Die Halver-Kolumne
Ein wenig ungläubig reibt man sich derzeit die Augen. Ist das noch das Euroland, das bis dato noch auf Geheiß der Investment-Weisen aus dem angelsächsischen Abendland kurz vor der letzten Ölung stand? Die Stimmung hat sich deutlich verbessert.
Es hat der geschundenen Euro-Seele gut getan, dass die Debütanleihe des Rettungsfonds weg ging wie warme Semmeln. Bemerkenswert ist, dass sie insbesondere bei asiatischen Investoren heiß begehrt war. Japaner und Chinesen wollen offensichtlich ein Gegengewicht zum US-Dollar und – ganz uneigennützig – auch keinen Einbruch ihrer Exportpfründe riskieren.
Absolut bleiben die Probleme in Euroland groß
Hinzu kommt eine wirtschaftliche Stabilisierung, die nicht nur in Deutschland stattfindet. Und, oh Wunder, oh Wunder, scheint sich selbst bei Politikern allmählich die Einsicht zu verbreiten, die eurozonalen Probleme anzugehen, um Euroland nicht den Finanzmärkten endgültig zum Fraß vorzuwerfen.
Sicherlich besteht bei absoluter Betrachtung Eurolands kaum Anlass, den Triumphmarsch aus der Oper Aida anzustimmen. Die Entwicklung ist hier weiter durch erhebliche Wettbewerbsdifferenzen, die Schuldenkrise und den Wegfall von Stabilitätsgrundsätzen geprägt, von denen wir mittlerweile so weit entfernt sind wie die Erde vom Neptun. Gerade der letzte Aspekt ist für uns Deutsche, bei denen das Stabilitäts-Gen zum DNA-Starterpaket gehört, mehr als betrüblich.
Relativ ist Euroland kein Schmuddelkind
Betrachten wir die Dinge jedoch durch die relative Brille, fällt es mir sehr schwer einzusehen, warum wir uns als Schmuddelkinder fühlen sollten. So hat das gesamte Euroland seit Jahren im Vergleich zu Japan, dem Vereinigten Königreich und den USA deutlich weniger Staatsneuverschuldung. Japan befindet sich zudem seit 20 Jahren mehr oder weniger in einer inländischen Perma-Rezession.
England fallen derzeit durch den Umbau seiner finanzwirtschaftlichen Monokultur einige konjunkturelle Zacken aus der Krone. Und die USA ertränken ihre Strukturprobleme mit einem geldpolitischen Stark- und Dauerregen, der bewusst Inflationierung in Kauf nimmt.
Ohnehin muss jeder Stabilitätsanhänger bei der Betrachtung der US-Verschuldung sofort unter das Sauerstoffzelt. Hinter vorgehaltener Hand wird längst davon gesprochen, dass in 30 der 50 Bundesstaaten griechische Verhältnisse herrschen. Vielleicht sollte so manche Rating-Agentur einfach einmal den Unrat im eigenen Vorgarten begutachten und aufhören, nur die Nachbarschaft mit Dreck zu bewerfen.
Natürlich kann sich Euroland nicht damit begnügen, nur relativ gut auszusehen. Aber die Tatsache, dass es so ist, sollte als hoch motivierendes Argument dienen, erst recht die Ärmel hochzukrempeln und nach vorne zu blicken. Es lohnt sich.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.
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Foto: Baader Bank