Auffällig ist zugleich, dass Wechsler in der Kfz-Versicherung deutlich häufiger über das Internet abschließen (59 Prozent) als Neuabschließer (20 Prozent). Für versicherungserfahrene, medienkompetente und primär preisorientierte Kunden („digitale Versicherungsrationalisten“) stellt das Internet offenbar einen bequemen Weg dar, gezielt Anbieterwechsel vorzunehmen; nicht selten auch mehrfach. Befeuert wird dies durch den jährlichen Wechselhype (Stichtag: 30. November). Je nach Anbieterpositionierung lässt sich dies kurzfristig strategisch nutzen – befördert wird damit zugleich eine Kultur des Anbieterhoppings, die alle Anbieter trifft und deren langfristiger Nutzen fragwürdig bleibt.
Kann der Onlinehandel als Vorbild dienen?
Was folgt daraus? Trotz Dominanz des Internets als Informationsmedium und Aufgeschlossenheit umgrenzter Zielgruppen für Online-Abschlüsse wird in der Gesamtbetrachtung der Kundengewinnung in der Assekuranz deutlich, dass der Ansatz, das Internet als reine Präsenz- und Informationsmaschine zu nutzen, und darüber hinaus einer bloßen „Click-And-Buy“-Logik nach Vorbild des Onlinehandels zu folgen, deutlich zu kurz greift. Ohne Kontakt mit einem vertrauenswürdigen physischen Gegenüber kämen viele Versicherungsabschlüsse gar erst nicht zustande.
Ebenso wenig erscheint als tragfähige Lösung, weiterhin isolierte analoge und digitale Strategien der Kundengewinnung und Kundenbindung zu verfolgen. Irreführende Entweder-oder-Logik (online oder offline) und unvermitteltes Schwanken zwischen Digitalisierungseuphorie und Digitalisierungsskepsis haben zu einem diffusen und konkurrierenden Nebeneinander unterschiedlicher Kontaktkanäle geführt. Dieser Ansatz muss heute aufgrund zahlreicher innerer Widersprüche und Brüche als gescheitert gelten. Nicht selten wurde dabei auch der Blick auf die Kundenbeziehung aus den Augen verloren.
„Frisch gegoogelt“ ins Beratungsgespräch
Vielmehr liegt die Zukunft gerade in der intelligenten Vernetzung physischer und digitaler Kontaktpunkte. Versicherungskunden „ticken“ nicht entweder ausschließlich digital oder analog, sondern zunehmend beides, und an verschiedenen Stationen ihrer „Customer Journey“ auch in unterschiedlichem Maße. Die Versicherungswirtschaft muss sich langfristig auf Kunden einstellen, die neue digitale Möglichkeiten und Angebote als flexiblen Baustein nutzen – da wo es für sie im Ganzen passt.
Zwangsläufig wird sich schließlich auch die Rolle der Berater ändern: Einerseits kommen viele Kunden heute – wie in anderen Dienstleistungsbranchen auch – „frisch gegoogelt“ ins Beratungsgespräch. Transparenz erhöht sich, Informationsvorsprung reduziert sich. Standardisierte Angebotsroutinen reichen zur Überzeugung der Kunden nicht mehr aus. Gefragt sind vielmehr anforderungsspezifische Beratungsleistungen und Lösungen mit höchstmöglicher individueller Passung. Zugleich kommt den Beratern aufgrund ihrer Kundennähe eine wichtige Funktion bei der Vermittlung des Nutzens neuer digitaler Angebote zu.
Seite vier: Online-Angebote mit Mehrwerten entwickeln