Themenwechsel: Stichwort künstliche Intelligenz, kurz KI. Werden Menschen und ihre Sachkunde in der Versicherungsvermittlung und -beratung bald überflüssig?
Heinz: Menschliche Beratung bleibt unersetzlich, insbesondere bei komplexen Versicherungs- und Altersvorsorgefragen. Der BVK setzt sich dafür ein, dass KI nur unterstützend, nicht aber als Ersatz für persönliche Beratung eingesetzt wird. Ich glaube fest daran, dass Face-to-Face, also das Gespräch von Mensch zu Mensch, gerade in einer sich zunehmend anonymisierenden Gesellschaft immer wichtiger wird.
Wie waren die Reaktionen aus der Politik und von Versicherern auf Ihr KI-Positionspapier vom August 2024 und welche Entwicklungen gibt es seitdem bei dem Thema?
Heinz: Das KI-Positionspapier des BVK aus August 2024 wurde von der Politik und der Versicherungsbranche positiv aufgenommen. Es wird anerkannt, dass klare Leitlinien notwendig sind, um den verantwortungsvollen Einsatz von KI zu gewährleisten. Es gibt erste Initiativen zur Schaffung von regulatorischen Rahmenbedingungen für KI im Versicherungsvertrieb. Der BVK bleibt hier in engem Austausch mit den Entscheidungsträgern. Wir beleuchten das Thema zudem über eine eigene Arbeitsgruppe und Fachartikelserie in unserer Verbandszeitschrift. Es ist aber auch zu konstatieren, dass das Thema in der Politik angesichts der vielen weiteren Herausforderungen derzeit nicht ganz oben auf der Tagesordnung steht.
Welche weiteren Themen hat der BVK derzeit auf der Agenda?
Heinz: Derzeit treibt uns das Thema Finfluencer um, also sogenannte Influencer im Internet, die sich zu finanziellen Themen äußern und Ratschläge erteilen. Es kann nicht sein, dass professionelle Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler strengen Regularien unterliegen, während Finfluencer mit oftmals fragwürdigen Empfehlungen Millionen von Anlegern beeinflussen – ohne jede Kontrolle. Dagegen werden wir vorgehen. Der BVK konnte zudem zum 1. April einen neuen hochrangigen Politikexperten als strategischen Berater verpflichten.
Dass Finfluencer keine Anlageberatung betreiben, weil sie keine individuellen Empfehlungen abgeben, hat die BaFin unlängst in einem Merkblatt klargestellt. Deshalb haften sie gegenüber den Kunden wohl auch nicht dafür.
Heinz: Wir sind der Ansicht, dass diese Sichtweise zu kurz greift. Ein Großteil gerade der jungen Generation lässt sich von Finfluencern sehr wohl in seinen Anlageentscheidungen beeinflussen. Dass sie nicht für ihre Anlageempfehlungen haften, führt gegenüber den klassischen Beratern und Vermittlern mit entsprechender Zulassung zu einer Ungleichbehandlung. Das ist jedoch nicht in erster Linie der BaFin anzulasten, sondern auch der bestehenden Gesetzeslage. Der Gesetzgeber wird über kurz oder lang, wenn er dem Gedanken des Verbraucherschutzes folgt, hierzu eine klare Regelung treffen müssen. Dazu zählen gleiche Berufszugangsvoraussetzungen wie bei uns, Dokumentationspflichten und Mindestvoraussetzungen von der Vermögensschadenshaftpflicht-Versicherung bis zur Registrierung bei der IHK.
Gibt es noch weitere aktuelle Stichworte auf Ihrer Agenda?
Heinz: Weitere Schwerpunkte des BVK sind Initiativen zur Nachwuchsförderung im Versicherungsvertrieb über die BVK-Juniorenorganisation sowie die DIN Normierung der Beratung. Die Digitalisierung der Branche – Stichwort Brancheninstitut für Prozessoptimierung, kurz BiPRO – bleibt ein zentrales Thema. Auch die Diskussion um Nachhaltigkeitskriterien in der Beratung gewinnt an Bedeutung.
Zeichnen sich am Horizont weitere Themen ab, insbesondere in Bezug auf Regulierung, die ja vermutlich nicht von heute auf morgen schlagartig enden wird?
Heinz: Außer den bereits besprochenen sind uns keine weiteren größeren Regulierungsvorhaben in der näheren Zukunft bekannt. Demnächst steht aber die Evaluierung und Überarbeitung der IDD-Richtlinie an. Hierzu sind aber noch keine Details bekannt. Es bleibt abzuwarten, ob die EU dabei ihr Versprechen einlöst, Bürokratie abzubauen.
Alles in allem: Wie sehen Sie die Zukunft des Versicherungsvertriebs?
Heinz: Trotz der regulatorischen Herausforderungen sieht der BVK die Zukunft des Versicherungsvertriebs positiv. Die Bedeutung qualifizierter Beratung wird weiterhin hoch bleiben, insbesondere vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft und komplexer werdender Vorsorgeprodukte. Der BVK setzt sich dafür ein, dass Vermittler und Makler auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen und nicht durch übermäßige Regulierung aus dem Markt gedrängt werden.
Das Interview führte Stefan Löwer, Cash., Mitte März 2025.