Jamaika durch Hurrikan Horst bedroht

Das nennt man wohl eine politische Zeitenwende: Zukünftig sitzen sechs Fraktionen und sieben Parteien im Bundestag. Die Volksparteien sind schwach wie nie. Die SPD will eine dritte großkoalitionäre Schrumpfungskur, die ihr Ende als Volkspartei besiegeln würde, vermeiden und geht in die Polit-Reha. Ist Opposition doch nicht immer Mist? Die Halver-Kolumne

Robert Halver, Baader Bank
Robert Halver, Baader Bank: „Staatspolitische Pflicht, eine Jamaika-Koalition in überschaubarer Zeit zu bilden.“

Damit geht als Regierungsbündnis offenbar nur noch eine Jamaika-Koalition aus Schwarz, Gelb und Grün. Bei Jamaika denkt man zunächst an karibisches Lebensgefühl. Bundespolitisch könnte es aber auch Ähnlichkeiten mit Sibirien haben. Das erste Mal seit den 50er-Jahren aus drei Fraktionen und vier Parteien ein für alle Beteiligten bekömmliches Bündnis aus Wertkonservatismus, Umweltschutz, Wirtschaftsliberalismus und Bestandsschutz zu schmieden, scheint extrem problematisch zu sein. Es ist ähnlich schwierig, wie aus vier unterschiedlichen Obstsorten eine wohlschmeckende Vierfruchtmarmelade zu kochen, ohne dass die Erdbeeren dominieren oder die Aprikosen unterdrückt werden. Die inhaltlichen Positionen von FDP und Grünen liegen in Wirtschafts- und Ökologiefragen geschmacklich weit auseinander.

Und Verbindungen von Grünen und der CSU – also traditionellen politischen Erzfeinden – galten bislang sogar als komplette politische Geschmacksverirrungen. Allerdings werden auch die zickigen Konflikte zwischen den Unions-Schwestern nichts Wohlschmeckendes haben.

Ohnehin wäre es für die CSU dramatisch, wenn Jamaika in Berlin von den bayerischen Wählern als Blaupause für die 2018 stattfindende Landtagswahl im Freistaat „missverstanden“ würde. Ohne absolute Mehrheit ist die CSU auf Bundesebene wie ein Löwe ohne Zähne. Das Intermezzo einer Koalition mit der FDP zwischen 2008 und 2013 hatte ihr bereits gereicht. Und da sie bei der Bundestagswahl unter 40 Prozent Zweitstimmenanteil in Bayern gefallen ist, wird sie zur Betonung ihres Markenkerns vorbeugend auf klaren Konfrontationskurs mit den Grünen und der FDP gehen.

Die Lindner-FDP ist aufmüpfig wie das kleine gallische Dorf bei Asterix und Obelix

Jamaika droht auch in puncto Europa-Politik ein Konflikt, konkret zwischen Union und FDP. Der französische Staatspräsident Macron hat derzeit hohes Machtpotenzial, das er vor den Europawahlen 2019 für seine Eurovision nutzen will. Gegen eine verstärkte Europäische Integration ist zwar überhaupt nichts einzuwenden. Aber es darf kein Trojanisches Pferd sein, in dessen Inneren die Vergemeinschaftung nationaler Schulden, Bankeinlagen- und Arbeitslosenversicherungen und ein mit dickem eigenem Budget ausgestatteter, überspendabler Euro-Finanzminister stecken.

Hier will die FDP statt auf quasi-sozialistische Umverteilung und Kaputtverwaltung auf Euro-gemeinschaftliche Strukturreformen setzen, um Europa wieder als Investitionsstandort attraktiv zu machen. Zu dieser Zielerreichung will die Lindner-FDP der CDU den Posten des Bundesfinanzministers wegnehmen. Denn nur dieses Ministeramt steht auf Augenhöhe mit der Bundeskanzlerin. Stunk in diesem früheren politischen Dream Team ist vorprogrammiert.

Seite zwei: Merkel als Sozialarbeiterin, die „Verhaltensauffällige“ bändigen muss

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