Koalitionsvertrag: Kein Provisionsverbot in der Finanzberatung

Friedrich Merz
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Wird voraussichtlich neuer Kanzler: Friedrich Merz (CDU).

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sieht vor, dass provisionsbasierte Finanzberatung möglich bleibt. Die BaFin soll aber unter Umständen mehr Befugnisse bekommen. Einmal mehr ist auch der "graue Kapitalmarkt" im Visier. Die wichtigsten Vorhaben aus Sicht der Finanzbranche.

Unter der Zwischenüberschrift „Provisionen für Finanzberatung“ heißt es auf Seite 50 des 146 Seiten starken Papiers: „Die honorar- und provisionsbasierte Finanzberatung werden wir nebeneinander erhalten.“

Weiter heißt es: „Wir wollen prüfen, ob die Instrumente der Missstandsaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) derzeit ausreichen, um Fehlanreize in der Finanzberatung zu verhindern.“


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AfW-Vorstand Frank Rottenbacher hatte im Cash.-Interview in der vergangenen Woche bereits die entsprechende Passage aus dem Entwurf des Koalitionsvertrags zitiert, die nun übernommen wurde. Der Hinweis auf die BaFin und eventuelle „Fehlanreize“ lässt allerdings die Möglichkeit offen, dass es erneut zu einer Diskussion um einen Provisionsdeckel kommen könnte.

Außerdem nimmt die neue Regierung einmal mehr den „grauen Kapitalmarkt“ ins Visier. „Die Regulierung von Kryptowerten, des Grauen Kapitalmarkts und der Schattenbanken werden wir auf Lücken überprüfen und diese gegebenenfalls schließen“, heißt es in dem Vertrag. Mehr ist in dem kurzen Absatz unter der Überschrift „Regulierung Kryptowerte, Grauer Kapitalmarkt und Schattenbanken“ allerdings nicht zu lesen.

Ministerien für Finanzen, Justiz- und Verbraucherschutz an SPD

Zum „grauen“ Kapitalmarkt werden nach der Definition der BaFin regelmäßig auch Emissionen nach dem Vermögensanlagengesetz gezählt (obwohl sie inzwischen recht streng reglementiert sind). Zumindest Teile der SPD zählen – abweichend von der BaFin – auch die voll regulierten geschlossenen Publikums-AIFs zum „grauen“ Markt. Ob es zu Verschärfungen kommt, lässt der Koalitionsvertrag aber offen.

Insofern könnte vor allem relevant werden, dass sowohl das Finanzministerium als auch das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz an die SPD fällt, also jene beiden Ministerien, die solche Gesetzesvorhaben vorbereiten und unter Umständen Detailvorschriften im Alleingang erlassen können. Das betrifft auch eventuelle Ermächtigungen für die BaFin, die dem Finanzministerium untersteht, zum Erlass von Ausführungsbestimmungen.

Kein „Goldplating“ und mehr Wagniskapital

In Bezug auf die Kapitalmarktregulierung kündigt die neue Koalition an: „Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken und den europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen zu vollenden, engagieren wir uns für eine einheitliche europäische Finanzregulierung und verzichten in diesem Zusammenhang auch auf Goldplating.“

Außerdem heißt es unter diesem Stichwort unter anderem: „Wir werden im Kapitalmarktrecht einen rechtssicheren und europäisch wettbewerbsfähigen Rahmen für Investitionen von Fonds in Infrastruktur und Erneuerbare Energien schaffen. Dabei sind auch steuerrechtliche Regelungen zielgerichtet anzupassen. Rahmenbedingungen für Start-ups werden wir weiter verbessern. Dafür werden wir insbesondere die Verfügbarkeit von Wagniskapital durch bessere Beteiligungsmöglichkeiten institutioneller Investoren erhöhen.“

Reform der Riesterrente – Comeback des Altersvorsorgedepots?

Zur gesetzlich geförderten private Altersvorsorge heißt es in dem Papier: „Wir werden die bisherige Riester-Rente in ein neues Vorsorgeprodukt überführen, von bürokratischen Hemmnissen befreien und mit dem Verzicht auf zwingende Garantien sowie der Reduzierung der Verwaltungs-, Produkt- und Abschlusskosten reformieren.“

Weiter nimmt die Koalition sich vor: „Wir prüfen eine Ausweitung des Kreises der Förderberechtigten. Wir wollen dieses neue Produkt mit einer möglichst einfachen staatlichen Förderung für Bezieherinnen und Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen begleiten. Kern der reformierten Riester-Rente wird ein Anlageprodukt sein, das es auch in Form eines Standardproduktes geben soll.“

Das klingt – zumindest in Teilen – ein wenig nach dem Gesetzesvorhaben der gescheiterten Ampel-Koalition für ein „Altersvorsorgedepot“, das schon recht weit fortgeschritten war, bevor die Regierung im November 2024 platzte. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist es dann stecken geblieben. Ob es tatsächlich – dann sicherlich unter anderem Namen – wieder aufgegriffen oder zumindest darauf aufgesetzt wird oder ob alles von vorne beginnt, lässt der Koalitionsvertrag allerdings offen.

Wohngebäude: Pflicht zur Elementarschaden-Versicherung

Die Koalition kündigt zudem an, dass im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit Elementarschadenabsicherung angeboten wird und im Bestandsgeschäft sämtliche Wohngebäudeversicherungen zu einem Stichtag um eine Elementarschadenversicherung erweitert werden müssen.

