Die Zeit um die Jahreswende eignet sich sehr gut für Rückblicke. Wie ist bislang 2023 bei Hepster und Element verlaufen?
Kauther: Wir sind sehr zufrieden, denn wir werden bis Jahresende ein Wachstum von über 100 Prozent erzielen. Hinzu kommen unsere neuen Partnerschaften. Dabei ist die von Hepster und Element in meinen Augen wegweisend. Wie gut die Zusammenarbeit ist, zeigt, dass wir nur drei Monate für den erste Live-Case benötigt haben. Das ist eine Kooperation auf Augenhöhe mit zwei starken Partnern, die das gleiche Verständnis haben. Angesichts der „Schwarzen Schwäne“ am Markt stellt sich vielen die Frage, ob man überhaupt Wachstum schaffen kann. Wir werden das Jahr 2023 in jedem Fall sehr erfolgreich abschließen.
Hornung: Das Jahr lief bisher sehr gut. Auch wir werden in diesem Jahr bei den Beitragseinnahme ein Wachstum von beinahe 100 Prozent erreichen. Das war zum Jahresbeginn nicht ganz klar. Auch weil die geplante Finanzierungsrunde, die Series B, nicht in der Größenordnung eingetreten ist, wie wir uns das erhofft haben. Amerikanische Investoren investieren im Moment in Europa praktisch gar nicht. Trotzdem konnten wir eine sehr ordentliche Finanzierungsrunde schaffen, die das weitere Wachstum sicherstellt. Zwar mussten wir unsere Wachstumsziele etwas korrigieren. Was die Situation aber mit sich gebracht hat ist, dass wir uns deutlich mehr auf Profitabilität ausgerichtet haben. Es geht im Moment sehr darum, die Deckungsbeiträge auszubauen und mehr Geld im Unternehmen zu halten.
Sprechen wir von einer Kooperation oder von einer Fusion?
Kauther: Wir sprechen klassisch nur von einer Kooperation, auf Augenhöhe. Das, was ich zu Beginn bereits sagte, die Schnelligkeit, mit der wir das umgesetzt haben, das liegt sicherlich daran, dass wir gleichstarke Partner sind, die auf Augenhöhe miteinander reden; die das gleiche Endkundverständnis haben und dann auf allen Arbeitsebenen die richtigen Menschen zusammengebracht haben. Ich würde zwischen Kooperation und Kooperation[SG1] unterscheiden. Viele reden davon und bauen so viele Mechanismen auf, dass es schwer ist, eine Kooperation auf Augenhöhe zu leben und sich gegenseitig zu vertrauen und umzusetzen. Das ist hier par Excellence gezeigt worden, dass es anders funktionieren kann.
Hornung: Die Besonderheit ist, dass hier zwei besonders junge Unternehmen der Branche, zwei Scale-Ups, eine Kooperation geschaffen haben. Als Hepster haben wir viele Erfahrungen im Onboarding von B2B Partnern wir von Risikoträgern. Inzwischen arbeiten wir mit zehn Erst- und einem Rückversicherer zusammen. Und da muss man ganz klar sagen, dass die Umsetzung mit Element Insurances sehr schnell und gut lief.
Stichwort „Schwarze Schwäne“: Wo sehen Sie die Herausforderungen?
Hornung: Die Herausforderung der gesamten Branche liegt in der Prozessabbildung. Wir sehen neue Geschäftsmodelle und damit entwickeln sich aus Kundensicht neue Anforderungen. Eine noch bessere Integration, eine noch bessere Synchronisation der Gesamtprozesse, schnellere Verfügbarkeit und vor allem eine schnelle Schadenbearbeitung. Die gesamte Branche ist vor allem darauf ausgerichtet, die Schadenprozesse zu automatisieren und digitalisieren, es geht hierbei um mehr Effizienz. Das sehe ich als die große Herausforderung bei allen Versicherern.
Kauther: Die geopolitischen Herausforderungen, die globalen Pandemierisiken und damit alles, was auf die Wirtschaft einwirken könnte. Man spürt schon, dass sich viele fragen, wie es weitergeht. Durch die Inflation steht zudem die Frage im Raum, was die Kunden noch bereit sind, zu investieren. Hinzu kommt die Cyberbedrohung. Wir sehen, dass die Zahl der Cyberangriffe deutlich steigt. Die Rahmenbedingungen werden dadurch schwieriger. Die Branche ist noch nicht so weit, dass die Prozesse end-to-end optimal auf die Kundenbedürfnisse aufgesetzt sind. Die Branche ist noch nicht auf dem Level anderer Wirtschaftszweige. Embedded Lösungen können hier helfen, Sicherheiten einzubetten. Es in das Kundenbedürfnis zu packen, dass es spürbar wird. Das geht nur, wenn es kostengünstig erfolgt und für den Endverbraucher auch gut umgesetzt wird.
