Das BGH-Urteil zu der „blinden“ Unterschrift eines Anlegers unter die Beratungsdokumentation ist eine ausgewogene Entscheidung. Der Löwer-Kommentar
Das ist schon ein ziemlich tiefer Abgrund in der Praxis des Finanzvertriebs, in den das letzte Woche veröffentlichte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) blicken lässt (III ZR 296/15).
Da hat ein Finanzberater seinen Schwiegereltern im Jahr 2007 zwei Beteiligungen an einem geschlossenen Fonds vermittelt, der auf die Realisierung kurzfristiger Kursgewinne aus dem Handel mit Wertpapieren und Finanzinstrumenten aller Art abzielte. Unabhängig von der sonstigen Qualität des Fonds ein schon generell höchst riskantes Unterfangen also.
Die Schwiegereltern (ein Arbeiter und eine Altenpflegerin, beide seinerzeit Mitte 50) lösten für diese angebliche „Optimierung“ ihrer Anlagen ihr gesamtes Vermögen in Form von Sparbüchern, Lebens- und Rentenversicherungs- sowie Bausparverträgen mit Guthaben von insgesamt rund 80.000 Euro auf.
Halbe Familie mit dem Fonds beglückt?
Den Fondsprospekt hat der Berater ihnen nach Feststellung des BGH – wenn überhaupt – frühestens am Tag der Zeichnung übergeben. Laut Zeugen hat er auch gegenüber anderen Anlegern, darunter mehrere Familienangehörige, Risiken verschwiegen oder verharmlost. Womöglich hat er also die halbe Familie mit dem Fonds beglückt.
Gegenüber einer Zeugin, wohl seine Schwägerin, habe der Berater zudem ausdrücklich geäußert, die Anlage sei sicher und zur Altersvorsorge geeignet. Zudem wird im vorgehalten, die Anlage als jederzeit verfügbar dargestellt zu haben. Schlimmer geht’s nimmer.
Offenbar ging die Sache schief (wobei das BGH-Urteil hierzu keine konkreten Informationen enthält). Nun klagt das Ehepaar – in Person des Mannes – den Schaden bei seinem Schwiegersohn ein. Die Transaktionen haben also wahrscheinlich nicht nur Vermögen vernichtet, sondern auch die Familie zerstört.