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Kfz-Schadenmanagement im Wandel: Wie Digitalisierung und KI die Branche revolutionieren

Dr. Sebastian Höffner, COO von Krug, a Verisk business
Foto: Joshua A. Hoffmann
Dr. Sebastian Höffner: "Der Mensch bleibt unverzichtbarer Teil des Schadenmanagements."

Die Versicherungsbranche steht im Kfz-Schadenmanagement vor tiefgreifenden Veränderungen. Steigende Kosten, technologische Entwicklungen und die zunehmende Fahrzeugkomplexität fordern neue Lösungen. Von Dr. Sebastian Höffner.

Aktuelle Daten des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verdeutlichen das Problem: Zwischen August 2023 und August 2024 stiegen die Preise für Kfz-Ersatzteile im Durchschnitt um 6,2 Prozent. Dies führt nicht nur zu höheren Schadensummen, sondern auch zu steigenden Prämien. Die Versicherer sehen sich gezwungen, ihre Kostenstrukturen neu zu überdenken und innovative Ansätze zu verfolgen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen zu minimieren.

Digitalisierung als Antwort auf steigende Komplexität

Angesichts der wachsenden Herausforderungen rückt die Automatisierung stärker in den Fokus. Moderne Systeme zur Prozessoptimierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) gelten als Schlüsseltechnologien. Sie ermöglichen eine schnellere und effizientere Schadenbearbeitung. Von der fotobasierten Schadenbewertung bis hin zu KI-gestützten Algorithmen, die Muster in Schadenmeldungen erkennen und potenzielle Betrugsfälle aufdecken, eröffnen sich für Versicherer neue Chancen.


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Ein schneller Zugang zu relevanten Daten stellt dabei einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. Ein Beispiel für den Fortschritt in diesem Bereich zeigt eine Analyse von Verisk Analytics, bei der durch den Einsatz von KI 1.967 von 768.000 eingereichten Schadenbildern als Duplikate identifiziert wurden. Viele Versicherer setzen dabei auf die Zusammenarbeit mit Dienstleistern, die die Digitalisierung schon heute mit den notwendigen technologischen Lösungen unterstützen. Der gesamte Prozess wird in digitale Teilprozesse aufgeteilt und standardisiert über eine Software abgedeckt, um die internen Fachkräfte zu entlasten und gleichzeitig dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Die Notwendigkeit zur digitalen Transformation

Die fortschreitende Digitalisierung hat die Erwartungen der Versicherungsnehmer grundlegend verändert. Kunden erwarten heutzutage ein nahtloses digitales Erlebnis mit sofortigem Zugriff auf Informationen. Schadenmeldungen sollen in Echtzeit bearbeitet werden, und der gesamte Prozess soll transparent und nachvollziehbar gestaltet sein. Dabei darf die Präzision nicht verloren gehen
Ein wachsender Trend ist der Einsatz von Self-Service-Plattformen, die eine 24/7-Erreichbarkeit ermöglichen. Kunden können jederzeit Schäden melden, Dokumente hochladen und den Bearbeitungsstatus verfolgen.

Dies trägt nicht nur zu einer verbesserten Kundenerfahrung bei, sondern bedeutet auch weniger Nachbearbeitung für den Versicherer. Digitale Lösungen wie Multi-Channel-Schadenmeldungen, die von Anfang an eine saubere Datenstruktur sicherstellen, sowie KI-gestützte Systeme zur Analyse von Schadenbildern bieten großes Potenzial.

Zwei zentrale Spannungsfelder müssen dabei ausbalanciert werden: Die Geschwindigkeit der Schadenregulierung versus die Genauigkeit der Bewertung und die Digitalisierung von Prozessen versus der direkte Kontakt zu erfahrenen Experten oder Sachverständigen.

