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Interview mit Guido Bader: „Eine Rentenreform kommt erst, wenn wir mitten in der Wand stecken“

Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter
Foto: Die Stuttgarter
Guido Bader: "Wir können nicht zulassen, dass der staatliche Zuschuss zur gesetzlichen Rente in fünf oder zehn Jahren explodiert"

Der mögliche Zusammenschluss mit der SDK, erfolgreich in der Lebensversicherung und die ungelöste Rentenfrage. Cash. Interview mit Stuttgarter-Chef Dr. Guido Bader über die Herausforderungen und Chancen 2025.

Dr. Bader, wo stehen Sie aktuell bei der Fusion mit der SDK?

Bader: Der Prüfprozess läuft auf Hochtouren. Die Datenräume sind gefüllt, und unsere Berater führen derzeit die Due Diligence durch. Gleichzeitig arbeiten wir an den notwendigen Formalitäten, etwa den wechselseitigen Vorstandsbestellungen und dem Austausch mit der Aufsicht. Unser Ziel ist es, bis zur Jahresmitte Folgendes zu erreichen: Erstens, zum 1. Juli 2025 soll der Gleichordnungskonzern starten. Zweitens sollen die beiden kleineren Gesellschaften der SDK-Gruppe integriert werden. Konkret bedeutet das: Die Süddeutsche Leben wird bis Ende August auf die Stuttgarter Leben verschmolzen, und die Süddeutsche Allgemeine als Sachversicherer wird im Wege einer Vermögensübertragung auf unsere Stuttgarter Versicherung AG übergehen. Diese drei Meilensteine sind für dieses Jahr entscheidend. Ich nenne es immer die „Aufräumarbeit“ im Vorfeld.

Juli klingt ambitioniert?

Bader: Ja, das ist sportlich, aber machbar. Tatsächlich ist die Hauptarbeit bis zur Jahresmitte zu leisten. Bis dahin müssen wir nicht nur den Gleichordnungskonzernvertrag abschließen und die Vorstände wechselseitig bestellen, sondern auch alle Anforderungen der BaFin für die Verschmelzung und Vermögensübertragung erfüllen. Das bedeutet, eine umfangreiche Liste an regulatorischen Vorgaben abzuarbeiten. Beide Häuser sind derzeit stark gefordert.

Wann erwarten Sie die Zustimmung des Kartellamts?

Bader: Die Anmeldung beim Kartellamt war im Februar. Die Genehmigung erfolgt in der Regel innerhalb weniger Monate. Das Verfahren sollte also zügig abgeschlossen sein. Allerdings können wir erst mit der tatsächlichen Bildung des Gleichordnungskonzerns kartellrechtlich unbedenklich agieren. Die formale Zustimmung allein reicht nicht aus. Wir sehen hier aber keine kritischen Hürden.

Sie hatten ihre Bilanzzahlen kürzlich veröffentlicht. Dennoch lassen Sie uns noch einmal auf das Jahr 2024 zurückblicken: Wie bewerten Sie die Geschäftsentwicklung im Vergleich zu Ihren Erwartungen zu Jahresbeginn?

Bader: 2024 lief trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage in Deutschland und der Rezession deutlich besser als erwartet. Ich bin hochzufrieden. In der Lebensversicherung haben wir das beste Neugeschäft unserer Unternehmensgeschichte erzielt und die Bestände weiter ausgebaut. Dabei konzentrieren wir uns auf den laufenden Beitrag und die Anzahl der Verträge, die seit 15 Jahren kontinuierlich wachsen. Auch 2024 stieg unser Bestandsbeitrag um rund drei Prozent. In der Sachversicherung war die Entwicklung ebenfalls stark: Im Unfallgeschäft erreichten wir eine Combined Ratio von 81,3 Prozent – ein Spitzenwert.


