Exklusiv-Interview Ökoworld: „Auf Social Media einen Turbo zünden“

Foto: Ökoworld
Das neue Vorstandstrio von Ökoworld (von links): Torsten Müller, Andrea Machost und Katrin Hammerich

Seit August wird die Fondsboutique Ökoworld mit Sitz in Hilden von einem Vorstandstrio geführt. Wir trafen Katrin Hammerich, Andrea Machost und Torsten Müller am Firmensitz, um über die strategische Ausrichtung, Änderungen in der Produkt- und Vertriebsstruktur sowie den Markt für ethisch-ökologische Kapitalanlagen zu sprechen.

Frau Hammerich, Frau Machost, Herr Müller, seit Anfang August zeichnen Sie für die Geschicke der Ökoworld verantwortlich. Wie plötzlich kam die Mission für Sie und was bedeutet sie für Sie persönlich?

Hammerich: Der Generationswechsel wurde vom Aufsichtsrat lange vorbereitet. Sichtbar wurde er erstmals dadurch, dass Torsten Müller im Juli 2018 in den Vorstand berufen wurde. Anfang 2022 kam Andrea Machost dazu und Anfang 2023 wurde ich berufen. Wir hatten also ausreichend Zeit, uns in der Zusammenarbeit kennenzulernen. Uns eint, dass wir die Ökoworld kennen und dass wir mit ihren Werten und ihrer Unternehmensphilosophie sehr vertraut sind.

Alfred Platow und Klaus Odenthal haben die Ökoworld aufgebaut. Seit vielen Jahrzehnten wurde das Unternehmen von Alfred Platow mit einer besonderen Hingabe geführt. Was bedeutet seine Demission für die Ökoworld?

Hammerich: Es ist ein gravierender Einschnitt für die Ökoworld, wenn jemand wie Alfred Platow das Unternehmen verlässt. Er hat die Ökoworld zusammen mit Klaus Odenthal erfolgreich aufgebaut und über fast 50 Jahre sehr persönlich geprägt. Was uns hohe Stabilität gibt, ist, dass wir wissen, wofür wir stehen, dass wir unsere DNA – gerade bei den Finanzdienstleistern – so erhalten. Unser Ziel ist es, die Pionierarbeit – das, was mit großer Weitsicht von Alfred Platow und Klaus Odenthal initiiert wurde – weiterzuführen und aufrechtzuerhalten.

Müller: Die Ökoworld zeichnet sich dadurch aus, dass wir in der Finanzbranche auch mal gegen die Strömung schwimmen. Es ist eine sehr konservative Branche, in der wir uns bewegen. Da ist es für uns umso wichtiger, dass wir bei bestimmten Themen eine klare Haltung haben und für diese einstehen. Ich will es mal so ausdrücken: Diplomatie ist uns wichtig, aber eben nicht alles.

Machost: Diese Haltung hat mich bereits beeindruckt, als ich noch nicht für die Ökoworld gearbeitet habe. Ich war damals Direktorin Private Banking bei der Sparkasse Hilden-Ratingen-Velbert und für einige unserer Kunden immer wieder auf der Suche nach nachhaltigen Investmentmöglichkeiten. So habe ich die Ökoworld kennengelernt. Ich habe damals gesagt: „Wenn wir ein grünes Produkt nehmen und vertreiben, dann wollen wir die Besten haben und die Echten.“ Ecken und Kanten sind wichtig, gut und außergewöhnlich in unserer Branche – aber eben auch die Werte. Das hat mich seinerzeit sehr beeindruckt an Alfred Platow, als er mir berichtet hat, welchen Dingen er widerstanden hat – auch monetär, um seine Werte für die Firma zu erhalten.

Müller: Ein großes Pfund ist unsere Unabhängigkeit. Wir sind mit keinem Konzern verbunden, sondern wir sind ein eigenständiger Produktanbieter. Nur so können wir frei entscheiden. Wer unsere Produkte vertreiben möchte, der ist herzlich eingeladen, aber wir unterliegen nicht den Zwängen, wie das oft in größeren Konzerngruppen der Fall ist. Das ist ein Luxus, den wir zu schätzen wissen.

