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KI in der Immobilienwirtschaft: Viva la Evolution

3D-Konzept eines futuristischen Immobilienmarktes, Haus
Foto: PantherMedia/julos
Die Rolle der KI in der Immobilienwirtschaft wächst langsam aber stetig.

Hat künstliche Intelligenz das Potenzial, die Immobilienwirtschaft zu revolutionieren? Wie lauten die kritischen Erfolgskriterien? Cash. beleuchtet den Stand der Dinge und wagt mit Markt und Wissenschaft einen Ausblick.

Immobilienwirtschaft und Künstliche Intelligenz (KI) – da gibt es doch sicher noch Luft nach oben. So oder ähnlich dürfte es um das Bauchgefühl vieler Marktbeobachter bestellt sein. Denn die Branche steht nicht gerade im Verdacht, Early Adopter in Sachen digitaler Transformation zu sein. Doch entspricht das Sentiment auch der Realität? Der Blick auf aktuelle Studien und Stimmen des Markts zeichnen ein differenziertes Bild.

Datenintensive Bereiche mit größtem Potenzial

Einig sind sich die Markteure darin, dass KI die Themen Effizienz, Präzision und Kundenservice auf ein neues Level heben kann. Der Digitalisierungsstudie 2024 des Branchenverbands Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA) und des Beratungshauses EY Real Estate zufolge, glauben 81 Prozent der befragten Unternehmen, dass KI immobilienwirtschaftliche Prozesse signifikant automatisieren kann.

Das Potenzial für einen tiefgreifenden Wandel legt auch eine Umfrage des Proptechs Hausgold unter 3.000 Immobilienmaklern nahe. Demnach betrachten knapp drei Viertel der Befragten KI als „relevant“ oder „sehr relevant“ für ihre Arbeit. „KI wird die Maklerbranche in den nächsten Jahren entscheidend verändern. Sie schafft den Freiraum, den viele Makler für den persönlichen Kundenkontakt brauchen, und treibt Effizienz und Wirtschaftlichkeit voran“, sagt Sebastian Wagner, CEO und Gründer der digitalen Matching-Plattform für Immobilienverkäufer und -makler.

Sebastian Wagner, CEO Hausgold: „Langfristig wird KI auch komplexere und strategische Bereiche der Immobilienbranche transformieren.“ (Foto: Hausgold)

Tatsächlich ergeben sich aus KI-Teilgebieten wie Machine Learning, Natural Language Processing oder Computer Vision vielfältige Einsatzmöglichkeiten für die Immobilienwirtschaft. „Insbesondere repetitive und datenintensive Tätigkeiten werden durch KI am schnellsten automatisiert“, prognostiziert Wagner.
Beispiele gefällig? KI-gestützte Modelle ermöglichen die automatisierte Bewertung von Markt- und Objektwerten, indem sie große Datenmengen analysieren und Muster erkennen. PriceHubble hat sich auf digitale Lösungen dieser Art spezialisiert. Die Schweizer nutzen Big Data. „Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in unseren Algorithmus ein, der in Form unseres Automated Valuation Models realisiert ist – der zentralen Technologie unseres Geschäftsmodells“, erläutert Regional Director DACH & CEE Christian Crain. Die KI-Analyse hunderter von Datenpunkten rund um den Wohnimmobilienmarkt ermögliche es den Kunden, Objekte deutlich genauer einzuschätzen. Darüber hinaus liefere die KI prädikative Analysen, um potenzielle Risiken wie Wertverluste oder Mietausfälle frühzeitig zu identifizieren und zu managen.


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Auch bei der energetischen Sanierung hilft Technologie. KI-basierte Modelle können große Mengen verschiedener Gebäudedaten analysieren, darunter Baujahr, Gebäudetyp, Energieverbrauch und geografische Gegebenheiten. „Auf dieser Grundlage lassen sich präzise Empfehlungen für energetische Sanierungsmaßnahmen ableiten. So könnten beispielsweise Objekte identifiziert werden, die durch gezielte Maßnahmen besonders von einer Sanierung profitieren, so Crain. Parallel dazu werden Eigentümer dabei unterstützt, die in ihrem Fall passenden Förderprogramme für energetische Sanierungen zu identifizieren und deren ökonomische wie ökologische Vorteile zu berechnen.
Andere Baustelle: Im Facility Management können potenzielle Probleme durch vorausschauende Wartung frühzeitig erkannt und behoben werden. Die sogenannte Predictive Maintenance erhöht die Lebensdauer von Gebäuden und reduziert Kosten. Die Voraussetzung dafür: Digitalisierung und Vernetzung in den Objekten. Gebäudekonnektivität wiederum erlaubt smarte Managementsysteme, die Energieverbräuche in Echtzeit monitoren und mithilfe von KI optimieren. Eine Lösung für mehr Nachhaltigkeit, höhere Energieeffizienz und vereinfachte ESG-Berichterstattung gleichzeitig. Im Building Information Modeling (BIM) unterstützt KI bei der Virtualisierung von Planung, Bau und Bewirtschaftung von Gebäuden, indem sie Daten effizient verarbeitet und nutzbar macht.

