Baufinanzierung: „Jetzt ist die Zeit umzudenken“

Foto: Prohyp
André Lichner: „Experten in der Baufinanzierung etablieren sich derzeit sehr viel stärker im Markt.“

Das Baufinanzierungsgeschäft steht nicht zuletzt aufgrund steigender Zinsen vor Herausforderungen. Wir sprachen mit André Lichner, Vorstand der Interhyp AG, und verantwortlich für das Partnergeschäft(Prohyp GmbH) sowie das Produktmanagement, über die Perspektiven im Baufi-Geschäft und bei den Zinsen sowie über die Rolle von ESG im Finanzierungsgeschäft.

Nach einem satten Anstieg der Bauzinsen besonders im letzten Jahr, scheinen sie sich derzeit bei fallender Inflation und tendenziell niedrigeren Energiepreisen in einem Korridor zwischen 3,5 und knapp vier Prozent eingependelt zu haben. Haben wir den Zinspeak bereits gesehen und können mittelfristig mit sinkenden Baufi-Zinsen rechnen?

Lichner: Ob das bereits der Peak war, weiß ich nicht. Wir werden für eine längere Zeit eher in einem Seitwärtskorridor verweilen, auch wenn die Inflation etwas sinkt und wir damit den USA folgen. Dennoch bleibt die Kerninflation noch relativ hoch und es deutet nichts darauf hin, dass der Zins jetzt signifikant sinken wird. Zudem ist spannend: Der Realzins tendiert jetzt langsam aus dem negativen Bereich wieder Richtung null. Ich bin gespannt, was bei der Geldpolitik passiert. Aber wir haben keine große Erwartung nach oben oder nach unten.

Für nicht wenige Bauwillige sind auch die derzeitigen Bauzinsen bereits zu hoch, um sich den Wunsch nach den eigenen vier Wänden zu erfüllen. Wie kann man diese dennoch erfolgreich für den Immobilienerwerb beraten?

Lichner: Aus meiner Sicht gibt es drei Ansätze. Zunächst geht es vielleicht darum, seinen Anspruch ein bisschen zu verändern und kompromissbereiter zu sein, indem man zum Beispiel weiter aufs Land zieht. Ich glaube nicht, dass man jedes Bedürfnis, das derzeit in Bezug auf die Realisierung des Wohnimmobilienwunsches existiert, umsetzen kann, weil es für viele schlicht nicht finanzierbar ist. Am Ende geht es immer um die Annuität. Es geht um die Rate im Verhältnis zu dem, was ich an monatlichem Geld zur Verfügung habe. Da waren wir Deutschen natürlich lange Zeit verwöhnt. Wir konnten mit recht geringem Aufwand und mit einem relativ geringen Satz innerhalb unseres verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen pro Monat Immobilien erwerben, als Kapitalanlagen oder auch für den eigenen Bedarf. Das ist jetzt schwergängiger geworden und ist längst nicht mehr so selbstverständlich. Deshalb ist jetzt die Zeit umzudenken. Zweitens, lässt sich ein Miete-Inflations-Hedge nur mit einem Eigenheim oder einer Eigentumswohnung realisieren. Zahlt man Miete, ist man natürlich derzeit mit den steigenden Mieten konfrontiert. Das heißt, man hat eigentlich keinen natürlichen Hedge innerhalb seiner Wohnsituation. Dem kann man ein Stück weit entgegenwirken, indem ich zusätzlich zur Immobilie, in der ich wohne, eine kleinere Wohnung kaufe, die ich mir leisten kann. Wenn ich diese vermiete, kann ich letztendlich die Mieteinnahmen auch ein Stück weit mit steigern. Das kann eine Strategie sein, um trotzdem Immobilienerwerb zu betreiben und überhaupt einmal den Einstieg zu finden. Drittens, ich muss anfangen zu sparen und Konsumverzicht zu üben. Über beispielsweise einen ETF-Sparplan lässt sich etwas Kapital auf die Seite legen, um zumindest die Transaktionskosten, die mit einer Baufinanzierung einhergehen, zu stemmen.

Während der Niedrigzinsphase war Tempo gefragt, um sein Traumobjekt auch zu bekommen. Hat sich diesbezüglich etwas verändert?

Lichner: Es hat sich schon verlangsamt. Man muss heute nicht mehr ganz schnell sein. In der Hochphase, vielleicht sogar noch bis zum ersten Quartal 2022, hatten wir eine unglaubliche Umschlagshäufigkeit. Unsere Vertriebsteams waren permanent unter Volllast. Am Ende ging es wirklich um Tempo, weil es diesen Nachfrageüberhang gab, der bedient werden musste. Heute geht es mehr um Machbarkeiten, d.h. dem Kunden beratend zur Seite zu stehen und zu überlegen: Was könnten wir denn für eine gute Angebotsstruktur finden, um vielleicht noch mal 30 oder 40 Euro in der Haushaltsrechnung zu sparen, damit diese positiv wird? Es geht also um Optimierung der Strategie für den Kunden, und das erfordert ein bisschen Zeit und natürlich eine hohe Kompetenz, was der Interhyp-Gruppe entgegenkommt. Wir können unsere Expertise sehr stark ausspielen. Wir merken auch, dass die Spezialisten im Baufinanzierungsmarkt in Bezug auf ihre Produktion deutlich stabiler sind als die, die es nur ab und zu eine Baufinanzierung beraten haben. Viele freie Allfinanzdienstleister haben derzeit natürlich auch die Möglichkeit, auf andere Produkte auszuweichen. Altersvorsorgeprodukte laufen nach meinem Kenntnisstand sehr gut. Dadurch, dass die Machbarkeit im Zentrum für eine Baufinanzierung steht, ist es natürlich leichter, vielleicht ein anderes Produkt zu verkaufen. Experten etablieren sich derzeit sehr viel stärker im Markt, während einzelne Vermittler ohne starken Fokus auf die Baufinanzierung sich genau aus diesem Bereich zurückziehen.

