Das Altersvorsorge-Geschäft in Corona-Zeiten ist für die Branche herausfordernd. Sie haben Neugeschäft und Ergebnis deutlich gesteigert. War das vorauszusehen und was waren die Gründe?
Beitz: Wir haben im Neugeschäft um 44 Prozent zugelegt. Haupttreiber waren die Zuzahlungen in laufende Verträge. Das ist für uns ein sehr wichtiges Element. Das resultiert sehr stark aus unserem Netto-Versicherungskonzept, dass wir in Deutschland umsetzen. Wir haben in den vergangenen drei Jahren von Jahr zu Jahr eine Verdopplung der Zuzahlungen erlebt.
Die Kunden verstehen das Konzept. Das Beitragswachstum hingegen ist etwas niedriger. Das Ergebnis konnten wir hingegen sogar fast verdoppeln. Was bestätigt, dass wir ertragreich unterwegs sind. Das Geld nutzen wir, um unser Eigenkapital zu stärken. Hier haben wir ein Plus von fast zehn Prozent. Das ist sehr positiv und bestätigt, dass wir solide unterwegs sind. Insgesamt verwaltet Prisma Life nun 1,5 Milliarden Kundengelder. Für uns ist das eine wichtige Ergebnisquelle.
Sie haben in Belgien den Sterbegeldversicherungsbestand von Nucleus Life übernommen. Wie hoch ist das Wachstum hier?
Beitz: Es waren gut 3.000 Verträge, die nicht älter als eineinhalb Jahre waren. Wir haben im vergangenen Jahr die Zahl auf 5.000 Verträge ausbauen können. Und ich gehen davon aus, dass wir den Bestand in diesem Jahr fast verdoppeln können. Die Vorsorgelösung „Prisma Funeral Care“ ist eine Lebensversicherung mit dem Ziel, die unmittelbaren finanziellen Folgen der Beerdigung zu decken und gleichzeitig die Angehörigen der Verstorbenen zu unterstützen. Die Todesfallleistung wird von Prisma Life erbracht; der Beistand erfolgt durch die Axa Assistance. Hauptvertriebspartner ist die Cares-Assistance.
Planen Sie auch den Markteintritt in den Niederlanden und hierzulande?
Beitz: Belgien ist uns zugetragen worden. Die Niederlande haben wir aber nicht im Visier, weil dort die Dela den Markt dominiert. Da macht ein Markteintritt für uns keinen Sinn. Für 2022 ist Deutschland noch kein Thema. Zuerst einmal möchten wir weitere Erfahrungen mit den Assistance-Paketen sammeln. Der Markteintritt in Deutschland kann dann in Zusammenarbeit mit der Barmenia im kommenden oder übernächsten Jahr auf die Tagesordnung kommen.
Stichwort Barmenia. Die Wuppertaler hatten zu Beginn des Jahres 2021 bei Prisma Life mit 25,1 Prozent beteiligt. Wo stehen Sie hier?
Beitz: Die Barmenia hat eine Minderheitsbeteiligung bei uns; und wir gehen davon aus, dass die Wuppertaler ihren Anteil bei uns erhöhen. Die Zusammenarbeit geht dann in den nächsten Schritt, wenn die Barmenia die Mehrheit erworben hat. Wie die das im Einzelnen aussehen könnte, loten wir derzeit aus. Es gibt für 2022 in einem kleinen Feld eine Zusammenarbeit, und zwar im Bereich der Internen Revision. Konkreter dürfte es dann im Laufe des kommenden Jahres werden.
Habe ich das richtig verstanden: Die Barmenia will die Mehrheit von PrismaLife übernehmen?
Beitz: Das denke ich, dies ist unsere gemeinsame Absicht.
Die Abschlusskostenquote lag bei 7,39 Prozent 2020 und ist auf 4,7 Prozent gesunken. Wie erklärt sich dies?
Beitz: Historisch gesehen hatten wir in die Abschlusskosten die gesamten Bestandsprovisionen hineingerechnet. Das macht wenig Sinn. Nach Rücksprache mit unseren Wirtschaftsprüfern haben wir die Bestandsprovisionen umgruppiert. Das führt dazu, dass die Abschlusskostenquote gesunken ist. Dafür ist die Verwaltungskostenquote leicht gestiegen. Deswegen hatten wir in den vergangenen Jahren auch immer eine bereinigte Quote angegeben.
Stichwort Cross-Border: Sie hatten für den Herbst 2020 den Vertriebsstart in Italien angekündigt. Die Pandemie hat sie dann ausgebremst. Im März 2022 ist der Start dort nun erfolgt. Welche Erwartungen haben Sie an den Markt dort?
