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Jahreswechsel: So wird 2025 für den Finanzvertrieb

Foto: Fondsfinanz/Andreas Pohlmann Fotografie
Norbert Porazik, Fondsfinanz: "Fokus auf Digitalisierung, Automatisierung, Künstliche Intelligenz."

Provisionsverbot ja oder nein. Rentenreform oder doch nicht. Allgemeine Verunsicherung oder neue Stabilität. Und die KI-Revolution. Was erwartet der Versicherungs- und Finanzvertrieb im neuen Jahr? Und was erwartet ihn?

Selten waren die Rahmenbedingungen für ein neues Jahr so schwer einzuschätzen wie zum Jahreswechsel 2024/2025: Deutschland steckt tief in einer Wirtschaftskrise, fast täglich gibt es neue Hiobsbotschaften, die Regierung ist zerbrochen. Welche neue politische Konstellation die Neuwahl des Bundestags im Februar bringen wird und ob sie eine stabile Mehrheit oder doch wieder nur Unsicherheit und Gezänk nach sich zieht, steht in den Sternen. 


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In den USA tritt am 20. Januar zudem ein Präsident das Amt an, dessen Poltik nach dem Motto „America First“ und die Folgen für Europa kaum vorhersehbar sind, aber mit Sicherheit spürbar sein werden. Und in der Ukraine ist weiterhin Krieg mit ungewissem Ausgang. Niemand weiß heute, wie tief Europa noch in den Konflikt hineingezogen wird – oder ob er vielleicht doch bald zumindest vorerst zu einem Stillstand gebracht werden kann.

All das wird auch den Finanzmarkt tangieren. Für Makler kommt eine weitere Unsicherheit hinzu, die das Potential hat, ihr Geschäftsmodell auf den Kopf zu stellen: Die Entscheidung im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy, kurz RIS) über ein Provisionsverbot bei Versicherungsanlageprodukten. Eigentlich schien dieses Thema schon lange vom Tisch zu sein, nachdem sich im Juni nach dem EU-Parlament auch der EU-Ministerrat dagegen ausgesprochen hatte. Doch nun werden die Karten womöglich neu gemischt. 

Finanzminister: SPD statt FDP

Zum ersten wurde nach der Europawahl die EU-Kommission neu besetzt und erst Ende November vom Parlament bestätigt. Anders als zunächst angenommen kam der „Trilog“, also der Dreier-Dialog zwischen EU-Kommission, -Parlament und -Kommission, im zweiten Halbjahr nicht in Gang und die Position der neuen EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Maria Luís Albuquerque aus Portugal, zu dem Thema ist noch immer nicht bekannt. 

Zum zweiten wird Deutschland nach dem Aus der rot-grün-gelben Regierung im Trilog nun nicht mehr von Christian Lindner (FDP) als Finanzminister vertreten, sondern von dessen Nachfolger Jörg Kukies. Dieser ist zwar nicht gerade als linker Hardliner bekannt, ist aber doch Mitglied der SPD und gilt als enger Vertrauter von Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD).

„Trilog“ zum Provisionsverbot im Q1

Kukies war zuvor Staatssekretär im Bundeskanzleramt und davor bis Ende 2021 unter dem damaligen Finanzminister Scholz Staatssekretär im Finanzministerium sowie Verwaltungsratsvorsitzender der Finanzaufsicht BaFin. In dieser Funktion hatte er sich zumindest für einen Provisionsdeckel stark gemacht. Kukies bleibt auch nach der vorgezogenen Bundestagswahl geschäftsführend im Amt, bis sich eine neue Regierung gebildet hat und die Position neu besetzt wird. 

Das kann dauern und wird wohl nicht vor Abschluss des Trilogs passieren – jedenfalls dann nicht, wenn dieser wie vom Vermittlerverband AfW erwartet im ersten Quartal 2025 abgeschlossen wird. Ob Kukies die Unverforenheit besitzt, das ihm nur durch das Scheitern der Regierung unverhofft zugefallene Amt für den Versuch zu nutzen, im Trilog noch SPD-Positionen durchzusetzen, bleibt abzuwarten. Doch ausgeschlossen ist es nicht, zumal auch die neue EU-Finanzkommissarin Albuquerque eben noch nicht wirklich einzuschätzen ist. 

„Zitterpartie für die Vermittlerschaft“

So orakelte Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbands deutscher Versicherungskaufleute (BVK) nach dem Ampel-Aus und der Kukies-Ernennung Anfang November: „Im Hinblick auf die Diskussion zu Provisionsbeschränkungen könnte diese Konstellation in den nächsten Monaten eine Zitterpartie für die Vermittlerschaft in Deutschland bedeuten.“

AfW-Vorstand Frank Rottenbacher hingegen teilt diese Meinung nicht, sagte er Mitte November im Cash. “300-Sekunden“-Interview. Kukies werde andere Dinge zu tun haben und die Rumpf-Ampel habe dafür keine parlamentarische Mehrheit, so Rottenbacher. 

Allerdings: Ein Bundesminister muss bei seinem Abstimmungsverhalten in Brüssel einen Bundestagsbeschluss laut Gesetz zwar berücksichtigen, er ist aber nicht in jedem Fall daran gebunden, jedenfalls nicht juristisch. Politisch wäre das indes ein übles Foul und selbst bei einem Alleingang des Not-Finanzministers wäre keinesfalls sicher, dass er sich in der EU durchsetzen könnte.

Provisionsverbot weiter unwahrscheinlich

Schließlich enthalten die drei unterschiedlichen Entwürfe von Kommission, Parlament und Rat „jeweils keine Forderung nach einem Provisionsverbot, so dass es keinen Anlass gibt, dieses noch einmal auf die Tagesordnung zu holen“, wie Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Verbands Votum, im Oktober gegenüber Cash. betonte.

Auch habe die Europawahl keine Stärkung der sozialdemokratischen oder der Grünen Fraktion im Parlament ergeben, so dass es weiterhin keine Mehrheiten für ein Provisionsverbot gebe. Daran hat sich nichts geändert. Trotz etwas größerer Unsicherheit bleibt es also sehr unwahrscheinlich, dass die EU-Kleinanlegerstrategie am Ende ein Provisionsverbot enthält.

Allerdings: Die RIS, die in jedem Mitgliedstaat zwingend in nationales Recht umgesetzt werden muss, wird vielfach erst durch Detailvorschriften konkretisiert, die von den EU-Institutionen erlassen werden. Auch dort können noch unangenehme Überraschungen warten. Es gelte darauf zu achten, „dass die Ermächtigungen der EU-Kommission zu Level 2 Maßnahmen nicht überhandnehmen und die Kommission zu Maßnahmen berechtigen, die ein faktisches Provisionsverbot zum Ergebnis haben“, warnte Votum-Chef Klein.

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