Das Versicherungsjahr 2022 – Ein Jahr voller Wendepunkte

Entspannung bei Zinszusatzreserve

Für die Lebensversicherer bringt der Schwenk an den Zinsmärkten erst einmal Entspannung. Die Unternehmen mussten wegen der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt seit 2011 große Zinspuffer für die Garantiezinsen der Kunden aufbauen. Dieser Kapitalpuffer dürfte in 2022 sinken – erstmals seit seiner Etablierung vor elf Jahren. „Die Zinszusatzreserve betrug zum Jahresende 2021 rund 96 Milliarden Euro“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „In diesem Jahr wird sie voraussichtlich um etwa drei Milliarden Euro auf rund 93 Milliarden Euro zurückgehen.“ Anbetracht des stabilen oder steigenden Referenzzinses können die Unternehmen ihre gebildete Zinszusatzreserve erstmals auflösen.

Die Entwicklung hat Folgen für die klassische Lebensversicherung. Seit Ende November geben die Lebensversicherer die Überschussbeteiligungen für 2023 bekannt. Und erstmals erhöhen seit beinahe einem Jahrzehnt erhöhen nun Anbieter wieder die Überschussbeteiligungen. Andererseits wird sich an der Höhe des Höchstrechnungszinses, der zum 1. Januar 2022 auf 0,25 Prozentpunkte abgesenkt wurde, auch in den kommenden Jahren nichts ändern.

Denn Anfang Dezember 2022 die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) dem Bundesfinanzministerium und der BaFin empfohlen, den Garantiezins, der zum Jahresbeginn 2022 auf den historischen Tiefststand von 0,25 Prozentpunkte gesenkt worden war, bis 2024 hinaus bei 0,25 Prozentpunkten zu belassen.

Wird die Altersvorsorge mal wieder in die Zukunft vertagt?

Welche Folgen der Ukraine-Krieg, massiv steigende Energiepreise und die hohen Inflationsraten mit einhergehendem Kaufkraftverlust auf das private Versicherungsgeschäft haben werden, lässt sich auch zum Jahresende schwer einschätzen. Im Sommer ging der GDV davon aus, dass die Folgen des Krieges das Beitragswachstum dämpfen dürften. Gleichwohl erwartete die Branche noch ein Beitragsplus von gut 2,5 Prozent. Inzwischen hat der Krieg aber zu einem deutlicheren Stimmungseinbruch bei den Versicherern geführt. „Für das Jahr 2023 erwarten wir 1,9 Prozent nominales Beitragswachstum über alle Sparten hinweg“, sagte Asmussen im Herbst 2022.

Während es auch 2023 voraussichtlich weiterhin Beitragszuwächse in den Sparten Schaden- und Unfallversicherung sowie private Krankenversicherung gebe, dämpft die konjunkturelle Unsicherheit laut Asmussen besonders die Erwartungen der Lebensversicherer. Angesichts stark steigender Preise müssten viele Verbraucher genauer hinsehen, wofür sie ihr Geld ausgeben. „Langfristige Vorsorge und Absicherung werden in Krisenzeiten tendenziell in die Zukunft vertagt“, so der GDV-Geschäftsführer.

Zum Jahresende hin ist die Stimmung bei den Lebensversicherern sogar noch weiter in den Keller gerutscht. Das zeigte der vom GDV Anfang Dezember veröffentlichte Ifo-Konjunkturindex Versicherungswirtschaft. Danach liegt der Anteil der Versicherer, die ihre Geschäftslage als gut einschätzen, bei nur noch fünf Prozent. Der Wert ist vergleichbar mit den Einschätzungen während der Finanzkrise im ersten Quartal 2009 und der Corona-Pandemie im zweiten Quartal 2020. Keine guten Aussichten für 2022.

Wo setzen die Kunden den Rotstift an?

Gleichwohl zeigt eine Umfrage von Canada Life unter 2.500 Bundesbürgern, dass die Deutschen bei der Altersvorsorge eher nicht sparen wollen. So wollen 55 Prozent bevorzugt größere Anschaffungen wie Autos oder Möbel streichen. 44 Prozent würden auf Urlaube oder Reisen verzichten und 26 Prozent bei den Freizeitausgaben sparen.

Bei den Versicherungen würden hingegen gerade einmal jeder zehnte den Rotstift ansetzen. Das größte Einsparpotenzial sehen die Befragten noch bei den Sachversicherungen. Immerhin 57 Prozent wollen oder werden hier Verträge zur Disposition stellen. Bei der Risikoabsicherung sind es 49 Prozent und der privaten Altersvorsorge 42 Prozent. Wird gezielt nach der Lebens- oder Rentenversicherung gefragt, sehen die Antworten etwas anders aus. Gerade einmal vier Prozent haben wegen finanzieller Probleme ihre Versicherung gekündigt, drei Prozent erwägen eine Kündigung und ein Prozent hat seinen Vertrag beitragsfrei gestellt und 28 Prozent hatten keine Lebens- und Rentenversicherung abgeschlossen. Immerhin zwei Drittel führen ihre Verträge weiter.

„Die Inflation zwingt viele Menschen dazu, den Gürtel enger zu schnallen. Doch ist es in dieser Situation erfreulich, dass sie Lebens- und Rentenversicherungen nicht als Einsparoptionen ansehen, sondern sie weiterführen. Angesichts der aktuellen Entwicklungen verlieren die Menschen in Deutschland ihre Zukunft und finanzielle Vorsorge nicht aus den Augen“, sagt Dr. Igor Radovic, Direktor Produkt- und Vertriebsmanagement bei Canada Life.

Keine neuen Umsatzrekorde

Allerdings lassen die Entwicklungen auch keine neuen Umsatzrekorde in der Lebensversicherung erwarten. Der GDV schätzt, dass das nominale Beitragswachstum in der Lebensversicherung in 2023 auf 0,2 Prozent abschwächen dürfte. Sollte sich die Preisentwicklung beruhigen und die Konjunktur stabilisieren, sei auch ein Plus von bis zu 1,3 Prozent möglich. Für das auslaufende Jahr schraubte der Verband seine Prognose auf einen Beitragszuwachs von 0,6 Prozent in der Lebenssparte herunter.

Damit bleiben die Branche aber immer noch etwas optimistischer als Analysten der Ratingagentur Assekurata, Köln. Die erwartet bei der Vorstellung des Marktausblicks Lebensversicherungen im Juni 2022 für das Jahr 2022 bereits ein Minus von einem Prozent beim Prämienbestand in der Lebensversicherung.

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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