Vorwurf 1: Die Riester-Rente beeinträchtigt das Wachstum
Die Autoren der Studie verweisen darauf, dass die Sparquote in Deutschland von 9,4 Prozent in 2001 auf 11,2 Prozent in 2008 gestiegen sei. Von diesem Anstieg sei etwa die Hälfte eine Folge des erhöhten Vorsorgesparens im Rahmen der Riester-Rente. Diese höheren Ersparnisse hätten die privaten Konsumausgaben verringert und damit das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in der Summe um etwa ein Prozent gedämpft. Jenseits methodischer Einwände gegen diese fragwürdige Abschätzung, basiert das Argument, dass eine Erhöhung des Altersvorsorgesparens mit Wachstumseinbußen verbunden sei, auf einem zur Beurteilung von Altersvorsorgemaßnahmen völlig ungeeigneten ökonomischen Modell. Diese Einschätzung teilt auch die Bundesregierung, wie sie in einer Antwort vom 28. Dezember 2009 auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei zu dieser Studie zum Ausdruck gebracht hat.
Das vom IMK herangezogene traditionelle keynesianische Konjunkturmodell, dessen Ergebnisse faktisch nur von kurzfristigen Nachfrageeffekten getrieben werden, ist schlicht ungeeignet. Der Grund: Altersvorsorgepolitik muss in Jahrzehnten und Generationen denken und kalkulieren. Denn alle angebotsseitigen Wirkungen auf die unter Altersvorsorgeaspekten entscheidende langfristige wirtschaftliche Entwicklung, sprich das Produktionspotenzial beziehungsweise das Potenzialwachstum, werden dabei ausgeblendet.
Durch die Bitte der IMK-Autoren ist jedweder Anstieg der Sparquote negativ zu beurteilen, da eine höhere Sparquote den Binnenkonsum verringert und damit das Bruttoinlandsprodukt dämpft. Würde dieses Argument aber nicht nur in der kurzen Frist, sondern generell richtig sein, dann wäre eine Sparquote von Null die volkswirtschaftlich optimale Sparquote. Dies ist definitiv nicht der Fall.
Konjunkturelle Effekte sind sicher wichtig, können aber nicht das entscheidende Kriterium von Renten- und Bildungsreformen oder Reformen der Finanzverfassung sein. Jeder Ökonom sollte akzeptieren, dass es so etwas wie das Produktionspotenzial gibt, das heißt die trendmäßige wirtschaftliche Leistung bei Normauslastung der Kapazitäten einer Volkswirtschaft. Dieses für die langfristige gesamtwirtschaftliche Entwicklung bestimmende Potenzialwachstum ist nun aber nicht nachfragegetrieben, sondern abhängig von angebotsseitigen Faktoren wie der Realkapitalbildung, der Humankapitalausstattung und auch der Veränderung der Erwerbspersonen und des Erwerbspersonenpotenzials. Und eine Erhöhung des Produktionspotenzials erfordert nunmal positive Ersparnisse zur Realkapitalbildung wie auch zur Humankapitalbildung.
Vorwurf 2: Alterssicherung wird durch Riester-Rente unsicherer
Sichere Renten im Sinne garantierter beziehungsweise garantiert steigender Zahlbeträge gibt es nicht. Alle beitragserworbenen Ansprüche sind Ansprüche an die zukünftige Wertschöpfung und damit zwingend mit Unsicherheit behaftet. Das gilt für das Umlageverfahren – Stichwort Arbeitsmarktrisiken, demografische Risiken – wie für das Kapitaldeckungsverfahren – Stichwort Finanzmarktrisiken.
Ob und in welchem Maße diese Risiken auf die kapitalgedeckten Vorsorgesysteme durchschlagen, ist, wie die 2009 erschienene OECD-Studie „Pensions at a Glance“ zeigt, abhängig von der Intelligenz und Intensität der staatlichen Regulierung. Und hier bekommt die Regulierung bei uns gute Noten. Wohl auch deshalb wurden und werden von den Gegnern kapitalgedeckter Renten in der IMK-Studie vor allem Erfahrungen in den USA herangezogen, die aber nicht auf Deutschland übertragbar sind. Eine unzureichende Regulierung ist nun aber kein Defekt der Kapitaldeckung genau wie eine beschäftigungsfeindliche Regulierung des Arbeitsmarkts kein Defekt des Umlageverfahrens ist. Sehr viel ausgewogener wären die Aussagen zum Risiko – sowohl der betrieblichen wie der privaten Altersvorsorge in Deutschland – ausgefallen, wenn die Autoren der Studie die Antwort der Bundesregierung vom 18. November 2008 auf die Kleine Anfrage der Linkspartei hinsichtlich der Sinnhaftigkeit der staatlich geförderten wie ungeförderten kapitalgedeckten Altersvorsorge herangezogen hätten.