Kann Luxus nachhaltig sein?

Luxus-Handtasche
Foto: PantherMedia/welcomia
Luxus-Handtaschen: Die Branche hat Nachhaltigkeit für sich entdeckt.

Der Wachstumsmarkt der Luxusgüter wird konfrontiert mit veränderten Präferenzen der Konsumenten und strengerer Regulatorik. Deshalb setzen ESG-Champions aus der Branche auf alternative Materialien für ihre Produkte und starke Managementpraktiken im Umgang mit Umweltrisiken.


Im Jahr 1996 lancierte Patek Philippe seine erfolgreiche Generationen-Kampagne mit dem Slogan „You never really own a Patek Philippe. You simply look after it for the next generation.“ (frei übersetzt: Eine Patek Philippe gehört einem nie wirklich. Man bewahrt sie lediglich auf für die nächste Generation). Dieser Werbespruch war nicht nur ein Marketing-Coup für den Uhrenhersteller, sondern bringt auch die tief verwurzelte Beziehung von Luxus und Nachhaltigkeit auf den Punkt: Luxusgüter haben meist durch ihre qualitativ hochwertigen Materialien, sorgfältige Verarbeitung und ein zeitloses Design eine überdurchschnittlich hohe Lebenszeit. Dadurch sind die Produkte langlebiger und scheinen deshalb besonders nachhaltig zu sein. Dennoch und gerade deswegen spielt die Nachhaltigkeit in der Zukunft der Luxusbranche eine wichtige Rolle. In vorliegender Studie konzentrieren wir uns auf das Luxussegment der Bekleidungsindustrie.

Dennoch stellt sich die Frage, ob nicht Luxus und Nachhaltigkeit ganz grundsätzlich im Widerspruch stehen. Brauchen wir in einer Welt knapper werdender Ressourcen Dinge, die zwar schön, aber nicht notwendig sind? Oder trägt vielleicht gerade das Luxussegment dazu bei, die Forschung nach umweltverträglichen alternativen Rohstoffen voranzutreiben? Sind dann also Luxus und Nachhaltigkeit doch kein Gegensatz? Nach dem Einbruch während der Corona-Pandemie kannten die Umsatzzahlen im globalen Luxusmarkt zuletzt nur den Weg nach oben. 2022 wurde mit Umsätzen von 345 Mrd. EUR und einem Wachstum von 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein Rekordergebnis erzielt laut BCG1. Diese Umsätze könnten bis 2030 nochmal auf 570 Mrd. EUR steigen, schätzt die Unternehmensberatung.

Solche Prognosen dürfte die Branche jedoch nur erfüllen, wenn Luxusunternehmen signifikante Markttrends und Herausforderungen erkennen und in ihrer Strategie berücksichtigen. Neben Handelskonflikten, dem Einsatz künstlicher Intelligenz im Produktdesign und Vertrieb sticht bei den Trends besonders die junge Generation heraus: Jüngere Käufer – die Millennials oder Generation Z – drängen auf den Markt und zeigen ein verändertes Konsumverhalten. Dabei achten besonders die
jungen Konsumenten (70 Prozent der Millennials und Gen Z) beim Kauf auf die Nachhaltigkeit der Produkte. Passend dazu stellen neue Angebote wie Second-Hand- oder Mietoptionen einen attraktiven Einstieg in die Luxuswelt dar – speziell für junge Konsumenten. Außerdem muss die Branche mit regulatorischem Gegenwind rechnen. So steht in Brüssel beispielsweise eine Ökodesign-Verordnung an, die die bestehende Ökodesign-Richtlinie für nachhaltige Produkte aus dem Jahr 2009 ersetzen und deren Anwendungsbereich erweitern wird. Vorgesehen ist ein „digitaler Produktpass“, der über die ökologische Nachhaltigkeit von Produkten wie Umweltfolgen oder Recyclingmöglichkeiten
informiert. Auch verschärfte Bestimmungen zur Transparenz und das Verbot der Vernichtung von unverkauften Produkten sind Teil eines Verordnungsentwurfes der EU-Kommission. Der Druck auf Luxusunternehmen dürfte also wachsen, das Thema Nachhaltigkeit in ihrer Strategie stärker zu berücksichtigen und Nachhaltigkeitsrisiken zu steuern. Luxusunternehmen im ESG-Check

