Das Thema Risikoeinschätzung ist in der BU-Vermittlung ein überaus sensibles, denn die Prüfung des individuellen Gesundheitszustandes des Antragstellers entscheidet letztlich darüber, ob dieser eine existenzsichernde BU bekommt – gegebenenfalls mit Risikozuschlägen – oder komplett leer ausgeht, weil dem Versicherer das Risiko zu hoch erscheint.
Zwar rühmen sich die Gesellschaften, dass sie bis zu 90 Prozent der BU-Anträge mehr oder weniger problemlos policieren, doch die Minderheit der abgelehnten Fälle sorgt oftmals für Zündstoff. Betroffen sind vor allem Menschen, die vergleichsweise gesundheitsgefährdende Berufe wie Dachdecker oder Krankenpfleger ausüben.
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Fundamentalkritik an der BU
Diese für schwer versicherbare Berufsgruppen unbefriedigende Situation führt dann häufig zu einer Fundamentalkritik an der BU, die sich in etwa so zusammenfassen lässt: „Wer einen vertretbaren BU-Beitragssatz angeboten bekommt, braucht eigentlich keinen BU-Schutz, wer ihn bräuchte, bekommt ihn nicht.“
Dies sei „schlichtweg Unfug“, wehrt sich Swiss-Life-Mann Leibundgut. „Auch wenn es stimmt, dass es im Markt durchaus gravierende Prämienunterschiede gibt, gerade bei körperlich anstrengenden Berufen, so ist mir der Vorwurf, dass es für derartige Berufe gar keinen bezahlbaren Versicherungsschutz geben würde, nicht nur zu pauschal, sondern auch falsch.“
Dr. Nicola-Alexander Sittaro, Geschäftsführer beim Versicherungsmedizinischen Service Hannover (VMS Hannover), hält dagegen: „Diese Kritik ist berechtigt und betrifft im Kern die Konstruktion des Produktes BU, nämlich die Abhängigkeit vom ausgeübten Beruf.“
Selbstständige erhalten „Luxusdeckung“
So zeichne sich die Zielgruppe der Selbstständigen (Berufsgruppe A), wie etwa Ärzte, Rechtsanwälte und Architekten, gerade dadurch aus, erklärt Sittaro, dass sie bei einer 50-prozentigen Berufsunfähigkeit weiter arbeiten würde – also eigentlich nur eine Erwerbsunfähigkeitspolice (EU) gebraucht würde.
Demnach bekomme diese Berufsgruppe eine „Luxusdeckung“, sagt der BU-Experte, wohingegen die Berufsgruppe der gewerblichen Arbeitnehmer „extrem benachteiligt“ sei. „Deren Prämie bei gleicher versicherter Monatsrente liegt zwei bis dreimal über der Prämie der Berufsgruppe A“, sagt Sittaro. Deshalb sei ein ausreichender Schutz für diese Gruppe nicht erschwinglich.
„Hinzu kommt noch die große Angst der Versicherer vor den typischen Erkrankungen der gewerblichen Arbeitnehmer, nämlich Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie der Psyche“, fährt der langjährige Medizinische Direktor der Hannover Rückversicherung fort.
Seite drei: „Erhebliche Verminderung des Sozialversicherungsschutzes“