Noch nicht, aber ein differenzierender Blick lohnt, denn die Pandemie hat auch mehrere Trends beschleunigt, die sich schon zuvor in der „alten Welt“ abgezeichnet hatten. Zudem hat sie die Dynamik in anderen Segmenten beflügelt, insbesondere den Sektoren für Wohn- und Logistikimmobilien, Gesundheitseinrichtungen und alternativen Objekten, zu diesem Schluss kommt eine Analyse von Oddo BHF Asset Management.
„Kurz- bis mittelfristig ist Büroraum weniger gefragt und bis 2022 ist mit einer anhaltenden Abwärtskorrektur bei den Mieten zu rechnen. Längerfristig gesehen dürften Mieter neue Bürokonzepte nachfragen werden, mit mehr Flächenbedarf für kollaboratives Arbeiten, neue Serviceangebote für Mitarbeiter und ein effizienteres Gebäudemanagement in den Bereichen IT, Sicherheit und Energieeffizienz,“ sagt Laurent Denize, Chief Investment Officer bei Oddo BHF Asset Management.
Der Sektor für Wohnimmobilien sei von der aktuellen Krise kaum betroffen und eröffne unverändert Wachstumschancen, insbesondere in Deutschland. Zudem sei ein neuer Trend erkennbar: die Umwandlung nicht länger gebrauchter Büroflächen in Wohnraum. Möglich werde dies durch eine Annäherung der Preise in den beiden Segmenten und die Verdichtung von Immobilien.
Deutlich pessimistischer ist er für den Einzelhandelssektor, der strukturell unter der zunehmenden Nutzung des Online-Handels leide. Trotz der auf den ersten Blick attraktiven Bewertungen gebe es hinsichtlich der Mieteinnahmen weiterhin zahlreiche Unwägbarkeiten.
Klarer Gewinner sind für ich jedoch Logistikobjekte. Die Pandemie habe gezeigt, wie wichtig ein gut organisiertes Lieferkettenmanagement sei. Dies gelte insbesondere für die urbane Logistik, die von der Flächenverknappung profitiere. Außerdem dürften die Verbraucher weiterhin den Online-Handel nutzen, der in einigen europäischen Ländern noch nicht sehr verbreitet ist und daher noch viel Potenzial bieten könnte.
Zinsausblick lastet derzeit auf Immobilienaktien
Wie die zuletzt enttäuschende Entwicklung börsennotierter Immobilienwerte gezeigt habe, scheinen viele Marktteilnehmer steigende Zinsen als schlechte Nachricht für den Immobiliensektor zu sehen. Dahinter stecke eine simple Logik: Steigende Zinsen bedeuten höhere Erwartungen der Anleger an die Renditen von Immobilien (höhere Risikoprämien) und niedrigere Vermögenswerte. Das müsse nicht so sein. Wichtiger sei das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Hinzu komme die Tatsache, dass steigende Zinsen in der Regel ein Indikator für steigende Wachstumserwartungen sind, was aufgrund von indexierten Mieten wiederum ein positives Signal für Immobiliengesellschaften wäre. Ein anziehendes Wirtschaftswachstum und eine steigende Inflation verschafften Immobiliengesellschaften damit wachsende Einnahmen. Zudem sei das Dividendenwachstum in historischer Sicht immer höher ausgefallen als die Inflation.
„Langfristig kann eine Anlage in Immobilienwerten die Kapitalerosion in Folge von Inflationsdruck begrenzen. Zudem hat die EZB klar ihre Bereitschaft signalisiert, durch Beibehalten einer unterstützenden Geldpolitik für weiterhin günstige Finanzierungsbedingungen zu sorgen. Außerdem haben Immobiliengesellschaften die niedrigen Zinsen genutzt, um sich zu sehr günstigen Konditionen zu refinanzieren,“ sagt Denize.
Zu spät für einen Verkauf, zu früh für eine Neupositionierung
Auch wenn die aktuelle Situation nicht unbedingt vorteilhaft sei für eine gute Entwicklung börsennotierter Immobilienwerte, zeigt sich Oddo BHF Asset Management zuversichtlich, sofern es nicht zu einem unkontrollierten Anstieg der Langfristzinsen kommt.
In den kräftigen Abschlägen auf den Nettoinventarwert von Bürogebäuden seien sinkende Mietpreise bereits eingepreist. Daneben stützten die weiterhin günstigen Finanzierungsbedingungen. Die erwartete Gesamtrendite europäischer Immobilienaktien 6,0 Prozent seien in der jüngsten Kursentwicklung noch nicht hinreichend widergespiegelt.
Das Fazit von Denize lautet: „Über kurz oder lang sollten die Kurse zur operativen Entwicklung aufschließen. Bei entsprechender Risikobereitschaft sehen wir Anlagechancen bei diversen Immobilienunternehmen, die auf langfristige Trends und Themen wie Online-Handel, Logistik, Datenzentren, Sendemasten oder Forstwirtschaft ausgerichtet sind. Börsennotierte Immobiliengesellschaften scheinen überdies langfristig gut aufgestellt, um vom urbanen Wandel und der Entwicklung der Städte der Zukunft zu profitieren. Öffentliche Investitionen in diesem Bereich eröffnen weiteres Wertpotenzial für den Sektor.“
Solange es nicht zu einer Stabilisierung der Zinsen und einer Neubewertung physischer Immobilienwerte, insbesondere im Bürosegment komme, sei es „noch zu früh für eine Neupositionierung im Sektor – und zu spät für einen Verkauf“.