Besonders im Fashion-Bereich profitieren Unternehmen außerdem von der inhärenten Nachhaltigkeitskomponente von Luxusgütern. Denn empirische Daten zeigen, dass High-End-Güter deshalb nachhaltiger sein können, weil Konsumenten diese länger behalten und umweltfreundlicher entsorgen – oder weil durch den Second-Hand-Markt ihr Lebenszyklus nochmal deutlich verlängert wird. Doch trotz nachweislich längerer Nutzungsdauer sind nicht alle Luxusgüter pauschal nachhaltig.
Neben einem hohen CO2 -Fußabruck, besonders entlang der Wertschöpfungskette (Scope 3), ist die Luxusbranche zahlreichen ESG-Risiken ausgesetzt. Luxusunternehmen verarbeiten beispielsweise Materialien wie Baumwolle oder Leder. Deren Herstellung kann jedoch durch Abholzung, Wasser- und Pestizideinsatz oder dem Einsatz von Chemikalien schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt und Biodiversität haben. Hier können Strafzahlungen oder der Verlust von Betriebsgenehmigungen drohen.

Im Bereich Soziales und Governance hingegen spielen Personalmanagement speziell im Bereich der Niedriglohnarbeiter aus Entwicklungsländern sowie Lieferkettenstandards eine wichtige Rolle. Hier droht neben möglichen operationalen Störungen und Produktivitätseinbußen besonders der Reputationsverlust im Falle von Kontroversen wie schlechten Arbeitsbedingungen
in den Zulieferbetrieben.

Nachholbedarf hat die Branche bei ihren Klimastrategien

Die wenig ambitionierten Klimaziele spiegeln sich im implizierten Temperaturanstieg der Luxusunternehmen wider (MSCI Implied Temperature Rise). Ein Blick auf die 27 größten Luxusunternehmen im MSCI ACWI zeigt, dass vergleichsweise wenige Unternehmen eine Klimastrategie verfolgen, die kompatibel ist mit einem Erwärmungspotenzial von 1,5 oder 2 Grad (vgl. Abbildung 1).

Umso wichtiger ist es folglich, die ESG-Champions innerhalb der Branche zu identifizieren. Vier Unternehmen sind führend im Management von ESG-Risiken: Hermès, Kering, Burberry und Luis Vuitton Moët Hennessy (LVMH). Sie werden von MSCI ESG Research durchweg mit Bestnoten bewertet. Kering, LVMH und Burberry haben sich zudem der TNFD (Taskforce on Naturerelated Financial Disclosures) angeschlossen. Das Ziel dieser Initiative ist es, dass Unternehmen innerhalb eines Offenlegungsrahmens über naturbezogene Risiken berichten und entsprechend handeln. Einen ersten Einblick in die Relevanz und Herausforderung des Themas Biodiversität für Unternehmen untersuchte Metzler Asset Management in der Publikation: ESG:update | Biodiversität rückt in Anlegerfokus.
Kering, bekannt für seine Modemarken wie Gucci oder Yves Saint Laurent, ist eines von wenigen Unternehmen, die ihren CO 2-Fußabdruck der eingesetzten Rohstoffe entlang der Lieferkette erfassen. Besonders die Rohstoffgewinnung aus der Land- und Forstwirtschaft ist dabei kohlenstoffintensiv. Darum verwendet das Luxusunternehmen Kering, bereits zu 72 Prozent Bio- oder recycelte Baumwolle. Darüber hinaus hat Kering begonnen, in alternative Materialien zu investieren, die weniger ressourcenintensiv und umweltschädlich sind, zum Beispiel im Labor gezüchtetes Leder. So ist das Unternehmen bemüht, seinen negativen Klima- und Umweltabdruck stetig zu reduzieren. Die Science Based Targetsintiative (STBi) bestätigt Kering als einzigem Luxusunternehmen ein 1,5-Grad-kompatibles Kurzfristziel bis 2030.

Für den Wettbewerber Hermès schätzt MSCI ESG Research, dass die Scope-3-Emissionen im Geschäftsjahr 2022 rund 95 Prozent der Gesamtemissionen ausmachten. Das Unternehmen bewertet umfassend den CO2-Fußabdruck seiner Produkte inkl. der Rohstoffe aus der Zulieferkette. Ergänzend unternimmt Hermès im Branchenvergleich überdurchschnittliche Anstrengungen, um Risiken bei der Arbeits- und Chemikaliensicherheit zu mindern.