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Unser Eigenkapital in der Stuttgarter Leben konnten wir um 14 Millionen Euro stärken, die freie RfB um zwölf Millionen Euro erhöhen. Womit hatten wir zu kämpfen? Natürlich haben wir die Auswirkungen von Inflation und Rezession zu spüren bekommen – insbesondere durch einen Anstieg der Stornoquote. In der bAV machten sich Unternehmensinsolvenzen bemerkbar, was zu Vertragsabbrüchen führte. Auch durch Fluktuation und Arbeitsplatzwechsel entsteht automatisch mehr Storno. Zusätzlich gab es Unsicherheiten, die sich in der dritten Schicht der Altersvorsorge und in der Berufsunfähigkeitsversicherung niedergeschlagen haben. Zwar lag unser Storno im Marktvergleich auf einem angemessenen Niveau, aber solche Entwicklungen sind ärgerlich – zumal sie mit erheblichem Mehraufwand verbunden sind und Geschäft verloren geht.

Wie hoch war das Storno?

Bader: Nach Beitrag sind wir etwas über sechs Prozent. Das ist 1 bis 1,5 Prozent höher als der Marktdurchschnitt.

Vor dem Hintergrund: welche Produkte waren besonders erfolgreich?

Bader: Unser Flaggschiff-Produkt bleibt die Performance+, unser Hybrid-Produkt, das einen Großteil unseres Neugeschäfts ausmacht. Wir bieten es in allen Schichten an – auch in der betrieblichen Altersvorsorge, teilweise mit gemanagten Portfolios. Das erleichtert Arbeitgebern die Verwaltung, da sie sich nicht um die Fondsauswahl kümmern müssen. Die Performance+ war der klare Umsatztreiber. Auch unsere BU-Versicherung hat sich sehr gut entwickelt. Im Sachbereich war das Unfallgeschäft weiterhin ein Erfolgsfaktor, ebenfalls in verschiedenen Varianten. Diese drei Bereiche – Performance+, Berufsunfähigkeit und Unfallversicherung – waren die treibenden Kräfte.

Lassen Sie uns über die politische Lage sprechen. Die geplante Reform der privaten Altersvorsorge (pAV) ist Geschichte – ähnlich wie das BSRG II.  Waren die vergangenen drei Jahre verlorene Jahre für die Altersvorsorge? Teilen Sie diese Ansicht?

Bader: Ja, und zwar nicht nur aus Branchensicht, sondern aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive. Seit den 80er Jahren wissen wir, dass die Altersvorsorge reformbedürftig ist – besonders mit Blick auf die Babyboomer-Generation, die nun in Rente geht. Erneut wurden drei Jahre verschenkt, das ist fatal. Allerdings wären die Vorschläge der Ampel zur gesetzlichen Rente so verheerend gewesen, dass es fast besser ist, dass sie nicht umgesetzt wurden. Beim Betriebsrentenstärkungsgesetz II hingegen gab es viele sinnvolle Ansätze – schade, dass es nicht kam.

„Ich plädiere ganz klar für eine sinnvolle Reform der Riester-Rente“

Guido Bader

Auch in der privaten Altersvorsorge gab es Reformideen, die ich ausdrücklich begrüßt hätte, etwa die Dynamisierung und Anhebung der Förderung oder die Möglichkeit, im Rentenbezug stärker auf Fonds zu setzen. Ein neues Produkt einzuführen, halte ich persönlich für völlig kontraproduktiv. Man hat ein Riester-Produkt, dem man durch eine gute Reform endlich wieder Rückenwind geben kann. Die Menschen werden doch durch ständig neue Produkte, egal nach welchem Politiker sie jetzt heißen, ständig verunsichert. Also, ich plädiere ganz klar für eine sinnvolle Reform der Riester-Rente.

Was wäre bei der gesetzlichen Rente denn verheerend gewesen?

Bader: Die 48-Prozent-Haltelinie und die Beibehaltung der Rente mit 63 – auch wenn das Eintrittsalter leicht gestiegen ist – wären fatale Signale gewesen. Diese Maßnahmen sind schlicht nicht mehr finanzierbar. Wir müssen der Realität ins Auge sehen: Der einzige Weg ist, private und betriebliche Vorsorge massiv zu stärken. Dafür braucht es Anreize und Entlastungen an anderer Stelle. Aber wir können nicht zulassen, dass der staatliche Zuschuss zur gesetzlichen Rente in fünf oder zehn Jahren explodiert und das System finanziell überfordert.

Seite 2: „Die Rente ist sicher – nein, ist sie nicht“

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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