Nouriel Roubini, US-Star-Ökonom und seit seiner punktgenauen Vorhersage des Subprime-Desasters gefragtes Untergangs-Orakel, verkündet mit Unterstützung des Journalisten Stephen Mihm das „Ende der Weltwirtschaft“. Wer allerdings erwartet, dass der Wirtschaftsprofessor der zur New York University gehörenden Stern School of Business sich als Kassandra zurückmeldet, wird enttäuscht.
Der überwiegende Teil des Werks arbeitet sich in der Retrospektive an den Ursachen der jüngsten Weltfinanzkrise ab. Tröstlich ist allerdings, dass die Analyse aus der Masse der Literatur zum Thema heraussticht. Das liegt zum einen an der simplen Tatsache, dass Roubini zu den profiliertesten Experten auf diesem Gebiet zählt, zum anderen am erweiterten Fokus der Autoren, der über die klassische Wirkungskette von steigenden Hauspreisen, sorglos ausgereichten Subprime-Krediten, Verbriefungsorgien der Finanzalchemie und willfährigen Ratingagenturen hinausgeht.
Klar wird: Erst in Kombination mit zahlreichen Sollbruchstellen der Weltwirtschaft konnte sich die Kausalkette zur weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ausweiten. Roubini legt in seiner Untersuchung die Verfehlungen von Regulierern und Notenbankern offen und erklärt ohne überflüssiges Fachchinesisch, warum ein wesentlicher Faktor für die Übertreibungen an den Finanzmärkten in den globalen Handelsungleichgewichten liegt. Dabei bleibt er nicht bei abstrakten Deutungen, sondern liefert konkrete Vorschläge und scheut auch nicht vor radikalen Lösungen wie der Zerschlagung von Investmentriesen wie Goldman Sachs oder der gesamten US-Finanzaufsichtsstruktur zurück.
Ein ums andere Mal betont der Experte, dass es unmöglich ist, Krisen ganz zu verhindern. Es geht ihm vielmehr darum, die volkswirtschaftlichen Schäden im zwangsläufigen Abschwung von Boom-und-Bust-Phasen in Zukunft durch entsprechende Regulierung und präventive Geldpolitik einzugrenzen. Ein wesentlicher Aspekt der Argumentation besteht im historischen Abgleich der aktuellen mit früheren Krisen. Dabei wird deutlich, dass es sich bei der jüngsten Misere keineswegs – wie häufig behauptet – um ein unvorhersehbares Ausnahmeereignis handelte. Im Gegenteil folgte die Entwicklung laut Roubini einem durchschaubaren Grundschema von Spekulationsblasen, wie es seit Jahrhunderten auftritt. Er schafft es mit seinen Argumenten, die gängigen Beteuerungen von Vertretern der Finanzbranche, die Krise wäre aus heiterem Himmel über sie hereingebrochen, als taktisches Manöver bloßzustellen, dass letztlich vor allem dazu dient, sich aus der Verantwortung zu stehlen und am Status quo festzuhalten.
Einen kleinen Blick in die Glaskugel gibt es auf den letzten 50 Seiten dann doch. Soviel sei verraten: Der große Seher kann es noch – das Kapitel „Staatsbankrott“ ist im Programm. Ansonsten vertritt Roubini bekanntlich die Ansicht, Japan, Europa und die USA hätten ihre besten Tage hinter sich. Düsterer als die Realität an den Finanzmärkten dieser Tage fällt die Schlussfolgerung von Dr. Doom allerdings auch nicht aus.
Cash.-Fazit: Roubini erklärt die Krise zum ständigen Begleiter. Für einen bewährten Untergangspropheten liefert er dabei etwas viel Rück- und ziemlich wenig Ausblick. Nichtsdestotrotz eine exzellente Analyse, die in bester Tradition der US-Star-Ökonomen, die den Schritt vom Fachzirkel in den Publikumsmarkt gemacht haben – Krugman und Stiglitz lassen grüßen – klar strukturiert, erfrischend formuliert und auch für Zielgruppen verständlich aufbereitet ist, die nicht VWL studiert haben. (hb)
Nouriel Roubini/Stephen Mihm: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft, Campus Verlag, 470 Seiten; 24,90 Euro, ISBN 978-3593391021