Christian Crain, PriceHubble: „Ohne hochwertige und umfassende Daten können KI-Modelle keine verlässlichen Ergebnisse liefern.“ (Foto: Pricehubble)

Auch Kommunikationsprozesse und das Lead-Management profitieren: Im Kundenservice können beispielsweise KI-basierte Chatbots und virtuelle Assistenten zum Einsatz kommen. In Marketing und Vertrieb optimiert KI datenbasiert Strategien und ermöglicht eine personalisierte Kundenansprache.
„Bald wird KI auch dabei unterstützen, Marketingbudgets performanceorientiert und gezielt einzusetzen und eigenständig Maßnahmen zu steuern“, prognostiziert Hausgold-CEO Wagner. Darüber hinaus unterstützt die Technologie bei der Vorbereitung auf Kundenkontakte – zum Beispiel über eine automatisierte Validierung der Qualität von Anfragen. Hausgold nutzt KI für das datenbasierte Matching von Maklern und Objekten. Soweit die Sichtweise digitaler Vorreiter.

Doch wie steht es um die Anwendung im breiten Markt? 78 Prozent der von ZIA und EY Real Estate befragten Unternehmen setzen nach eigenen Aussagen bereits interne Chatbots ein oder planen dies in naher Zukunft. Weitere aktuelle oder baldige Einsatzfelder sind Dokumentenanalyse (68 Prozent) und Energiemanagement (60 Prozent). Mit Blick auf das Potenzial der Technologie, zeigen sich 79 Prozent der Befragten überzeugt, dass KI einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels leisten kann. Fast 90 Prozent haben zudem die Hoffnung auf neue, KI-basierte Geschäftsmodelle.

Gilt KI also auch in der Breite als „Game Changer? ZIA-Hauptgeschäftsführerin Aygül Özkan gibt sich optimistisch: „Die Studie zeigt deutlich, dass die Immobilienbranche die Chancen von KI erkennt und bereit ist, mutige Schritte zu gehen.“

Laut Dr. Alexander Hellmuth, Partner bei EY Real Estate zeige das Thema neben den Chancen aber auch die Herausforderungen der Branche in Sachen digitaler Transformation „wie unter einem Brennglas“ auf. „Eine solide Datenverfügbarkeit und -struktur herzustellen, bleibt die zentrale Aufgabe, um auch die durch KI neu entstehenden Potenziale nutzen zu können“, so Hellmuth.

Crain und Wagner sehen neben der Verfügbarkeit auch die Datenqualität als eine zentrale Hürde an: „Ohne hochwertige und umfassende Daten können KI-Modelle keine verlässlichen Ergebnisse liefern“, stimmen beide überein. Zusätzlich stelle die Integration von KI-Systemen in bestehende Arbeitsprozesse und IT-Infrastrukturen viele Unternehmen vor technische und organisatorische Herausforderungen.

Özkan weiß um den herausfordernden Weg: „Unsere Studie belegt, dass der Weg zu digitaler Exzellenz kein Selbstläufer ist“. Bislang verorteten sich lediglich drei Prozent der Befragten auf diesem Level. Fakt ist: Im Zuge der wachsenden technologischen Fortschritte steigen auch die Anforderungen an die digitale Exzellenz. Es fehlt an Personal und Ausbildung: „Die Einführung von KI in die Immobilienwirtschaft erfordert gezielte Investitionen in Qualifikation und Weiterbildung sowie die Schaffung eines stabilen digitalen Fundaments“, so Özkan. „Ein Risiko ist das mangelnde Verständnis für KI-Anwendungen innerhalb der Branche, was zu Skepsis und Widerstand führen kann. Hier ist es entscheidend, Vertrauen aufzubauen und den Nutzen von KI klar zu kommunizieren“, ergänzt Wagner.
Zu guter Letzt treffen KI-Anwendungen auf eine Flut regulatorischer Anforderungen – und werden dies auch in Zukunft tun. Özkan verspricht, seitens des ZIA „die Entwicklungen rund um den AI Act der Europäischen Union intensiv zu begleiten sowie Wünsche und Sorgen der Immobilienwirtschaft konstruktiv einzubringen.“

Auch das Competence Center Process Management Real Estate hat mit seiner im vergangenen Jahr publizierten Studie „KI – aber wie?“ Immobilienexperten und Studenten der Generation Z zum Thema befragt. Der PMRE Monitor sieht ähnliches KI-Potenzial wie die Befragung von ZIA und EY Real Estate. In der Praxis werde die Technologie der Studie zufolge allerdings erst in sechs Prozent der Unternehmen umfassend eingesetzt. Auch die von Hausgold befragten Makler gaben – trotz erkannter Relevanz – zu 88 Prozent an, sich „weniger gut“ oder „gar nicht“ mit KI auszukennen – eine erhebliche Diskrepanz zwischen Praxis und Potenzial.

KI braucht Führung

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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