„Die Inflationsgeschichte wird umgeschrieben. Der Preisdruck entsteht nun Hand in Hand aus Lieferengpässen bei Waren und den Verbraucherausgaben. Wir gehen davon aus, dass die geldpolitischen Normalisierungen nur sehr schrittweise erfolgen, aber dennoch zu leicht höheren Zinsen bis zum Jahresende führen werden. Daher werden wir Staatsanleihen weiterhin untergewichten.“ Laut Barjou könnte China von den Bewertungen her attraktiv werden, doch würden die Unsicherheiten weiterhin überwiegen.
„Im Laufe des Sommers haben sich das Marktumfeld und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nach und nach verändert und der Gegenwind für risikoreiche Anlagen hat zugenommen. Folglich sahen wir uns veranlasst, unsere Positionen auf neutral zurückzustufen,“ so Florence Barjou. „Wir erwarten jedoch nicht, dass der längerfristige Aufwärtstrend an den Aktienmärkten gestört wird.“ Kurzfristig und unter den Gegebenheiten der aktuellen Bewertungsniveaus scheine das Aufwärtspotenzial bis zum Jahresende jedoch begrenzt zu sein. Angesichts der von Lyxor erwarteten höheren Volatilität habe sich die Risikoprämie verschlechtert.
Makroökonomisch erwartet Frau Barjou, dass das absolute Wachstum weiterhin stark ist, die Dynamik sich jedoch abschwächt. „Der Höhepunkt des Wachstums liegt nun hinter uns, und wir sehen erhöhte Abwärtsrisiken. Eines davon ist China. Die strengere Regulierung und hohe Unsicherheit haben die Märkte unterminiert, aber sie werden sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch auf die Wirtschaftstätigkeit auswirken, da das Gewinnstreben, das den Kern des starken Wachstums in China während des letzten Jahrzehnts ausmachte, teilweise verstaatlicht wird.“ Das Gleiche gelte für das Evergrande-Debakel. Die Behörden und die chinesische Zentralbank schreiten zwar ein, um Systemrisiken zu vermeiden, aber die Umstrukturierung werde sich unweigerlich negativ auf den Wohnungsbausektor auswirken, der immerhin gut 30 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts ausmacht. „Ein Teil dieser negativen Auswirkungen könnte durch einen entsprechenden Politik-Mix geglättet werden, aber ein schwächeres Wachstum könnte der kurzfristige Preis sein, der für den ‚gemeinsamen Wohlstand‘ zu zahlen ist“, so Florence Barjou.
Covid-19 bleibt ihrer Einschätzung nach ein weiteres potenzielles Abwärtsrisiko. In Europa haben die Impfquoten inzwischen ein beruhigenderes Niveau erreicht, mit einer Quote von rund 60 Prozent der Bevölkerung, die vollständig geimpft ist. Anders sieht die Lage in den Vereinigten Staaten aus, wo die Sterberaten wieder ansteigen, wie auch in China, wo dem Wiederaufleben von Covid mit einer Null Toleranz Politik begegnet wird, die zu Beginn des Winters zu Versorgungsengpässen führen könnte.
Darüber hinaus habe sich an der Inflationsfront das Bild eindeutig von der Befürchtung einer nachfragebedingten Überhitzung hin zu einem angebotsseitigen Preisdruck verschoben. „Versorgungsengpässe und steigende Transport- und Energiekosten – die Erdgaspreise sind beispielsweise seit Jahresbeginn um mehr als 100 Prozent gestiegen – verstärken den Preisdruck, der jeden Tag ein bisschen weniger „vorübergehend“ ist,“ erläutert Frau Barjou. „Außerdem belasten die Engpässe und steigenden Kosten auch die Produktion, da Fabriken teilweise Produktionsstopps einlegen, sowie die Kaufkraft der Verbraucher.“
Angesichts des starken Wachstums sieht Florence Barjou noch keine Gefahr einer Stagflation wie in den 70er Jahren. Doch sie gibt zu bedenken, dass die Märkte gegebenenfalls kein Szenario einpreisen, das sowohl für Aktien als auch für Anleihen nachteilig wäre.
„Nach einem starken Börsenjahr spricht das aktuelle Umfeld generell für Gewinnmitnahmen und eine Risikoreduzierung in unseren Portfolios. Daher stufen wir globale Aktien auf neutral ein und behalten unsere Untergewichtung von Staatsanleihen bei,“ so Frau Barjou. Bei den regionalen Präferenzen bleibt Lyxor in Europa übergewichtet, da es immer noch ein guter Kandidat für Reflationierung ist mit soliden Gewinnaussichten und attraktiven relativen Bewertungen. Bei Schwellenländern gilt es sehr selektiv vorzugehen und bei China vorsichtig zu bleiben, da dort drastische politische Veränderungen die Aussichten eingetrübt haben und eine genaue Beobachtung erfordern.