Beitz: In Italien werden wir Unit-Linked-Produkte anbieten. Derzeit sind wir dabei, die entsprechenden Vermittler auszuwählen, parallel beginnen wir mit der Qualifizierung. Das ist nötig, weil wir ein Produkt haben, das anders funktioniert als die bislang dort angebotenen Tarife und dem Kunden relativ viele Optionen bietet. Und weil das so ist, ist die Qualifizierung des Vertriebs immens wichtig. Ich gehe davon aus, dass der Verkaufsstart zur Jahresmitte beginnen wird. Das Produkt ist fertig, die Prozesse stehen. Wir nehmen uns aber noch die Zeit und Geduld, die Vermittler intensiv vorzubereiten.
Zur näheren Nachbarschaft gehören auch die Schweiz und Österreich. Die Pandemie hatte Ihnen den Start dort verhagelt. Sind die Pläne dort auf Eis gelegt?
Beitz: In Österreich erzielen wir rund fünf Prozent unseres Umsatzes. Allerdings nur über das Bestandsgeschäft. Aktuell sind wir dort vertrieblich nicht aktiv, wollen aber in diesem Jahr wieder erste Bande knüpfen. In der Schweiz prüfen wir den Markteintritt mit einem Sonderkonzept. Mehr möchte ich dazu derzeit nicht verraten. Das wird aber erst Anfang 2023 der Fall sein. Die Schweiz läuft uns nicht weg.
PrismaLife auf der Mittelmeerinsel Malta in den Markt gegangen. Sie haben es erwähnt, nennen aber keine Zahlen. Wie hat sich das Geschäft dort entwickelt?
Beitz: Hier ist es so, dass wir rund ein Jahr mittlerweile im Geschäft sind. Dort haben wir die geplante Stückzahl erreicht. Leider ist uns hier Corona zu Beginn in die Quere gekommen. Malta ist hat rund 500.000 Einwohner, wenn Sie dort mehr als 500 Policen verkaufen, gehören Sie dort zu den größeren Anbietern. Für uns ist ein Geschäft in der Größenordnung absolut solide.
Stichwort Nachhaltigkeit: Im vergangenen Jahr sagten Sie, dass die Vertriebspartner noch nicht so weit seien, wie sie sich es gerne wünschen. Wo stehen wir ein Jahr später?
Beitz: Also hier ist ganz klar noch Aufbauarbeit zu leisten. Es gibt nach wie vor eine große Verunsicherung im Markt. Gerade was das Thema Beratung betrifft. Wir werden mit unserem größten Vertriebspartner AFA das Thema schwerpunktmäßig im zweiten Halbjahr 2022 und Anfang 2023 angehen. Vor dem Hintergrund der stärkeren Zusammenarbeit mit der Barmenia könnte der Vertrieb in Deutschland und die Qualifikation der Vermittler beim Thema Nachhaltigkeit künftig wohl über die Mutter erfolgen. Die Barmenia ist bei dem Thema ebenfalls sehr aktiv. Und das ist auch ein Grund, warum wir so gut zusammenpassen.
Sie haben das ESG-Fonds-Angebot auf mittlerweile 65 ausgebaut. Wie schwierig ist es, geeignete Fonds zu finden, die die Ansprüche erfüllen? Und nach welchen Kriterien werden die Fonds ausgewählt?
Schulz: Es ist ein kontinuierlicher Prozess. Und wir finden immer wieder interessante ESG-Fonds. Dabei wollen wir Dopplungen in jedem Fall vermeiden. Wenn wir bereits zu einem Thema einen ESG-Fonds haben, machte es wenig Sinn, einen zweiten oder dritten auszuwählen. Das sorgt bei Vermittlern und Kunden nur für Konfusion. Insofern scannen wir den Markt permanent.
Was heißt interessante Fonds? Wann wird ein Fonds für Prisma Life attraktiv?
Schulz: Er sollte zunächst einmal ein gutes Investment-Rating haben. Dafür nutzen wir Morningstar. Bei der ESG-Einstufung arbeiten wir auch mit Morningstar. Außerdem muss ein Fonds ein gewisses Volumen haben, damit er auch effizient gemanagt werden kann. Und er sollte natürlich eine gute Performance aufweisen.
Wir schauen uns hier den Track-Record von drei Jahren aufwärts an. Was wir vermeiden wollen sind zugespitzte Themenfonds. Ein Fonds, der nur auf Gaming setzt, kann heute zwar hervorragend performen, aber morgen schon wieder unattraktiv sein. Insofern legen wir Wert darauf, einen Ansatz haben, der für langfristige Sparziele geeignet ist. Wichtig sind Rating, Performance, Mindestgröße und, dass ein für die Altersvorsorge und langfristiges Sparen geeignetes Investmentthema ist.
Wie steht es mit den Ausschlusskriterien?
Schulz: Wir haben Ausschlusskriterien nicht nur für Neuanlagen definiert, sondern auch für den Bestand umgesetzt. So kommen für uns Investments in umstrittene Waffen oder Biozide nicht in Frage. Auch Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte oder Menschenrechte sowie nachgewiesene Korruption in den Ländern sind Ausschlusskriterium. Gleiches gilt für Staatsanleihen von Ländern mit autoritären Regimen.
Das bedeutet aber, dass viele Länder außen vor bleiben, die für ein Investment durchaus attraktiv sein könnten. Schulz: Das ist tatsächlich so. Es gibt Emerging Markets-Länder oder auch Unternehmensanleihen, die dadurch nicht mehr in Frage kommen. Aber wir sind ja auch im Bereich der Alternativen Investments unterwegs. Die guten Verzinsungen, die Emerging Markets bieten, bekommen wir auch anderweitig hin. Wir haben da unseren Weg gefunden. Aber ich gebe Ihnen recht: Das schränkt schon das Universum ein.
Was heißt anderweitig hinbekommen?
Schulz: Mit Alternativinvestments im Bereich Private Debt erzielen wir gute Renditen. Daher spielen die Emergings Markets bei uns keine wesentliche Rolle mehr.
Bei dem Nachhaltigkeits-Score von MSCI liegen Sie bei 7,25. Im vergangenen Sommer lagen Sie hier noch bei 6,7. Wie erklärt sich der weitere Anstieg?
Schulz: Der ESG-Score ist einen halben Punkt besser als zum letzten Jahr. Aufgrund unseres zweistufigen Investmentprozesses können wir auch ESC-optimierte Anlagen im Deckungsstock umsetzen. Wir sehen aber durchaus noch weitere Möglichkeiten, diesen Score zu verbessern. Dass wir damit überdurchschnittlich sind, hat uns auch Zielke Research bestätigt. Ein halber Punkt Steigerung auf dem Niveau ist in der Tat bemerkenswert. Zudem konnten wir den CO2-Foodprint unseres Portfolios um 55 Prozent gegenüber dem Standard-Portfolio senken. Wie gehen wir vor? Zweistufig!
Wenn wir im Deckungsstock eine neue Anlage vornehmen wollen, schauen wir nach interessanten Investmentvehikeln von der Investmentseite her. Also der Asset-Klasse, der Branche, nach gewissen Rating-Kennziffern. In einem zweiten Schritt lassen wir diese interessanten Investmentvehikel gegen ESG laufen. Es gibt ja oft Investment-Opportunitäten; aber wenn ich im Zweifel etwas Gutes für den ESG-Score tun kann, nehmen wir im Zweifel diesen Wert. Das ist der Best-In-Class-Ansatz. Dadurch gibt es immer wieder Entscheidungen, die gut für den ESG-Score sind.
In der Ukraine tobt ein Krieg. Russland ist der Aggressor. Sind dort noch investiert? Und welche Folgen erwarten Sie durch den Krieg.
Beitz: Wir sind nicht in Russland investiert. Das ist der einfache Teil. Wie es weitergeht, weiß ich schlicht nicht. Um einen fühlen wir uns alle emotional betroffen. Ich habe nie daran gedacht, dass ich so etwas noch in meinem Leben in Europa erleben muss. Und auch unseren jüngeren Mitarbeitern geht es so, da sind viele Gespräche nötig, um mit den Befürchtungen umgehen zu lernen. Auch was die mittelfristige Geschäftsentwicklung angeht, bestehen sicherlich Unsicherheiten. Wir haben das Hauptgeschäft in Deutschland.
Wenn es dann zu größeren Einbrüchen in der wirtschaftlichen Entwicklung kommt, Inflation, Preissteigerungen, eine höhere Arbeitslosigkeit, könnte das auch Auswirkungen auf unser Geschäft haben. Zurzeit sehen wir das noch nicht. Momentan erwarten wir, dass wir in diesem Jahr weiter stark wachsen. Im ersten Quartal hatten wir ein Neugeschäftswachstum in gleicher Höhe wie im ersten Quartal 2021. Das liegt gut über 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wir haben Beitragssteigerungen von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insofern hoffen wir auf eine gute Geschäftsentwicklung. Immer vorausgesetzt, dass es zu keiner weiteren Eskalation kommt.
Das Interview führte Jörg Droste, Cash.