Versicherer können als Vorbild fungieren und positive Veränderung im Hinblick auf Nachhaltigkeit vorantreiben. Die nun formalisierte Einbettung des Themas in Beratungsgespräche verankert das Thema Nachhaltigkeit fest in der Kundenberatung. Bei einem Gespräch zu einer Kfz-Versicherung können Versicherer ihren Kunden nun zum Beispiel Produkte wie Telematiktarife gezielt anbieten. Diese Policen versehen sicheres – und somit sparsameres – Fahren, oder auch selteneres Fahren, mit einem finanziellen Anreiz in Form von geringeren Beiträgen.
Verbraucher offen für nachhaltige Produkte
Aber seitens der Verbraucher geht die Nachfrage und das Interesse an Nachhaltigkeit sogar über finanzielle Anreize hinaus. Eine aktuelle Studie des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) und der Technischen Universität München (TUM) hat ergeben, dass unter den Befragten 60 Prozent der Erwerbstätigen, 72 Prozent der Studierenden, Schüler und Auszubildenden, sowie 55 Prozent der Rentner, einen 5-prozentigen Preisaufschlag zu ihrer Haftpflichtversicherung befürworten, wenn diese dadurch nachhaltiger wird. Einen sogar 20-prozentigen Preisaufschlag würden unter der Bildungsgeneration 55 Prozent und den Rentnern 53 Prozent akzeptieren. Nur unter den Erwerbstätigen fällt der Wert mit 43 Prozent unter die Hälfte.
Ein ähnliches Bild erkennt man in den Daten der Umfrage von Guidewire aus dem Sommer 2022. Mehr als die Hälfte der befragten Deutschen (53 %) wäre bereit, mehr für ihre Versicherung zu zahlen, wenn dieser Aufpreis in einen Emissionsausgleich investiert wird. Nur 14 Prozent der Teilnehmer sehen Versicherer nicht in der Pflicht, sich im Kampf gegen die Klimakrise zu engagieren.
Knapp ein Drittel (31 %) wünscht sich mehr Investitionen seitens der Versicherer in Umweltschutzprojekte und nachhaltige Start-ups, ein weiteres Drittel (30 %) hofft auf Policen, die nachhaltiges Verhalten fördern. Des Weiteren finden fast ein Drittel (29 %) der Befragten, dass Versicherungen sich auf die Reparatur von beschädigtem Eigentum konzentrieren sollten, anstatt es zu ersetzen, um Abfall zu vermeiden.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Verbraucher nicht nur selbst nachhaltig handeln wollen, sondern auch Nachhaltigkeit von ihren Versicherern erwarten. Hier könnte die EU-Beratungsverordnung einen positiven Effekt auf das Image der Versicherer haben, denn nun schlagen die Versicherer aktiv nachhaltige Produkte vor.
Wissenslücken bei ESG
Ein weiterer wichtiger Punkt lässt sich in der GDV-Studie erkennen: Verbraucher sind eher bereit, einen Aufpreis für nachhaltige Produkte zu akzeptieren, wenn das Geld in „ökologische“ Unternehmen investiert wird; bei Investitionen in „ESG-konforme“ Unternehmen ist die Bereitschaft, tiefer in die Tasche zu greifen, geringer.
Eine Erklärung hierfür ist, dass die Bedeutung des Begriffes ESG für viele Verbraucher noch unklar ist – während ökologisches oder nachhaltiges Verhalten vertraute Begriffe sind. Die Versicherer sollten hier Aufklärung leisten und ihre Kunden umfassend über das Thema ESG informieren – eine gute Gelegenheit, sich mit Beratungskompetenz bei den Kunden zu positionieren.
Die EU-Verordnung zwingt Versicherer, sich mit dem steigenden Verbraucherinteresse an nachhaltigen Versicherungsprodukten auseinanderzusetzen. Doch sie sollten dies als Chance begreifen, diese Entwicklung selbst aktiv mitzugestalten und voranzutreiben. Dies könnte für Versicherer zukünftig zu einem attraktiven Alleinstellungsmerkmal werden.