Sie wollen das Lebenswerk von Alfred Platow fortsetzen, aber dennoch wird es vermutlich Änderungen geben. Was planen Sie in Sachen Strategie, Ausrichtung und Produktpalette?

Müller: Viele oder gar gravierende Änderungen wird es nicht geben. Dennoch: Es gibt drei Handlungsfelder, die wir für uns festgelegt haben. Das sind die Felder „neue Zielgruppen“, „neue Produkte“ und „neue Themen“. Nehmen wir einmal das Beispiel neue Zielgruppen. Bislang hat die Ökoworld sich überwiegend auf die Ansprache der Zielgruppe konzentriert, die heute mehrheitlich über 60 Jahre alt ist. Das ist schade, denn gerade junge Leute sind heute überaus umweltbewusst und engagieren sich sehr für Nachhaltigkeit und gegen den Klimawandel. In Zukunft wollen wir auch auf diese Zielgruppe gezielt mit unseren Themen zugehen. Eine solche Veränderung hat auch Einfluss auf das Thema Marketing, auf das Thema Vertrieb und natürlich auch auf Social Media, was bei uns zwar stattgefunden hat, aber nicht in der Ausprägung, wie es heute grundsätzlich stattfinden sollte. Dort wollen wir noch einmal einen Turbo zünden und auch neue Maßstäbe setzen. Ich denke, das können wir mit unserer politischen Haltung sehr gut und glaubhaft transportieren.

Machost: Im Bereich Produkte haben wir ein paar neue Ideen, auch wenn wir bereits starke Produkte haben – sowohl auf der Anlageseite als auch im Vorsorgebereich. So wollen wir die Produkte mal anders besetzen. Neben der Einmalanlage werden wir für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge auch die ratierliche Anlage in den Fokus nehmen, also den Sparplan ins Schaufenster stellen, um die jungen Menschen abzuholen. Auch deshalb ist uns Social Media so wichtig. Das zweite große Thema ist die Altersvorsorge. Hier sprechen wir mit unserem Produkt, der Klimarente, viele Menschen an, und auch das Thema bAV werden wir weiter stärken.

Hammerich: Die Inhalte und die Zielgruppen bringen uns zum dritten Handlungsfeld, nämlich zu „Neue Themen“. Dabei geht es darum, bei gesellschaftlichen Aspekten den Dialog fortzuführen beziehungsweise zu intensivieren. Das zahlt darauf ein, dass man die Basis für unsere Themen gut verbreitern kann. Bei jüngeren Menschen denke ich auch an neue Mitarbeitende, die wir sicherlich für unsere Weiterentwicklung benötigen und die dann auch einen Arbeitgeber wie die Ökoworld gut nach vorne bringen.

 Noch einmal zu den „Neuen Zielgruppen: Ethisch-ökologische Kapitalanlage ist ja nicht nur eine Domäne für junge Menschen, auch ältere besetzen das Thema mittlerweile.

Müller: Das ist ein Riesenthema und definitiv eines, was über Generationen hinweg wichtig ist. Jeder kann sich damit auf irgendeine Weise identifizieren. Als Vater von zwei Kindern weiß ich, warum ich hier arbeite und was ich bezwecken möchte. Das ist jetzt nicht nur ein gesellschaftliches Ziel, sondern auch ein ganz persönliches. Ich möchte eine lebenswerte Welt auch für meine Kinder hinterlassen, also für die nächsten Generationen. Ich glaube, das treibt die jüngeren Menschen an, sehr wohl aber auch die älteren. Es ist zum Lifestyle-Thema geworden.

Stichwort „Lifestylethema“: die ethisch-ökologische Kapitalanlage ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ein Grund zur reinen Freude oder sehen Sie auch die Gefahr, den Erwartungen nicht gerecht werden zu können?

