Sie haben im August ihr neuestes Fondspolicen-Nachhaltigkeitsrating veröffentlicht. Was sind die wesentlichen Erkenntnisse?
Kick: In der Breite können sich Anleger mit Nachhaltigkeitsfokus über ein großes Angebot nachhaltiger Fonds in den Fondsuniversen der Versicherer freuen. Die „Sprünge“ in den Vorjahren beobachten wir allerdings nicht mehr, sowohl in Puncto Qualität, als auch in Puncto Quantität. Es scheint eine gewisse Stagnation eingesetzt zu haben.
Wie aufwändig ist die Beratung bei nachhaltigen Fondspolicen?
Kick: Die Beratung ist komplexer als bei nicht nachhaltigen Fondspolicen. Das liegt daran, dass neben den bisherigen Gesprächsinhalten Nachhaltigkeitsthemen zusätzlich erläutert werden müssen. Darüber hinaus erschwert es die Komplexität der Regulierung ein zielorientiertes Beratungsgespräch zu führen. Die mit der Änderung der Delegierten Verordnung 2017/2359 zum 02.08.2022 eingeführte Terminologie der Nachhaltigkeitspräferenzen ist sowohl für Kunden, als auch für Berater ungewohnt und schwer vermittelbar. Auch ein Gewöhnungseffekt dürfte diesbezüglich nicht einsetzen. Hoffnung macht, dass der Regulator seinen Fehler offenbar erkannt hat und die Transparenzverordnung einer Konsultation unterzogen hat.
Unter dem Titel „Das geht einfacher und wirksamer“ hat die BaFin jüngst einen Vorschlag gemacht, der dahingeht, dass drei Produktkategorien geschaffen werden: Produkte die ein nachhaltiges Ziel verfolgen; Produkte die die Transition unterstützen; sowie Produkte die auf Ausschlüssen basieren. Aus unserer Sicht ist es erfreulich, dass der regulatorische Trend aktuell hin zu mehr Einfachheit und einer höheren Effektivität geht.
Und wie steht es um die Nachhaltigkeit der Produkte und Produktentwicklungsprozesse? Wo sehen Sie die großen Herausforderungen für die Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit?
Kick: Die Branche hat sich mehr vom Thema Nachhaltigkeit erhofft. Der vertriebliche Erfolg blieb zunächst aus. Wir sind dennoch davon überzeugt, dass Nachhaltige Geldanlagen eine zentrale Rolle gerade bei langfristigen Anlagen wie der Altersvorsorge spielen sollten. Die große Herausforderung besteht darin mögliche Vorurteile im Vertrieb abzubauen, die Chancen zu kommunizieren und einen Weg aufzuzeigen, wie man Nachhaltige Geldanlagen effizient beraten kann, trotz der regulatorischen Hürden. Übrigens bietet das IVFP bietet hierzu ein 2-tägiges Seminar an, um genau diese Themen zu adressieren.
Wie gut ist das nachhaltige Angebotsspektrum der Lebensversicherer beim Thema private Altersvorsorge? Und wie steht es mit der nachhaltigen Produktausrichtung in der bAV?
Kick: Im Vergleich zum Vorjahr eher Stagnation; Im Vergleich zu unserem ersten Rating in diesem Bereich eine deutliche Verbesserung. Grundsätzlich gilt das auch für bAV-Tarife in denen eine freie Fondsauswahl möglich ist, da sich die Fondspaletten mit den pAV-Tarifen stark überdecken.
Gerade in der bAV ist ein großer Teil des Geldes allerdings im Sicherungsvermögen angelegt. Hier argumentieren wir, dass Versicherer die es ernst mit der nachhaltigen Transformation meinen gerade auch ambitioniert an einer Umstrukturierung der Sicherungsvermögen arbeiten. Das heißt, jeder neue Euro der in das Sicherungsvermögen eines ambitionierten Versicherers fließt, landet mit hoher Wahrscheinlichkeit in Nachhaltigen Anlagen. Welche Versicherer hier besonders ambitioniert sind, zeigt unser Nachhaltigkeitskomptenz Rating.
Wie gut lassen sich die am Markt angeboten Tarif vergleichen, also wie gut die nachhaltigen Kriterien überprüfen?
