Die Halver-Kolumne
Schulden machen ist kein Privileg mehr nur der USA oder der anderen üblichen Verdächtigen. Mit einer Neuverschuldung von über 300 Milliarden Euro bis 2013 gesellt sich mittlerweile auch der langjährige Stabilitätsmusterschüler Deutschland zu diesem erlauchten Kreis.
Für uns Deutsche, die wir den Stabilitätsgedanken ja bereits mit der Muttermilch aufgenommen haben, ist dies zwar eine schmerzliche Erfahrung. Jedoch ist die ganz einfache Frage: Was ist die Alternative?
Es gibt keine, wenn ein deflationärer Konjunkturschock verhindern werden soll, der zwangsläufig auch die soziale Ruhe gefährden würde. Der Staat ist also gezwungen, solange in die Bresche zu springen, bis die Privatwirtschaft wieder von alleine laufen kann. Heute eine zu solide Finanzpolitik würde morgen nur die Krise verschärfen und dann den Staat noch mehr finanziell fordern. Von vornherein also darf sich Deflation niemals in den Köpfen festsetzen, da sie eine kaum mehr aufzuhaltende Abwärtsspirale in Gang setzt.
Im Übrigen sollte das Thema Staatsverschuldung nicht nur durch die nationale Brille betrachtet werden. Als Euro-Mitgliedsland würde eine jetzt einseitig von Deutschland verfolgte Stabilitätspolitik nicht mehr zu jenen Erfolgen führen können, die sich zur DM-Zeit noch in einer Währungsaufwertung sowie im Vergleich zu unseren Nachbarn in niedrigeren Inflationsraten und Zinsen gezeigt hätten.
Im Gegenteil, unzureichende staatliche Stützungsaktionen zum Beispiel für Industrie und Wirtschaftsinfrastruktur führten standortpolitisch zu dramatischen Wettbewerbsnachteilen gegenüber unseren internationalen Konkurrenten. Wir müssten mit der Muffe gepufft sein, wenn wir diesen Weg als große Exportnation ernsthaft ins Auge fassten.
Damit kein falscher Zungenschlag aufkommt: Stabilität ist grundsätzlich ein hohes Gut, dass nach konjunktureller Besserung wieder strikt befolgt werden muss. Aber die Schaffung von Perspektiven hat jetzt Vorrang. Denn Sparen macht niemanden satt.
Wollen wir hoffen, dass uns die neuen Schulden auch in Form von Steuerentlastungen zugute kommen. Angesichts des früher oder später zu zahlenden Preises für die Rettung der deutschen Konjunktur wäre diese Variante eines Konjunkturprogramms zumindest ein Trostpflaster.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.