In der Vergangenheit hielten viele Experten es für unwahrscheinlich, dass die EZB in ihr Wertpapierkaufprogramm auch Aktien aufnimmt. Allerdings mehren sich jetzt die Anzeichen für dieses Szenario. Gastkommentar von Karsten Junius, Bank J. Safra Sarasin AG
Bereits bei den negativen Einlagezinsen ist die EZB der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gefolgt. Könnte sie dies beim Thema Aktienkäufe wiederholen? Rund 100 Milliarden Franken hat die SNB inzwischen in Aktien investiert. Das sind 20 Prozent ihrer Bilanzsumme. Negative Auswirkungen davon sind für die Geldpolitik nicht auszumachen. Ganz im Gegenteil. Dies liegt an der langfristigen Ausrichtung des Aktienportfolios. Aktien mögen in der kurzen Frist riskant erscheinen, da sie höhere Kursschwankungen als andere Anlagen aufweisen können
EZB könnte auf den Geschmack von Aktien kommen
Daher kommen sie als Anlage für Zentralbanken kaum infrage, wenn diese ihre Bilanzsumme nur temporär ausweiten wollen. Die EZB wird aber inzwischen realisieren, dass die Inflationsdynamik in der Währungsunion so gering ist und die Inflationserwartungen weiterhin so niedrig, dass eine Verkürzung der Bilanz in den nächsten Jahren unwahrscheinlich ist. Die Zusammensetzung der EZB-Bilanz sollte daher anders betrachtet werden. Stabilität, Liquidität und Ertrag – und zwar genau in dieser Reihenfolge – sollten die ausschlaggebenden Kriterien bei der Auswahl von Anlageklassen der Zentralbankbilanz sein.
Eine Aktienbeimischung wäre nach allen drei Kriterien vorteilhaft. Aufgrund der geringen Korrelation zu Anleihen könnten Aktien die Stabilität der EZB-Bilanz erhöhen, indem sie die Wertschwankungen des Gesamtportfolios reduzieren. Sie könnten auch die Liquidität der EZB-Bilanz und der Euroland-Finanzmärkte erhöhen, da sie die europäischen Zentralbanken weniger dazu zwingen würde, einen immer größeren Anteil einzelner Anleiheemissionen zu halten. Die vor allem in Deutschland, Finnland, Irland und Portugal zu beobachtende Knappheit öffentlicher Anleihen, die von der EZB gekauft werden können, wäre dann nicht mehr ganz so dramatisch. Zudem werfen Aktien auch einen höheren Ertrag als Anleihen ab: So beträgt die Dividendenrendite beim deutschen DAX aktuell immerhin 3,0 Prozent und beim EuroStoxx 50 sogar 4,9 Prozent.
Aktienkäufe fördern die Wirtschaft
Selbst wenn man nur die geldpolitischen Wirkungskanäle betrachtet, kommen Aktienkäufe in der aktuellen Situation besser weg als manche intuitiv meinen könnten. Da der Kreditkanal in einigen Ländern des Währungsgebiets aus unterschiedlichen Gründen noch immer nicht störungsfrei funktioniert, würden Aktienkäufe der EZB dem Unternehmenssektor Eigenkapital zuführen, das er teilweise sonst nicht in der Lage wäre zu erhalten. Dies ist aktuell vor allem im Bankensektor der Fall. Ein EZB-Aktienkaufprogramm wäre daher komplementär zu den bisherigen geldpolitischen Maßnahmen. Diese hatten bislang die Verbesserung der Finanzierungsbedingungen mittels Fremdkapital anvisiert.
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Da die öffentliche Akzeptanz eines Aktienkaufprogrammes in der Währungsunion zunächst gering sein könnte – vor allem wenn dieses als Quersubventionierung einzelner Länder angesehen würde – sollten Aktienkäufe von den nationalen Notenbanken und auf eigene Rechnung vorgenommen werden dürfen. Sie würden also ähnlich der Käufe von Staatsanleihen organisiert, bei denen beispielsweise die Bundesbank deutsche Anleihen kauft und die italienische Notenbank italienische Anleihen. Risiken würden dabei nur sehr begrenzt im Euroraum geteilt. Wenn es gleichzeitig den nationalen Notenbanken freigestellt wäre, ob sie innerhalb ihres Anteils am Wertpapierkaufprogramm der EZB statt Anleihen auch Aktien kaufen, dann könnten genau diese Notenbanken am nationalen Aktienmarkt investieren, in denen die Knappheit von Obligationen am stärksten ausgeprägt ist. Profitieren könnte in diesem Fall vor allem der deutsche Aktienmarkt. Karsten Junius ist Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin AG, Schweiz
Foto: Bank J. Safra Sarasin AG