„Dabei prüfen wir, ob dieses Modell mit einer Opt-Out-Lösung zu versehen ist“, heißt es. Um eine langfristige Rückversicherbarkeit sicherzustellen, kündigt sie die Einführung einer staatlichen Rückversicherung für Elementarschäden an. „Die Versicherungsbedingungen werden weitgehend reguliert“, so die Ankündigung.

Entwurf für „Wohnungsbau-Turbo“ in den ersten 100 Tagen

In dem fast drei Seiten umfassenden, aber in großen Teilen recht unkonkreten Kapitel zu Bauen und Wohnen kündigt die Koalition unter anderem eine Novellierung des Baugesetzbuches in zwei Stufen an. In den ersten 100 Tagen will sie einen „Gesetzentwurf zur Einführung eines Wohnungsbau-Turbos“, vorlegen. Konkret genannt wird hier allerdings nur, Lärmschutzfestsetzungen zu erleichtern. Bis wann sie die Verabschiedung des Gesetzentwurfs anstrebt, bleibt zudem offen.

In einem zweiten Schritt ist dann „eine grundlegende Reform zur Beschleunigung des Bauens“ geplant. Dazu zählt unter anderem die Weiterentwicklung der Vorschriften zum Lärmschutz und zur Luftreinhaltung sowie der „Gebäudetyp E“ mit vereinfachten Vorschriften, den schon die Ampel auf den Weg gebracht hatte.

Außerdem sollen unter anderem zur Wohneigentumsbildung für Familien, zur Neubauförderung und zur Sanierung bestehenden Wohnraums steuerliche Maßnahmen verbessert werden (ohne Details), eigenkapitalersetzende Maßnahmen geschaffen und die Übernahme von staatlichen Bürgschaften für Hypotheken geprüft werden. Zielsetzung ist, dass „in großer Zahl Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten für unter 15 Euro pro Quadratmeter entstehen können“, womit offenkundig die monatliche Miete gemeint ist.

„Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“

„Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“, heißt es in dem Papier. Es soll offenbar durch ein neues Gebäudeenergiegesetz (so heißt das umstrittene „Heizungsgesetz“ von Noch-Minister Robert Habeck allerdings offiziell auch) ersetzt werden, das „technologieoffener, flexibler und einfacher“ wird. Dabei soll „die erreichbare CO2-Vermeidung zur zentralen Steuerungsgröße werden“.

Die CO2-Reduktion ist auch die wesentliche Zielsetzung des bisherigen GEG. Maßstab ist dabei vielfach der Neubau-Standard beziehungsweise eine bestimmte Energieklasse. Künftig soll möglicherweise die relative Verbesserung gegenüber dem Urspungszustand des Gebäudes mehr in den Vordergrund rücken, was von der Wohnungswirtschaft schon lange gefordert wird.

Daneben ist unter anderem vorgesehen, Investitionen in den sozialen Wohnungsbau schrittweise deutlich zu erhöhen, in diesem Rahmen die Mittel für Junges Wohnen zu verdoppeln, Mittel für barrierefreies, altersgerechtes Wohnen zur Verfügung zu stellen und eine „WG-Garantie“ für Auszubildende und Studierende zu erreichen. Die Mietpreisbremse in angespannten Wohnungsmärkten wird für vier Jahre verlängert.

Unterstützung für Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene

In Punkto Steuern kündigt die neue Koalition unter anderem an, die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen „zur Mitte der Legislatur“ zu senken. Der Gewerbesteuer-Mindesthebesatz wird hingegen von 200 auf 280 Prozent erhöht. Der Solidaritätszuschlag bleibt unverändert bestehen.

Steuerliche Anreize sind vorgesehen für Mehrarbeit (steuerfreie Überstundenzuschläge), für freiwilliges längeres Arbeiten (Zuverdienst für Rentner bis 2.000 Euro im Monat steuerfrei) und für Prämien bei Ausweitung der Arbeitszeit (steuerlich „begünstigt“). Die Pendlerpauschale wird ab 2026 auf 38 Cent ab dem ersten Kilometer erhöht.

An der Mindeststeuer für große Konzerne hält die Koalition fest und unterstützt eine Finanztransaktionsteuer auf europäischer Ebene. 

„Sofortprogramm für Bürokratieabbau“

Im Rahmen eines nationalen „Sofortprogramms für den Bürokratierückbau“ will die Koalition bis Ende des Jahres 2025, insbesondere mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen, Verpflichtungen zur Bestellung von Betriebsbeauftragten abschaffen und den Schulungs-, Weiterbildungs- und Dokumentationsaufwand „signifikant reduzieren“.

„Darüber hinaus schaffen wir das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ab“, heißt es. Es wird allerdings ersetzt durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung, das die Europäische Lieferkettenrichtlinie umsetzt. 

Auch auf EU-Ebene will die neue Regierung indes darauf hinwirken, dass die von der EU-Ebene ausgehende Bürokratie „umfassend und wirkungsorientiert zurückgebaut wird“. Darüber will sie unter anderem „überbordende Regulierungen für nachhaltige Investitionen (Taxonomie), Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), die Lieferkettensorgfaltspflicht (CSDDD), (…) oder durch die unüberschaubare Menge delegierter Rechtsakte verhindern“.

Bargeld bleibt, digitaler Euro kann kommen

„Das Bargeld als gängige Zahlungsform erhalten wir“, kündigt die neue Koalition an, aber auch: „Wir unterstützen einen digitalen Euro (…).“ Außerdem heißt es unter anderem in dem Papier: „Wir setzen uns für die Weiterentwicklung der europäischen Spar- und Investitionsunion beziehungsweise Banken- und Kapitalmarktunion ein, um die Wachstumsfinanzierung in Europa zu stärken und einen einheitlichen Finanzmarkt zu schaffen.“

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