Herr Hornung, wir sehen gerade in der Sachversicherung inflationsbedingt deutliche Anpassungen bei Prämien. Wie sieht die Situation bei Ihnen aus?
Hornung: Wir haben bisher nicht angepasst, werden es aber in einigen Bereichen im nächsten Jahr auch in kleinen Schritten tun. Das ist das erste Mal, dass wir das machen. Denn bisher hat die Kalkulation gut funktioniert. Aber ja, wir sehen die Inflationseffekte. Vor allem in den Reparaturen. Wir sind stark im Bereich Mobilität, Fahrrad, E-Bikes, Elektronik. Das ist spürbar, dass die Schadenkosten dort steigen.
Frau Kauther, Sie sprachen kürzlich in einer Mitteilung von einem erschöpfenden Wettbewerb in der Branche. Beziehen sich das auf den Wettbewerb zwischen den Insurtechs?
Kauther: Vor fünf oder sechs Jahren wurden viele Insurtechs gegründet und die mussten schnell wachsen. Nicht durch Kooperationen, sondern durch eigenständig. Meines Erachtens gilt die Aussage aber auch für gesamte Versicherungsbranche. Wenn man schaut, wie viele Versicherer es noch gibt. Da stellt sich die Frage, ist das noch effizient? Ist der Kunde bereit, dass das, was dort an Kosten entsteht, am Ende noch zu tragen? Und wenn man sich dann anschaut, wie häufig bei Ausschreibungen mehrere Parteien im Wettbewerb stehen? Wäre es nicht besser, über eine Partnerschaft die Kernkompetenzen miteinander zu verbinden und an den Markt zu bringen? Da hat die Branche deutlichen Spielraum. Die Frage ist, inwieweit man in der Partnerschaft der beste Teil der Wertschöpfungskette ist. Als nächstes geht es darum, die Kooperation ernst zu nehmen und auf Augenhöhe vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Das passiert aber nicht immer. Wie viele Zusammenschlüsse, wie viele Kooperationen gehen schief? Wenn ich mir Lösungen anschaue und frage, wo wir technologisch hinmöchten, stellt sich die Frage – sind wir da schon. Und wird das Endkundenbedürfnis erfüllt. Das fällt jungen Tech-Unternehmen deutlich leichter als Großunternehmen.
Es fiel vorhin der Begriff der Kernkompetenzen. Wo liegen die von Hepster, wo die von Element?
Kauther: Wir als Element sind Risikoträger. Das ist unser Kern-USP. Da spielen wir nicht mit. Wir haben stets auf profitables Wachstum und eine ordentliche Kalkulation gesetzt. Natürlich können wir als White-Label-Anbieter weitere Teile der Prozesskette abbilden. Wir treten aber niemals als Marke gegenüber dem Endkunden auf. Und wir arbeiten sehr gerne mit MGAs zusammen, die sich fokussiert und spezialisiert haben. Weil dann die Prozesse dann noch optimierter sind. Hier ist Hepster aus meiner Sicht wegweisend. Natürlich haben wir auch andere Partnerschaften, wo wir mehr Teile der Wertschöpfungskette abbilden. Aber in dieser Partnerschaft fokussieren wir uns genau darauf.
Hornung: Wenn wir uns für Kooperationen entscheiden, gehen wir mit klaren Vorstellungen in solche Gespräche. Das Thema Kultur spielt eine wichtige Rolle. es muss von vornherein auch klar sein, was beide Partner wollen. Wir bringen die Infrastruktur mit, um die Produkte gemeinsam tarifieren zu können; die Plattform, die Integrationsmöglichkeiten. Das entscheidende ist, dass ein Risikoträger das Risiko am besten tragen kann. Natürlich haben wir einen Aktuar, einen Underwriter. Aber wir haben nicht die Erfahrung wie Element, hohe Risiken zu tragen. . Deswegen sind das Kernkompetenzen von Risikoträgern; nämlich die Tarife so aufzusetzen, dass sie stabil und rentabel für beide Seiten sind.
Herr Hornung, wir hatten im Frühjahr ein Interview geführt: Seinerzeit ging es um Insurtech 2.0, unsichtbare Versicherer und passgenaue Versicherungsprodukte. Und es fiel der Satz: „Die Zukunft der Versicherungen wird die umsatzstärksten Versicherer jemals hervorbringen, von denen allerdings niemand außerhalb der Branche den Namen kennen wird“. Gilt die Aussage auch heute noch?