Stichwort Klimaschutz: Die Ampel in Berlin scheint ernst zu machen und bringt das sogenannte Heizungsgesetz in Stellung. Bringen uns diese Maßnahmen wirklich in Sachen Klimaschutz voran?

Lichner: Es ist schon wichtig, dass wir dazu beitragen, den Bestand in Deutschland zu modernisieren. Dabei gilt es, zwei Fakten zu beachten. Der eine Fakt ist: 50 Prozent der ganzen CO2-Emission entsteht beim Neubau. Wir haben unser Portfolio gescreent – über 80 Prozent sind in den schlechteren Klassen als B. Das heißt, es geht gar nicht darum, Produkte zu finden, die A+ oder A bevorteilen, sodass ich vielleicht einen Zinsabschlag bekomme. Es geht vielmehr darum, dass wir jetzt mit den Banken versuchen, Lösungen zu finden, wie wir den Bestand für Deutschland durchmodernisieren. Wir haben kürzlich analysiert, wie die Preise zwischen den verschiedenen Energieeffizienzklassen differieren. Das ist schon signifikant. Da hat man einen Riesen-Uplift drin. Man muss es auf eine bestimmte Stufe schaffen. Inzwischen kann man mit relativ wenig Aufwand, der vielleicht sogar noch gefördert ist, den Wert seiner Immobilie massiv aufwerten. Das sehe ich letztlich als unseren Auftrag an. Wir organisieren ganz viele Paneldiskussionen. Wir haben einzelne Teams gegründet, die sich quasi vollständig diesem Thema widmen.

Wie ist der Vertrieb auf das Thema ESG vorbereitet?

Lichner: Viele Vermittler wissen sehr genau, was sie machen müssen, um an Kunden heranzukommen. Viele sagen, komm, dann mache ich mal einen Energieberater Light und nutze den Sanierungsrechner beispielsweise der Interhyp-Gruppe oder der Prohyp und bringe den auf meine Website. Damit kann ich zumindest schon einmal die ersten Interessenten einsammeln, die beispielsweise ihr Haus modernisieren wollen. Hinzu kommt: Viele merken, dass sie beim Thema Modernisierung sehr sattelfest sein müssen, dass sie wissen müssen, welche Fördertöpfe zur Verfügung stehen. Denn das erwartet der Kunde heute von seinem Vermittler, weil der Kunde natürlich in einer unglaublichen Unsicherheit lebt. Genau diese Unsicherheit muss man den Menschen ein Stück weit nehmen.

Wenn Sie sagen Energieberater Light heißt das aber nicht, dass die Vermittler zum Energieberater umschulen müssen, oder?

Lichner: Nein, aber sie müssen sich aufschlauen. Viele Vertriebe bauen eine Zweistufigkeit ein, dass man Menschen hat, die zumindest den ersten Fragebogen qualifiziert aufnehmen können. Anschließend geben sie diese Aufzeichnungen zu einem Energieberater, der sich dann selbst skaliert, denn der voll ausgebildete Energieberater ist rar. Sind wir in Richtung ESG unterwegs, geht es aber nicht nur um die Themen Energieeffizienz und grüne Baufinanzierung. Es geht auch um Themen wie beispielsweise Diversity oder Gender Pay Gap. In diesem Bereich sind wir auch sehr aktiv, wir haben eine ganze Abteilung gegründet, die sich mit diesen Themen befasst. Aber auch gerade für das Thema ESG in Bezug auf Produkte und grüne Themen haben wir eine Abteilung gegründet, die sich nur darum kümmert. Das passt schon gut zu uns. Natürlich hat es auch Effizienzgewinne gebracht, aber insbesondere, durch unsere digitale DNA haben wir 255 Millionen Seiten Papier eingespart. Das entspricht einer Strecke, dreimal so hoch wie der Mount Everest. Das fühlt sich wirklich gut an.

Wie sieht es produktseitig aus, was das Thema ESG betrifft? Was haben Sie dort im Angebot?

Lichner: Wir bringen Innovationen. Derzeit sehen wir eine Entwicklung, dass man für eine bestimmte Energieklasse ein paar Basispunkte weniger für die Finanzierung bezahlen muss. Das ist für uns jedoch teilweise der falsche Anreiz, wie ich vorhin bereits angedeutet habe. Wir betreiben, dort Aufklärung, wie es eigentlich besser gehen müsste für den Standort Deutschland. Wir erarbeiten gemeinsam mit unseren Bankpartnern in Workshops, in Paneldiskussionen genau diese Sachverhalte: Was wäre denn wirklich wirksam? Dass wir da gemeinsam in den Dialog kommen, teilweise auch mit dem Wettbewerb im Gespräch sind. Zum anderen denken wir uns verschiedene Produkte aus, die wir dann mit den Bankpartnern diskutieren und testen. In dieser Richtung sind wir sehr kreativ und diskutieren viel.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments