Kommentar: Zweiter Zins-Schock

Foto: Anna Mutter
Stefan Löwer, Leiter Cash.-Ressort Sachwertanlagen & Immobilien

Zuletzt hatten die EZB-Leitzinserhöhungen kaum noch Auswirkungen auf die Kreditzinsen; die Banken hatten sie längst eingepreist. Und doch werden sie im Vertrieb von Sachwertanlagen erst jetzt zunehmend zur Bremse. Ein Kommentar von Stefan Löwer, Cash.

Auf den ersten Blick ist die jüngste Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Sachwertbranche kein größeres Problem. Die Hypothekenzinsen haben kaum reagiert und sind schon seit November weitgehend stabil; für Kredite haben die Banken die erwarteten Leitzinserhöhungen schon 2022 vorweggenommen.

Ganz anders die Guthabenzinsen. Hier passierte lange nichts, doch in den vergangenen Monaten haben die meisten Banken begonnen, die EZB-Erhöhungen sukzessive auch in Form von Guthabenzinsen an die Kunden weiterzugeben. Mittlerweile zahlen manche Institute für ein- bis zweijähriges Festgeld an die vier Prozent Zinsen pro Jahr.

Für den Vertrieb von Sachwertanlagen ist das keine gute Nachricht, eher ein zweiter Zins-Schock. Denn die Guthabenzinsen sind nun nicht mehr weit von den Ausschüttungsprognosen vieler Sachwertfonds entfernt. Für den Vertrieb ergibt sich die Herausforderung, trotzdem die Vorzüge der Sachwerte – vor allem den Inflationsschutz – herauszustellen, ohne sich dabei zu weit aus dem Fenster zu lehnen.

Doch viel mehr als Allgemeinplätze sind nicht drin. Das betrifft vor allem die Renditeerwartungen. Für die Prognose-Szenarien in den Basis-Informationsblättern (BIB) der Fonds gibt es strenge (und nicht immer sachgerechte) Vorschriften. Doch eigene Alternativberechnungen zum Beispiel mit einer dauerhaft hohen Inflationsrate über dem EZB-Ziel und der Wirkung etwa von indexierten Mietverträgen anzustellen, wäre für den Vertrieb riskant. Das müssen die KVGen im Rahmen einer BIB-Aktualisierung erledigen. Es wird Zeit, dass sie dies angehen.

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Cash.-Ausgabe 9/2023

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