehmern kennt die Vorteile des Plattformgeschäfts von der eigenen Baufinanzierung und ist so effizienzgetrieben, dass sie Bankgespräche tendenziell als Zeitverschwendung wahrnimmt. Insbesondere seit Basel 2 hat ein Relationship Manager zudem gar keine Kreditkompetenz mehr und die Marktfolge lehnt den beim Mittagessen akquirierten Kredit womöglich ab. Ich wundere mich, wie viel Energie dann oft in die Diskussion zwischen Vertrieb und Marktfolge gesteckt wird, statt Regulierung als Chance zu begreifen und Vertrieb und Produkt zu trennen.
Mit welchen Partnern streben Sie eine Zusammenarbeit an?
Feustel: Bei der Art der Partner sind wir sehr offen. Für uns geht es vor allem darum: Welchen Kundenzugang hat der Partner, und wie verhält er sich? Es ist wichtig, zunächst eine kollegiale Zusammenarbeit zu gestalten und den Kundenzugang des Partners zu nutzen und ihm die Infrastruktur zu bieten, die er braucht, um seine eigene Reichweite zu verbessern. Welche Partner wollen wir? Am Ende geht es darum, dass wir einen gegenseitigen Mehrwert schaffen. Wir sind nicht auf bestimmte Partner eingeschränkt, wie etwa Finanzvermittler, Steuerberater, Versicherungsmakler, sondern wir sind da noch in der Sondierung. Momentan kann ich sagen, wir haben sehr unterschiedliche Partnergruppen. Von der Zwei-Personen-Gesellschaft, die sehr qualitativ arbeitet, über den Flächenvertrieb bis hin zu anderen Banken.
Sie sagen, hinsichtlich der Partner sind Sie offen und sehr flexibel. Gibt es denn Anforderungen, die er oder sie in jedem Fall erfüllen müssen?
Feustel: Wir unterscheiden in Tippgeber und Finanzierungsberater. Als Finanzierungsberater benötigen Sie natürlich eine haftungsrechtliche Akkreditierung, etwa nach Paragraf GewO 34i, bzw. GewO 34c. Neben den regulatorischen Notwendigkeiten zählt für uns im Onboarding-Prozess vor allem die Partnerschaftlichkeit, der Kundenzugang und der Wille, dieses Thema für sich zu entdecken. Wir fokussieren uns derzeit auf Kreditvolumina im Einzelticket ab eine Million Euro. Das ist die untere Grenze. Warum? Weil wir das Geschäftsmodell groß aufbauen wollen, und ab einem Wert von einer Million wird es für Banken interessant. Wir sind jetzt noch nicht im kleinteiligen Geschäft unterwegs, auch wenn ich nicht ausschließen will, dass es irgendwann einmal dazu kommt. Im Produktportfolio sind wir auch noch sehr offen und bauen das sukzessiv aus. Derzeit realisieren wir viele Renewables-Projekte. Expertise und Kontakte in diesem Segment sind daher sehr willkommen.
Welche Vorteile habe ich als Berater, wenn ich zu Ihnen komme?
Feustel: Am kurzen Ende ist es sicherlich die Aufwertung der Anfragen. Man hat einen Sparringspartner bei uns aus der Bank an der Seite. Die regulatorische sowie die gesamte beratende Kompetenz der IKB steht zur Verfügung. Wichtig ist tatsächlich auch der Langfristgedanke, sich zusammenzuschließen und eine Dienstleistung zu bauen, die auch sichtbar und relevant ist, um als Vertriebskanal von Produktgebern beziehungsweise Banken ernst genommen zu werden. Es gibt beachtlich viele selbstständige Firmenkundenberater, aber nur die wenigsten Bankvorstände wissen das. Wir schaffen ein Sprachrohr, optimieren die Infrastruktur und haben Hypoport an unserer Seite.
Wie groß ist Ihr Team insgesamt und ist geplant, es noch aufzustocken?
Feustel: Der IKB Finanzierungsmarktplatz besteht aktuell aus zehn Beratern, die die Anfragen vorqualifizieren, Sparringspartner sind, die die Kunden dann entsprechend auf die Plattform bringen und die eingehenden Bankangebote verifizieren. Bei fundingport ist es noch mal anders. Bei unserem Joint-Venture mit Hypoport gibt es natürlich deutlich mehr Mitarbeiter, vor allem Programmierer.
Sie haben es vorhin mehrfach angesprochen, das Thema ESG wächst dynamisch. Wie groß ist seine Rolle bei der Finanzierung im Moment?
Feustel: Als IKB haben wir ein enormes Marktpotenzial von 250 Milliarden Euro pro Jahr errechnet. Erst kürzlich hat der Bundestag wieder Erleichterungen bei der Windparkgenehmigung beschlossen, befristet bis Mitte nächsten Jahres. Ein Windrad kostet ca. fünf Millionen Euro. Dort gibt es jetzt einen hohen Investitionsbedarf. Aber ESG ist natürlich auch in anderen Branchen relevant, etwa beim Rating für Banken und Unternehmen, wenn es um die Umsetzung von Klimaschutzvorgaben geht. Das ist ein großes Thema. Wir haben uns als IKB zur Einhaltung der Principles for Responsible Banking der UNO verpflichtet. Es war uns wichtig zu zeigen, dass wir uns zum Pariser Klimaabkommen bekennen. Als Finanzierungsmarktplatz waren wir jetzt auch bei der VKU-Verbandstagung dabei. Viele kommunale Unternehmen, überwiegend Stadtwerke, benötigen Banken an ihrer Seite, die tatsächlich die Energiewende mitfinanzieren. Nicht alle können das. Wir sorgen dafür, dass Kunden die für sie besten Anbieter kennenlernen. Es ist ein bisschen wie „Parship für Banken“: Mit unserer Hilfe finden die Beteiligten ihr „perfectMatch“.
Gibt es weitere Vorteile des Plattformgeschäfts in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Feustel: Die gibt es in der Tat. Früher sind beispielsweise mehrere Banker zum Kunden gefahren oder sogar geflogen, was eine miserable CO2-Bilanz verursacht hat. Das entfällt jetzt beim Plattformgeschäft. Der Kunde gewinnt Zeit, um sich um sein Unternehmen zu kümmern und muss nicht mit fünf Bankern gleichzeitig verhandeln und mit zehn weiteren essen gehen, die akquirieren wollen. Er hat auf einen Schlag den gesamten Markt über einen Ansprechpartner im direkten Vergleich zur Auswahl. Auch für einen selbstständigen Berater oder Vermittler ist das eine tolle Story, wenn er sagen kann: „Ich habe jetzt hier eine Infrastruktur, da werde ich einfach ernst genommen.“ Dann verschwendet man nicht so viel Papier, man muss nicht so viel reisen und findet relativ zügig das passende Angebot zum Investitionsvorhaben seines Kunden auf einem sehr effizienten Vertriebskanal.
Das Gespräch führte Frank O. Milewski, Cash.