KI in der Medizin: Das erwarten Wissenschaftler und Börsenprofis

Foto: PantherMedia/BiancoBlue
Für KI gibt es in der Medizin reichlich Einsatzmöglichkeiten.

„Healthcare anywhere anytime“ – diese Vision elektrisiert Wissenschaft und Börse gleichermaßen. Der 7. Expertenzirkel der Fondsgesellschaft Apo Asset Management GmbH (apoAsset) zeigt, wie KI die Medizin verändern wird und Anlegerinnen und Anleger daran teilhaben können.

Der Gesundheitsmarkt boomt und steht gleichzeitig unter Stress: große Innovationen, steigende Nachfrage, aber auch Kostendruck und Personalmangel. Künstliche Intelligenz bietet hier viele Chancen – auch für die Geldanlage. „Für unsere Fondsmanager und Wissenschaftler ist KI schon lange ein konkretes Investment-Thema“, sagte Dr. Heiko Opfer, Geschäftsführer der apoAsset, die mit ihren Fonds weltweit in Gesundheit investiert. „Der jüngste KI-Boom hat hier neue Meilensteine gesetzt, zum Beispiel in der Biotechnologie.“ Zugleich gebe es auch kritische Entwicklungen, mit denen die Gesellschaft umgehen lernen müsse.

Zeitenwende im Gesundheitssektor


„Wir sehen unglaubliche Fortschritte bei Aufgaben, die vor wenigen Jahren noch unmöglich schienen“, sagte Prof. Dr. Christof von Kalle, Berlin Institute Health-Chair für Klinisch-Translationale Wissenschaften an der Charité Universitätsmedizin Berlin. „KI kann die Art und Weise, wie wir Medizin erleben und praktizieren, revolutionieren. Erwarten wir also das Unerwartete.“ Professor von Kalle verfolgt eine „Vision Zero“ für die Krebsmedizin, die langfristig den Tod durch diese Krankheit verhindern soll. Mit KI könne die Medizin dieser Vision noch näherkommen. Technologien werden Ärztinnen und Ärzte dabei nicht ersetzen, sondern unterstützen. Auch die klinische Forschung verändere sich mit KI in allen Bereichen, sagte Professor von Kalle. „Wir können damit Studien automatisieren und Fortschritte erzielen, die bisher unmöglich waren.“

Entwicklung neuer Medikamente wird deutlich günstiger


Konkrete Beispiele dafür lieferte Kristoffer Karl Unterbruner, Molekularbiologe und Portfoliomanager der Medical Strategy GmbH, an der die apoAsset beteiligt ist. „Wir erleben in der Biotechnologie eine massive Beschleunigung bei der Erforschung von Krankheiten und der Entwicklung neuer, präziser Therapien.“ Das betreffe zum Beispiel Krebs und Autoimmunerkrankungen, aber auch Tausende seltene Erkrankungen, die oft genetisch bedingt und kaum behandelbar seien. Doch der Weg ist nicht nur komplex, sondern auch extrem langwierig und teuer: 12 Jahre und 2,3 Mrd. US-Dollar – das ist der durchschnittliche Aufwand, bis ein neues, besseres Medikament alle Studien inklusive Zulassung bestanden hat. „Mit der schnell steigenden Rechenleistung und künstlicher Intelligenz lassen sich künftig voraussichtlich 25 bis 50 Prozent an Zeit und Kosten einsparen“, sagt Unterbruner.

Überraschende Therapieansätze, höhere Erfolgsaussichten


Bereits in der Grundlagenforschung lassen sich so neue Angriffspunkte, also neue Wirkmechanismen, aufspüren und bislang unbekannte Therapie-Ansätze entdecken. Auch in der klinischen Erprobungsphase, wenn es um Verträglichkeit und Wirksamkeit geht, lasse sich damit vieles verbessern. Zum Beispiel könnte es mit KI künftig möglich sein, digitale Zwillinge zu erstellen, die bei seltenen Krankheiten als Placebo- oder Kontrollgruppe dienen. Die Kombination von Biotechnologie, KI und anderer Innovationen werde die Dauer und Qualität des Lebens im 21. Jahrhundert dramatisch verbessern.