Machost: Nein, das freut uns natürlich erst einmal. Die Ökoworld besetzt das Thema schließlich seit Jahrzehnten und kämpft dafür. Aber entscheidend ist natürlich, dass die Aufsicht jetzt stärker hinschaut. Die Diskussionen um Artikel-8-, Artikel-9-Fonds haben gezeigt, wie herausfordernd es ist, das Thema nachhaltig durchzuhalten. Letztendlich wird sich die Spreu vom Weizen trennen und wir werden dann mit unseren Produkten wieder nach vorne gestellt. Das sieht man jetzt schon. Nach dem Boom bereinigt sich der Markt ja gerade wieder. Das ist sehr gesund auch gut für uns. Denn bei uns ist wirkliche Nachhaltigkeit in unseren Fonds. Schönfärberei jeder Art lehnen wir kategorisch ab.

 Auch wenn der Regulator selbst noch nicht so recht weiß, wo er mit Taxonomie- und Offenlegungsverordnung hin will?

Müller: Taxonomie und Offenlegung hat auch das Ziel, dass es Transparenz schaffen soll für Verbraucher. Nach unserer Wahrnehmung passiert gerade genau das Gegenteil. Das ist wie bei Beipackzetteln von irgendwelchen Medikamenten. Das kann man lesen, und danach hat man eigentlich mehr Angst und ist diffuser als vorher, bevor man die Packung ausgepackt hat und irgendwas gelesen hat. Ich glaube, das ist im Moment auch das, was in der Bevölkerung ankommt: das Zurückrudern, das wir bei Artikel 9-Fonds gesehen haben, welche Pflichten es für die Anbieter mit sich bringt und wie herausfordernd der Umgang mit dem Thema generell ist. Ich glaube, die Auslese, die derzeit passiert, ist eine gute.

Dennoch denke ich, dass die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen und das Präsentieren von Produkten und Lösungen für den Vertrieb einer Herkulesaufgabe gleichkommt.

Müller: Es wird von vielen im Markt als Last empfunden. Wenn ich jetzt aber den Fokus auf die Vermittler lege, die unsere Produkte vertreiben, dann sind es größtenteils Überzeugungstäter. Das heißt, wir machen seit jeher sehr viele Webinare. Wir machen sehr ausgiebige Beraterschulungen, und zwar von Vertriebsseite inklusive unserer Fondsmanager und Nachhaltigkeitsresearcher, und steigen schon seit Jahren sehr tief in das Thema ein. Das führt dazu, dass ein sehr gutes Wissen, eine sehr gute Beratungsqualität bei den Vermittlern, bei den Banken und Sparkassen da ist, die unsere Produkte vertreiben.

Wenn alle so vertreiben würden, sich so intensiv um die Inhalte kümmerten und am Ende des Tages auch so überzeugt über das Thema referieren würden, dann bräuchte es auch keine Nachhaltigkeitspräferenzabfrage, weil die wesentlichen Fragen eigentlich in jedem Gespräch auf den Tisch kämen. Soweit sind wir aber bei Weitem noch nicht. Ich denke, bei Vielen ist es eben nur einfach ein Thema, was bedient wird, weil es gerade hipp ist. Und genau das macht bei uns den Unterschied aus. Das Feedback unserer Vermittler macht deutlich: Sie brennen dafür, sie finden die Inhalte super, und genau deswegen haben sie sich auch für die Ökoworld entschieden, obwohl sie möglicherweise auch große Fondshäuser im Hintergrund haben. Das spricht eine klare Sprache.

Machost: Gute Berater und Beraterinnen verkaufen ihren Kunden eigentlich nur solche Produkte, wovon denen sie selbst überzeugt sind. Und wenn dann im rahmen der Beratung auch die wichtige Frage zur Nachhaltigkeitspräferenz gestellt wird, dann ist das genau der richtige Weg und so haben wir dann auch unsere Fans.

Das Gespräch führte Frank O. Milewski, Cash.Chefredakteur

Das gesamte Interview lesen Sie in der Cash.-Ausgabe 11/2023, die am 23.9. erscheint.

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