Kommentar zur Absicherung von Stuntmen: „Keine Blutsbrüder“

Foto: Florian Sonntag
Jörg Droste, Ressortleiter Versicherungen bei Cash.

Dachdecker erhalten, selbst bei bester Gesundheit, zwar keinen BU-Tarif zu bezahlbaren Prämien. Bekommen aber durchaus Alternativen angeboten. Dass Stuntleute hier deutlich mehr Probleme haben, obwohl die Risiken geringer sind, sorgt mindestens für Stirnrunzeln.

430.321 Zuschauer waren in diesem Jahr auf dem Kalkberg in Bad Segeberg und haben sich „Winntou I – Blutbrüder“ angesehen. Ohne Frage, die Abenteuer von Karl May begeistern immer noch. Wenn Alexander Klaws als Winnetou den Kalkberg hinabreitet und Wolfgang Bahro als Schurke Santer aus der Bar tritt, dann mögen die Darsteller noch selbst aktiv sein.

Anders sieht es schon aus, wenn der Titelheld vom galoppierenden Pferd fällt oder Santer zwischen den Felsen herumklettert und abstürzt. Spätestens aber, wenn Pyrotechnik zum Einsatz kommt, sind die Profis für die kniffligen Situationen mit dabei. Stuntdouble, ausgebildete Spezialisten und somit Experten für die ganz „haarigen“ Szenen. Mehr als ein Dutzend Stuntakteure haben auch bei den 72 Aufführung in dieser Spielsaison am Kalkberg in Segeberg Kopf und Kragen riskiert.

Für den Job gehen Stuntmänner und -frauen im wahrsten Sinne des Wortes durchs Feuer. Blutergüsse, Prellungen und Abschürfungen dürften zu den alltäglichen Begleiterscheinungen des Berufs gehören. Laut der German Stunt Association (GSA), der Interessenvertretung der in Deutschland professionell arbeitenden Stuntleute, die für Film-, TV-, Theater- und Werbefilmproduktionen tätig sind, gibt es 150 bis 170 professionelle Stuntleute in Deutschland.

Davon sollen nach Angaben der GSA 115 Mitglied im Verband sein. „Stuntwomen und Stuntmen sind selbständige Künstler, die über die Künstlersozialkasse in der gesetzlich Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung abgesichert sind“, erklärte Pamela Gräbe, Geschäftsführerin der GSA gegenüber meinem Kollegen und dem stellvertretenden Cash. Chefredakteur Kim Brodtmann. Laut Gräbe können sich Stuntleute bei den Berufsgenossenschaft VBG oder BG ETEM über die freiwillige Unternehmerversicherung gegen die Folgen eines berufsbedingten Unfalls oder einer Berufskrankheit versichert.

Keine BU-Absicherung zu bekommen

Eine private Berufsunfähigkeitsversicherung erhalten die Darsteller hingegen nicht. Spätestens hier ist es mit der „Blutbrüderschaft“ vorbei, wie eine kleine Anfrage bei den großen BU-Versicherern Ergo, HDI, Canada Life und Alte Leipziger zeigt. „Aus Risikogründen und der deutlich erhöhten Unfallgefahr bieten wir Stuntleute weder eine Berufsunfähigkeits- noch eine Grundfähigkeitsversicherung an. Gleiches gilt für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung im Rahmen einer Rentenversicherung. Eine private Rentenversicherung hingegen können wir Stuntleute anbieten“, betont Hanni Tokgözoglu, Pressesprecherin der HDI Lebensversicherung.

Auch die Ergo winkt ab. „Für einzelne Berufsbilder, zum Beispiel mit einem besonders hohen Anteil an risikoreichen Tätigkeiten wie Stuntman oder Stuntwoman ist der Abschluss einer Berufsunfähigkeits- bzw. Grundfähigkeitsversicherung leider nicht möglich“, erklärt Jan Fulle, Pressesprecher der Ergo Group, auf Anfrage. Dies gelte auch für den Einschluss einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Risiken der Berufsgruppe Stuntfrauen und -männer sind für uns als Versicherer nicht kalkulierbar. Ähnlich äußert sich die Alte Leipziger Lebensversicherung.

Und Canada Life Produktmanager Lebensversicherung Thomas Lerch hat die Akteure erst gar nicht auf der Berufsliste: „Stuntleute sind derzeit auf unseren Berufslisten zur Absicherung der Berufsunfähigkeit, Grundfähigkeit oder Schweren Krankheiten nicht aufgeführt“, sagt Produktmanager Leben Thomas Lerch. Zur Abdeckung der Berufsfelder in den Produkten steht der Versicherer nach Lerchs Aussagen aber in regelmäßigem Austausch mit seinem Rückversicherer.

Eine Frage der Wahrscheinlichkeit

Statistiken, Risiken, Wahrscheinlichkeiten sind Grundlagen der Versicherungsmathematik. Und damit arbeiten auch die Rückversicherer. Dass risikobehaftete Berufe bei Berufsunfähigkeitsversicherungen ausgeschlossen sind, ist auf Basis der Zahlen nachvollziehbar. Dachdecker erhalten, selbst bei bester Gesundheit, keinen BU-Tarif zu bezahlbaren Prämien. Bekommen aber durchaus Alternativen angeboten. Dass Stuntleute nicht einmal eine Grundfähigkeitsversicherung abschließen können, sorgt zumindest für Stirnrunzeln.

Denn Dachdecker werden aufgrund ihres jobbedingten Risikopotenzials, wenn man mit den Experten über Arbeitskraftabsicherung spricht, gerne als Berufsgruppe präsentiert, die sehr gut für eine Grundfähigkeitsversicherung prädestiniert sei. Nach Angabe von ASG-Geschäftsführerin Gräbe ordnet die gesetzliche Unfallversicherung die verschiedenen Berufsgruppen in Gefahrenklassen ein und führt Unfallstatistiken.

Mit der Gefahrklasse 3,26 bei der VBG und 3,6 bei der BG ETEM liegen Stuntleute deutlich unter Dachdeckern. Die haben die Gefahrenklasse 15,12, so Gräbe.

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