Digitale Krankenstation zu Hause


„Viele Behandlungen, die bei uns heute noch im Krankenhaus erfolgen, werden künftig auch zu Hause stattfinden“, sagte Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach, wissenschaftlicher Beirat der apoAsset und Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. „Mit digitaler Technologie können wir Patientinnen und Patienten ortsunabhängig zu Hause oder sogar im Urlaub oftmals besser überwachen.“ Die Ambulantisierung oder Konzepte wie eine „virtuelle Krankenstation“ seien in Deutschland bisher vernachlässigt worden, in anderen Ländern aber bereits bewährte Praxis.

Prävention mit Multi-Sensoren-Pflaster


Als Beispiel nannte Professor Gerlach Multi-Sensoren-Pflaster, die zum Beispiel in Israel erfolgreich eingesetzt werden. „Damit werden 13 verschiedene Vitalparameter lückenlos erfasst, zum Beispiel die Herzfrequenz, Körpertemperatur oder Sauerstoffsättigung. Im Krankenhaus ist das höchstens auf einer Intensivstation möglich.“ Ein solches mit KI verknüpftes Sensor-Pflaster könne bei kritischen Veränderungen Alarm schlagen. Hochwertige Studien zeigten, dass diese und andere Ansätze für „Hospital at home“ sehr gut funktionieren und in vielen Fällen sinnvoll seien.

Ein Beispiel aus der Kindermedizin komme ebenfalls aus Israel, sagte Professor Gerlach. Dort können Eltern mit einem digitalen Diagnosegerät selbst ihre Kinder untersuchen, während eine Ärztin oder ein Arzt per Kamera virtuell live dabei sei. Das Gerät diene zum Beispiel als Stethoskop, auch Ohren und Rachen könnten Eltern damit untersuchen. Derzeit nutzten bereits über 800 Ärztinnen und Ärzte sowie mehr als 650.000 Patientinnen und Patienten dieses System.

Viele Startups gehen in diese Richtung


„Healthcare anywhere ist die Rettung des Gesundheitswesens, wie wir es heute kennen“, sagte Dr. Markus Müschenich, Gründer und Managing Partner von Eternity.Health und ebenfalls wissenschaftlicher Beirat der apoAsset. „Wir haben zu wenig Fachkräfte bei rasant steigender Nachfrage. Die Kritik an digitaler Medizin geht oft von der Mär aus, dass nur Ärztinnen und Ärzte alles richtigmachen. Ein ambulanter Ansatz wie in Israel rüttelt das ganze System durcheinander. Viele Startups und Investoren gehen genau in diese Richtung.“

Investitionsbeispiele durch die Fondsmanager-Brille


Hendrik Lofruthe, Leiter des Portfoliomanagements Healthcare bei der apoAsset, zeigte abschließend Beispiel-Unternehmen, in die potenziell auch die Gesundheitsfonds der apoAsset investieren. Dazu gehört etwa das US-Unternehmen Schrödinger, das sich auf Software und KI in der Medikamentenentwicklung spezialisiert hat. Damit dauere die Analyse von Molekülen nur noch Tage statt Jahre, sagte Lofruthe. Ein anderes Beispiel ist das Unternehmen Certara, das mit KI die Wirkung von Medikamenten simulieren könne, bevor Studien mit Menschen stattfinden. Der Aufwand und die Risiken realer Studien solle damit deutlich verringert werden, erläuterte Lofruthe.

Ein ganz anderes Feld besetzt das Unternehmen Intuitive Surgical, das mit OP-Robotern Standards gesetzt hat. KI spiele dabei eine zunehmende Rolle, so Lofruthe. Sie könne vor und während eines Eingriffs Gewebe oder Anatomie bildlich darstellen und die optimale „Route“ durch den Körper planen. Zudem könne sie OP-Techniken gezielter einsetzen, Ergebnisse von Operationen auswerten und daraus Chirurgie-Trainings für komplexe oder seltene Fälle ableiten.

Im Bereich der Dienstleister könne maschinelles Lernen dagegen vor allem für mehr Effizienz sorgen, sagte Lofruthe. Das betreffe vor allem das Management von Daten, Personal, Erkrankten, Produkten und Prozessen, aber auch von Risiken. Ein Beispiel dafür ist die CompuGroup Medical aus Deutschland, die europaweit Software für Praxen, Apotheken und Kliniken entwickelt. Diese und andere neue Technologien sollen Ärztinnen und Ärzte entlasten, damit sie Zeit für ihre Kernaufgabe gewinnen: die persönliche Betreuung von Patientinnen und Patienten.

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