In diesem Jahr gerieten die Börsen durch politische Abstimmungen bereits mehrfach unter Druck. Nach dem Italien-Referendum scheinen die Marktteilnehmer aber dazu gelernt zu haben.
Während Österreich mit der Wahl des ehemaligen Grünen-Chefs Alexander Van der Bellen zum Präsidenten noch den „Sieg der Vernunft“ feiert, haben in Italien die Populisten wie erwartet gewonnen: Die Wähler lehnten die Verfassungsreform von Ministerpräsident Renzi mit deutlicher Mehrheit ab.
„Die Märkte werden diesen Ausgang verschmerzen. Sie haben aus den politischen Wendungen, die das Jahr 2016 bislang brachte, gelernt“, sagt Dr. Heinz-Werner Rapp, Vorstand und Chief Investment Officer von Feri. Das negative Italien-Votum sei schon im Vorfeld antizipiert und quasi „eingepreist“ gewesen: Aktienmarkt und Staatsanleihen zeigten in den vergangenen Wochen ausgeprägte Schwächen, die Risiko-Spreads seien bereits seit August deutlich angestiegen, und auch der Euro habe zuletzt deutlich abgewertet.
Feri rechnet deshalb damit, dass negative Marktreaktionen nach dem Italien-Referendum nur kurzfristig anhalten und nicht sehr stark ausfallen werden. Danach könnten Gegenbewegungen und sogar leichte Markterholungen eintreten, da im Vorfeld bereits umfangreiche Leerverkäufe gegen Italien getätigt wurden. „Jetzt werden diese Positionen wieder eingedeckt, was den Euro und italienische Staatsanleihen kurzfristig stabilisieren dürfte“, so Rapp.
Während der Brexit für die Finanzmärkte noch völlig überraschend kam und zunächst zu starken Verwerfungen führte, trat nach dem Wahlsieg von Donald Trump der allgemein erwartete Absturz der Märkte erst gar nicht ein. „Das Reaktionsmuster der Kapitalmärkte hat sich grundlegend gewandelt“, so Rapp.
Was die Märkte jedoch längerfristig beschäftigen dürfte, ist die Frage, wie es in Italien nach dem Referendum weiter geht. Die wirtschaftliche Lage ist schlecht, und vielfach herrschen Wut und Perspektivlosigkeit. Ein Vormarsch EU-kritischer Kräfte ist vorprogrammiert, und Italien könnte politisch zerfallen.
„Genau wie andere Teile Europas bewegt sich Italien auf einem gefährlichen Pfad, der den Zerfall des Euro immer wahrscheinlicher macht“, sagt Rapp. Strategische Investoren sollten dieses Szenario bereits heute ernst nehmen und sich entsprechend vorbereiten. (tr)
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