Hornung: Auch wenn es Buzz-Words sind, es ist so. Das spielt eine immer größere Rolle.. Und die aktuelle inflationäre Entwicklung beschleunigt diese Entwicklung. Kunden stellen sich zunehmend die Frage, ob man die Service-Versicherungen, die am Monatsende bezahlt werden müssen, noch benötigt werden. Die junge Generation konzentriert sich anders auf Konsum, da geht es um Sharing-Modelle, es geht um Vermiet-Modelle. Vom Besitzen zum Nutzen. Und dabei spielen spezielle Versicherungslösungen eine ganz andere Rolle. Je mehr diese eingebettet sind, um so mehr werden die gebraucht. Von daher: Die These steht nach wie vor. Das wird es sich etwas komplett verändern. Und jeder Versicherer, der sich damit heute nicht auseinandersetzt, den wird es nicht mehr geben.
Und setzen sich alle Versicherer mit dieser Problematik auseinander?
Hornung: Ich glaube, dass alle Versicherer sich mit dem Thema mehr oder minder auseinandersetzen. Aus Gesprächen weiß ich, dass viele solche Prozesse nicht abbilden können. Und wir reden hier nicht nur von Distributionsintegration, also der Integration von Produkten am Point-of-Sale. Das ist das eine. Es sind vor allem die Prozesse, die danach folgen. Das sind so viele Themen, die dort eine Rolle spielen. Das ist mittelfristig für mittelgroße und kleine Versicherer langfristig mit der Legacy nicht umsetzbar. Deswegen sind solche Kooperationen, wie wir sie haben, auch auf anderer Ebene, gerade auch mit klassischen Versicherern zunehmend relevant.
Häufen sich die Anfragen der Klassiker?
Hornung: Ja. Das hängt sicher damit zusammen, dass wir bereits einige Jahre am Markt sind. Aber grundsätzlich bekomme ich inzwischen wöchentlich Anfragen, ob wir uns nicht einmal über eine Kooperation unterhalten könnten.
Welche Rolle wird Embedded Insurance im Sachversicherungsmarkt in Zukunft einnehmen?
Kauther: Der Markt ist hier gespalten. Die einen sagen, Embedded Insurance existiert noch gar nicht. Die anderen sagen, es wird nie eine Rolle spielen; wieder andere sind völlig begeistert. Man sieht aber bereits jetzt, dass die junge Generation, die heranwächst, nicht mehr nur Produkte bezieht, sondern Serviceerlebnisse. Zudem wächst die Bereitschaft, zu leihen, zu teilen. Stichwort Sharing-Economy. Das Mindset und das Verhalten der jungen Generation ist so anders, so viel schneller, dass aus meiner Sicht gar kein Weg an Embedded Insurance vorbeiführt. Wer sich damit nicht auseinandersetzt, sich nicht die passenden Partner sucht, um perfekt in eine solche Wertschöpfungskette eingebettet zu werden, verliert die junge Generation. Merkt das die Branche kurzfristig? Nein. Weil sie noch viele Bestandskunden haben. Es ist aber ein graduelles Wachstum. Es geht um Sachversicherungen, die wenig kosten, aber sinnvoll für den Kunden sind und auf dem Markt noch nicht so stark vertrieben werden. Insofern: Es gibt einen Markt und der wird stetig wachsen.
Hornung: Die Versicherungsbranche wächst im Schnitt weltweit um rund drei Prozent pro Jahr. Allein inflationsbedingt. Embedded hat derzeit Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich. Die Frage ist, ob ich als Versicherer an dem Wachstum teilhaben möchte. Denn es wird eine deutliche Verschiebung in Richtung Embedded stattfinden. Aktuell ist der Anteil der Produkte, die im Versicherungsbereich verkauft werden, unter einem Prozent. Und wer sagt, dass es das System nicht gibt: Ford hat bereits 1926 ein Auto mit einem Kredit gekoppelt. Und nicht nur Ford war und ist sehr erfolgreich mit den Care-Produkten. Worum geht es denn Online-Shops, Retailern oder Manufacturern? Provisionen sind sicherlich wichtig beim Embedding. Aber viel wichtiger ist doch, was dahinter passiert. Stichworte sind hier das Replacement oder der Reparaturservice. Es geht darum, am Kunden mehrfach zu verdienen. Wenn ein Produkt defekt ist und repariert oder ersetzt werden muss. Es geht also darum, Teil der Wertschöpfungskette zu sein. Und ein Versicherer muss auch sehen, wie die Schaden-Kostenquote gesenkt werden kann. Zum Beispiel durch optimierte Replacement-Prozesse.