Kick: Das Problem das vermutlich jeder im Markt hat, ist es qualitativ hochwertige ESG-Daten zu den Fonds zu bekommen. Wir fahren hier einen zweigleisigen Ansatz und erheben EET-Daten sowohl über die Versicherer, als auch bei den Fondsanbietern direkt selbst. Die Datenlage bessert sich zwar, ist aber immer noch nicht optimal. Das ist aber auch nachvollziehbar, da Investmentfonds die außerhalb Europas investieren dort nach unseren Standards die Daten erheben müssten, was eine große Herausforderung ist.
Es wird sich zeigen, ob die Europäische Lieferkettenrichtlinie und die EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung die Datenverfügbarkeit verbessert. Das wird allerdings ein Prozess sein, der noch Jahre dauern kann bis diese Daten tatsächlich zur Verfügung stehen. Entsprechend werden sich auch unsere Ratingkriterien weiterentwickeln. Mit dieser Problematik sind alle Produkte konfrontiert.
Welchen Stellenwert spielen Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien beim Vertrieb und den Kunden? Denn dort, so hören wir immer wieder, läuft es keineswegs rund. Wo liegen hier die Hürden und wo braucht es Nachbesserungen?
Kick: Die Hürden im Vertrieb haben Christian Klein et al. von der Uni Kassel im Teilbericht „Nachfrage nach grünen Finanzprodukten“ (Umweltbundesamt, 2023) untersucht. Wichtige Barrieren auf Seiten der Privatkunden sind demnach: Fehlende Beratung, Misstrauen hinsichtlich der nachhaltigen Wirkung, das Vorurteil auf Rendite verzichten zu müssen und eine allgemeine Risikoaversion, ein typisch deutsches Phänomen.
Wichtige Barrieren auf Seiten der Berater sind: Fehlendes Kundeninteresse, Misstrauen hinsichtlich der nachhaltigen Wirkung, ein höherer Beratungsaufwand, Unsicherheiten im Umgang mit der „neuen“ Materie. Aus unserer Sicht braucht es mehr finanzielle Bildung in diesem Bereich. Außerdem sollten all diejenigen die positiven Erfahrungen im Vertrieb mit diesen Produkten gemacht haben, diese auch offensiv kommunizieren. Geschichten bleiben eher im Kopf, als abstrakte Rechenbeispiele.
Beispielsweise gibt es Untersuchungen, dass Anleger Nachhaltige Geldanlagen durchaus schätzen beziehungsweise auch treuere Kunden in dem Sinne sind. Solche Erkenntnisse gilt es breit zu kommunizieren und in den Köpfen im Vertrieb zu verankern. Auf unseren Markt übertragen würde das bedeuten, das Nachhaltige Anleger im Durchschnitt höhere Beiträge sparen und gleichzeitig einen geringeren Storno aufweisen. Hier fehlt allerdings eine aussagekräftige Untersuchung.
Nachhaltigkeit ist ein Megatrend. Gleichzeitig befürchtet das FNG politische Anti-ESG-Tendenzen. Mit negativen Folgen für die Entwicklung nachhaltiger Geldanlagen? Teilen Sie die Befürchtung. Was erwarten Sie für 2025?
Kick: Wir teilen eine ähnliche Sorge. Die Tonalität in der Politik hat sich deutlich verändert. Jüngst konnten Parteien Wahlerfolge erringen, die in puncto Nachhaltigkeit kein Konzept haben oder sogar aktiv ablehnen. Darüber hinaus haben unserer Einschätzung nach die multiplen Krisen der letzten Jahre zu einer gewissen Ermüdung geführt. Wir sehen das aber eher als ein temporäres Phänomen. Mittel- und langfristig führt an Nachhaltigkeit kein Weg vorbei.
Es gibt gute Gründe Geld nachhaltig anzulegen und die Mittelzuflüsse in nachhaltige Investmentfonds sprechen eine eindeutige Sprache. Ob sich diese Erkenntnisse im LV-Vertrieb allerdings bereits 2025 durchsetzen werden bleibt abzuwarten. Darüber hinaus bleibt zu hoffen, dass aus der Konsultation zur Transparenzverordnung die richtigen Schlüsse gezogen werden und es eine Vereinfachung in der Beratung solcher Produkte gibt. Mit der aktuellen Regulatorik hat man tatsächlich eher das Gegenteil dessen erreicht, was man eigentlich erreichen wollte, nämlich die Geldmittelflüsse in nachhaltige Bahnen zu lenken.