Börsenexperte Jesper Koll von WisdomTree hat die Situation am japanischen Aktienmarkt zusammengefasst und ist derzeit sehr positiv gestimmt.
Für Anleger stehen die Ampeln an den japanischen Aktienmärkten auf Grün. „Der japanische Aktienmarkt bietet für Investoren derzeit ein grossartiges Einstiegsszenario“ sagt Jesper Koll, der Japan-Chef des ETF-Anbieters WisdomTree. Diese Einschätzung rechtfertigt Koll mit einer Reihe von positiven Faktoren.
In den vergangenen neun Monaten gingen die Gewinne um fünf Prozent zurück. Jetzt scheint die Zeit für eine Kehrtwende gekommen. „Es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Revision der Gewinnschätzungen“, sagt Koll. Grund: Die japanischen Unternehmen haben ihre Schätzungen für das Umsatzwachstum sehr defensiv gehalten. Zudem rechnen Firmen im Schnitt sehr konservativ mit einem Dollar-Yen Kurs von 100 bis 102. Löst sich die Spannung bei den US-Wahlen, dürfte sich dieses Niveau als deutlich zu hoch erweisen. Vor den US-Wahlen belaste die Angst vor Trump, dem steigenden Protektionismus und der Gefahr eines Handelskrieges mit den USA die japanische Börse.
Erster Besuch bei Trump
Doch laut Koll könnte sich die Wahl Donald Trumps sogar positiv für Japan auswirken. Die Abe-Regierung ist sehr eng mit der Republikanischen Partei in den USA verbunden. Bereits im September 2013 – nicht einmal ein Jahr nach der Regierungsübernahme – erhielt Premierminister Abe als erster Nicht-US-Bürger vom konservativen Hudson Institute den Herman Kahn Award. Das Abe-Team sicherte sich als erste Regierung einen Termin für ein Treffen mit dem designierten Präsidenten. Obwohl keine Details an die Öffentlichkeit gerieten, dürfte dieses ersten Zusammentreffens von Staatschefs zweier weltweit führender Nationen zahlreiche Vorteilen bringen:
Abe-Team könnte Trump auf einfache Weise in eine vorteilhafte Position bringen, indem man von Japan finanzierte, jedoch in den USA realisierte Infrastrukturprojekte offeriert. Die Palette reicht hier von „Shinkansen“-Hochgeschwindigkeitszügen über hochmoderne Logistikzentren und Hafenanlagen und intelligente, passagierfreundliche Flughäfen bis hin zu höchst effizienten Entsalzungsanlagen. Die Tatsache dass der japanische Premierminister als erster die Initiative ergreift, deutet auf den starken Wunsch Japans hin, in der Zukunft der Vereinigten Staaten eine wesentliche Rolle zu spielen.
China wird zum Rückenwind
Abgesehen von den USA beginne sich die Nachfrage nach japanischen Gütern und Dienstleistungen aus China, dem grössten Handelspartners der japanischen Unternehmen, zu beleben. „Damit wandelt sich China für Japan vom Gegenwind zum Rückenwind“, sagt Koll. Erstmals seit zweieinhalb Jahren gebe es anhaltendes Wachstum bei den Bestellungen. Firmen wie Komatsu berichten seit fünf Monaten über steigende Order-Zahlen aus China. Die Volksrepublik verfolge genau dieselbe Politik wie Japan und versuche die Wirtschaft durch verschiedene Ausgabenprogramme wieder zu beleben.
Positiv für die Entwicklung der Aktienkurse wirkt sich das anhaltende Wachstum der Aktien-Rückkäufe aus. YTD wurden an der japanischen Börse Aktien im Wert von fünf Billionen Yen zurück gekauft. Erstmals in der Geschichte steigern die Firmen die Rückkäufe obwohl die Gewinne zurück gegangen sind. Für Koll ein klares Zeichen für die sich weiterhin verbessernde Corporate Governance der japanischen Firmen. Auch das erhöhe für Investoren die Anziehungskraft der in japanische Aktien.
Versicherungen und Pensionskassen decken sich ein
Angezogen fühlen sich schon die Pensionskassen und Versicherungen. Die haben über die vergangenen zwölf Monate unter dem Strich Aktien im Wert von 3 Billionen Yen gekauft. Laut Koll werden es in den nächsten zwölf Monaten weitere Wertpapiere im Ausmass von 4 bis 4.5 Billionen Yen sein. Um ihre Rendite-Ziele zu erreichen, sind sie gezwungen von den Anleihen- auf die Aktienmärkte zu wechseln. Liegt die Rendite auf den japanischen Staatsanleihen-Märkten bei Null, wechseln Topix-Aktien im Schnitt mit einer Dividendenredite von 210 Basispunkten die Besitzer. Bei Finanz-Werten liegt die Dividendenrendite im Schnitt bei rund vier Prozent.
Die japanische Notenbank sorgt dafür, dass Anleihen nach wie vor unattraktiv bleiben. Sie hat die Zinsen der zehnjährigen Bonds bei Null Prozent (Yield) verankert. „Das darf auf keinen Fall als Zeichen für ein beginnendes Tapering missverstanden werden, sondern ganz im Gegenteil“, sagt Koll. Japan habe nach wie vor eine der flachsten Zinskurven der Welt. Komme es zu Aufwärtsdruck werde die BoJ mit „beharrlichen Käufen “ reagieren. Insgesamt habe die Wahrscheinlichkeit für eine Abwertung des Yens zugenommen. Für die exportlastige japanische Wirtschaft sind das gute Nachrichten.
Ausgabenprogramm pusht BIP um ein Prozent
Auch die japanische Regierung versucht die Wirtschaft in Gang zu bringen. Die Fiskal-Politik wandelt sich von einer Belastung zur Stütze der Wirtschaft. Ein Ausgabenprogramm mit einem Volumen von 28 Billionen Yen geht über die nächsten drei Jahre über die Bühne. „Der Einfluss dieses Programms auf das BIP-Wachstum dürfte bis zu ein Prozent gross sein“, prognostiziert Koll. In den nächsten drei bis sechs Monaten soll sich der Wirksamkeit des Stimulus-Programms laut Koll bereits bemerkbar machen. Ein Drittel erfolge über Infrastruktur-Ausgaben (Wiederaufbau Erdbeben), ein Drittel über Steuersenkungen um die Frauen wieder in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Beim letzten Drittel wird das durch den ehemaligen Fed-Chef Ben Bernanke zur Berühmtheit gelangte Helikopter-Geld über Japan abgeworfen. 2.2 Millionen bedürftige Haushalte erhalten in den nächsten Monaten vom Staat jeweils 15000 Yen. Auch das wird den Konsum antreiben und schlussendlich den Börsen zu guten kommen. (tr)
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