Über Jahrzehnte sei der japanische Aktienmarkt von Deflation und strukturellen Ineffizienzen ausgebremst worden. „Darauf ist eine längere bemerkenswerte Transformationsphase gefolgt: mit einer Reform des Corporate Governance-Systems, einem strukturellen Wandel in den Unternehmensbilanzen und wachsender Investitionsbereitschaft. Als Folge dessen sehen wir heute ein günstiges Umfeld für Investoren“, so der Experte.
Corporate Governance: Ein Wendepunkt
Die Reformen der Tokyo Stock Exchange (TSE) im Januar 2023 beschleunigten laut Kim die Verbesserung der Corporate Governance japanischer Unternehmen. Diese würden seither Maßnahmen umsetzen, die die Kapitalrendite optimieren und den Fokus stärker auf Aktionärswerte legen sollen. Ein Beispiel dafür sei Toyota, Japans größter Konzern, der sich aktiv von Überkreuzbeteiligungen getrennt und eine Eigenkapitalrendite (ROE) von 20 Prozent als nachhaltiges Ziel ausgerufen habe. Diese neuen Entwicklungen würden sich auch in der Rekordzahl angekündigter Aktienrückkäufe widerspiegeln, die im Jahr 2024 etwa doppelt so hoch gewesen sei wie im Vorjahr.
M&A-Aktivität und internationale Expansion
Ein weiteres Zeichen des Wandels sei die gestiegene M&A-Aktivität. Der kanadische Einzelhandelskonzern Couche-Tard habe ein Übernahmeangebot für Seven & I Holdings abgegeben, den weltweit größten Betreiber von Convenience Stores. Die Reaktion darauf sei bemerkenswert gewesen, so der Portfolio Manager: „Im Gegenzug organisierte die Ito-Familie, eine der reichsten und einflussreichsten Familien Japans, ein Gegenangebot mit Unterstützung großer US-amerikanischer Private-Equity-Investoren. Dies zeigt, dass japanische Unternehmen zunehmend bereit sind, ihre strategische Position zu verteidigen oder offensiv auszubauen.“
Parallel dazu hätten japanische Firmen ihre internationale Präsenz verstärkt. Ein Beispiel dazu nennt Kim auch: „Sekisui House hat eine milliardenschwere Akquisition in den USA getätigt und rückt damit in die Top Ten der US-Wohnungsbauunternehmen auf.“
Von Deflation zu Inflation: Eine neue Ära
Jahrzehntelang habe die anhaltende Deflation in Japan das Konsumverhalten und die Unternehmensstrategien geprägt. Doch dieser Trend kehre sich um. Steigende Löhne und eine höhere Inflation würden dazu führen, dass Unternehmen Preissetzungsmacht erlangten. „Ein Beispiel ist Nippon Steel, dessen inländische Margen inzwischen höher sind als die des globalen Wettbewerbers ArcelorMittal“, so der Experte.
Auch Privatanleger in Japan würden sich anpassen: Durch die Reform des NISA-Sparprogramms hätten sich die steuerbegünstigten Investitionsmöglichkeiten verdreifacht. Dies habe bereits zu einem sprunghaften Anstieg der Kapitalflüsse in Aktien geführt, insbesondere in inländische Werte.
Langfristige Chancen für Anleger
„Investoren sollten sich nicht zu sehr auf kurzfristige Makrotrends konzentrieren“, empfiehlt June-Yon Kim. Die strukturellen Veränderungen in Japan böten langfristig attraktive Möglichkeiten. „Mit steigenden Unternehmensgewinnen, verbesserten Kapitalstrukturen und einem verstärkten Fokus auf Shareholder-Value hat der japanische Markt das Potenzial, in den kommenden Jahren überdurchschnittliche Renditen zu liefern“, urteilt Kim.
Lange wäre Japan in vielen Portfolios untergewichtet gewesen. Doch mit dem Wandel hin zu höherer Profitabilität und einer stärkeren Aktionärsorientierung könnte sich dies grundlegend ändern, glaubt Kim: „Die Kombination aus verbesserten Unternehmenspraktiken und attraktiven Bewertungen macht japanische Aktien zu einer der spannendsten Anlagechancen der kommenden Jahre.“