Einen etwas anderen Schwerpunkt beim Management von Nachhaltigkeitsrisiken verfolgt LVMH. Das Luxusunternehmen umfasst mehrere Marken wie Louis Vuitton, Dior oder Tiffany und setzt sich besonders für die Chemikaliensicherheit in Produkten ein. So hat sich LVMH dazu verpflichtet, alle gefährlichen Stoffe aus der Lieferkette zu eliminieren, die auf einer Liste verbotener Stoffe zusammengefasst sind (Restricted Substances List, RSL). Das Unternehmen verlangt von Lieferanten,
sich an diese Liste zu halten. Außerdem hat LVMH das dezidierte Ziel, die ZDHC-Leitlinien (Zero Discharge of Hazardous Chemicals) zu implementieren. Dabei handelt es sich um eine führende Initiative, die sich dafür einsetzt, dass in der Wertschöpfungskette von Textilien, Leder und Schuhen keine gefährlichen Chemikalien mehr freigesetzt werden, um so die Schäden für Mensch und Umwelt zu verringern.

Die Burberry Group kann neben CO 2 -Einsparungen, zum Beispiel durch eine Umstellung auf 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien im eigenen Betrieb, besonders im sozialen Bereich punkten: Burberry bietet allen Mitarbeitern weltweit ein branchenführendes Elternurlaubspaket an. Dadurch haben Mütter und Väter unter anderem Anspruch auf mindestens 18 Wochen bezahlten Urlaub.

Die Attraktivität des Luxussektors für Investoren ergibt sich vor allem durch seine Beständigkeit. Im Vergleich zu anderen zyklischen Konsumwerten schwanken Umsätze, Gewinne und Margen weniger stark über die Konjunkturphasen hinweg. Die Preissetzungsmacht in dieser Kategorie ist einzigartig. Inflationär steigende Betriebs- und Herstellungskosten können ohne spürbare Auswirkungen auf die Nachfrage an den Endkunden weiter gereicht werden. All dies rechtfertigt zumindest teilweise die meist höhere Bewertung. Wie in allen Sektoren lohnt sich jedoch der genaue Blick unter die Haube, die richtige Einzeltitelauswahl ist erfolgsentscheidend. Der Performanceunterschied zwischen den
einzelnen Luxusaktien ist im Mehrjahresvergleich signifikant, ein gutes Beispiel hierfür sind LVMH und Kering.

Beide haben ein breit aufgestelltes Portfolio mit bekannten und begehrten Luxusmarken. LVMH hat über die Jahre hinweg sein Markenportfolio durch gut ausgewählte Übernahmen konstant perfektioniert. Kering wiederum hatte oft Schwierigkeiten, seine Marken richtig zu positionieren und die über alles entscheidende Begehrlichkeit („Brand Heat“) beim Kunden zu wecken. Über den Performanceunterschied von etwa 100 Prozent in drei Jahren zugunsten von LVMH kann auch das
bessere ESG-Rating von Kering nicht hinwegtrösten.

Fazit
Der wachsende Markt der Luxusgüter ist gleich mehreren Nachhaltigkeitstrends ausgesetzt, zum Beispiel veränderten Konsumpräferenzen junger Konsumenten. Um ESG-Risiken bezüglich der nötigen Rohstoffe oder dem Personalmanagement zu berücksichtigen, befassen sich ESG-Champions wie Kering, LVMH, Hermès und Burberry mit alternativen Materialien für ihre Produkte oder Chemikaliensicherheit. Dadurch kann es der Branche gelingen, im Unternehmen und bei den Produkten noch nachhaltiger zu werden. Der Blick auf den Sektor durch unser Portfoliomanagement zeigt, dass die Beurteilung der einzelnen Geschäftsmodelle und somit die Einzeltitelauswahl für die Wertentwicklung der Unternehmen entscheidend sein kann. Wir sind überzeugt, dass das Luxussegment durch seine Innovationskraft, beispielsweise im Bereich alternativer Rohstoffe, dazu beitragen kann, ganze Sektoren in ihrer Transformation zu unterstützen.

Autor Marco Scherer, CFA, ist verantwortlich für die europäische Wachstumsstrategie bei Metzler Asset Management.

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