Hürden der Digitalisierung

Die Automatisierung bringt zweifelsohne erhebliche Vorteile für das Kfz-Schadenmanagement, doch ihre Einführung ist mit Herausforderungen verbunden. Erhebliche Hürden sind hohe Implementierungskosten, strenge Datenschutzanforderungen und die nahtlose Integration in bestehende Systeme. Darüber hinaus sind gut strukturierte Prozesse eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der Digitalisierung.

Im Grunde müssen die analogen oder teildigitalisierten Prozesse bereits gut aufgebaut sein, damit sie digitalisiert werden können. Externe Experten aus den Bereichen IT und Schadenregulierung spielen hierbei eine zentrale Rolle. Um Prozesse digital anzureichern, ist die Expertise von Sachverständigen und IT-Spezialisten sowie langjährige Erfahrung am Markt notwendig.

Menschliche Expertise als entscheidender Faktor

Trotz der unbestreitbaren Vorteile moderner Technologien bleibt der Mensch ein unverzichtbarer Bestandteil des Schadenmanagements. Bei immer komplexer werdenden Aufbaustrukturen, zum Beispiel bei Elektrofahrzeugen, geht das erforderliche fundierte Fachwissen über die Fähigkeiten automatisierter Systeme hinaus. Auch komplexe Schadenbilder erfordern die Begutachtung durch Experten vor Ort, um eine präzise und effiziente Schadenregulierung zu gewährleisten.

Eine menschliche Bewertung ist in vielen Fällen noch unabdingbar und auch durch den Endkunden gewünscht. Um das gewährleisten zu können, müssen Mitarbeitende ständig geschult werden – sowohl fachlich als auch zwischenmenschlich. Die optimale Lösung besteht in einer Kombination aus KI und menschlichem Fachwissen: KI übernimmt Standardaufgaben, während komplexere Fälle von erfahrenen Spezialisten beurteilt werden.

In den kommenden Jahren wird die enge Zusammenarbeit zwischen Versicherern, Werkstätten und Technologiedienstleistern an Bedeutung gewinnen. Der gezielte Einsatz von Outsourcing, zum Beispiel durch spezialisierte Dienstleister, die ganzheitliche Prozesse oder Prozessschritte im Schadensystem übernehmen, kann Versicherern helfen, Engpässe zu bewältigen und auf die Expertise von externem, spezialisierten Personal zurückzugreifen.

Ein integriertes Ökosystem, in dem verschiedene Akteure kooperieren, bietet darüber hinaus die besten Voraussetzungen, um die Herausforderungen im Kfz-Schadenmanagement zu bewältigen. Die strategische Nutzung und Interpretation von Daten spielen dabei eine zentrale Rolle. Um den Schadenprozess weiter zu optimieren, können etwa potenzielle Personenschäden anhand von Unfalldaten frühzeitig identifiziert und an die entsprechenden Fachabteilungen oder Dienstleister weitergeleitet werden, um hohe Kosten und Risiken zu vermeiden und eine schnelle, medizinisch fundierte Regulierung sicherzustellen.

Versicherer, die frühzeitig in solche Systeme investieren, können nicht nur ihre Effizienz steigern, sondern auch die Kundenzufriedenheit erhöhen. Wer flexibel auf die veränderten Marktanforderungen reagiert, sichert sich langfristig Wettbewerbsvorteile.

Die Zukunft des Kfz-Schadenmanagements

Die Digitalisierung und Automatisierung bieten enorme Chancen für ein effizientes und kundenfreundliches Kfz-Schadenmanagement. Versicherer, die in moderne Technologien investieren und gleichzeitig die Expertise ihrer Mitarbeitenden fördern, werden die kommenden Herausforderungen erfolgreich meistern.

Externe Dienstleister und strategische Partnerschaften spielen dabei eine entscheidende Rolle. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der optimalen Kombination aus technologischem Fortschritt und menschlichem Know-how sowie in der Fähigkeit, flexibel auf neue Entwicklungen zu reagieren.

Autor Dr. Sebastian Höffner ist COO von Krug, a Verisk business

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